Anforderungen

Anforderungspapier „Barrierefreie Haushalts- und Unterhaltungselektronik“

Hintergrund

In Deutschland leben laut Weltgesundheitsorganisation 1,2 Mio. Menschen mit Sehbehinderung. Durch die Alterung unserer Gesellschaft werden sich die Zahlen in den nächsten Jahren nach oben bewegen. Von einer gravierenden Augendiagnose wie der altersbedingten Makula-Degeneration oder einer diabetischen Netzhauterkrankung sind in Deutschland etwa 7 Mio. Menschen betroffen. Die fortschreitende Digitalisierung elektronischer Geräte, umfangreiche Funktionspakete und ein zunehmender Einsatz von Touchscreens schaffen Barrieren für sensorisch beeinträchtigte Personen, weil sie in zunehmendem Maße visuelle Kontrolle erfordern. Aus diesem Grund sollte die Gestaltung von Elektrogeräten zukünftig auch ihre Belange berücksichtigen.

Allgemeine Anforderungen an barrierefreie Elektrogeräte

Die wesentliche Voraussetzung für eine allgemeine Nutzbarkeit von Haushalts- und Unterhaltungselektronik ist eine leichte und verständliche Bedienung und Handhabung der Geräte. Für eine barrierefreie Nutzung sind behinderungsübergreifend die notwendigen Handlungsabläufe beim Gebrauch des Geräts zu berücksichtigen (sowohl kognitiv, visuell, haptisch als auch auditiv). Dazu zählen, hergeleitet aus anerkannten Normen, folgende Handlungsabläufe:

  • Erkennen (Auffindbarkeit der Handlungsmöglichkeit);
  • Zuordnungsmöglichkeit (Verstehen der Handlungsmöglichkeiten);
  • Erreichbarkeit (physisch);
  • Bedienbarkeit (ergonomische und sensorische Fähigkeiten der nutzenden Person beachtend);
  • Abfragemöglichkeit aller Zustände des Gerätes (Monitoring).

Die Einstellungsmodi der Bedienelemente sollten zur besseren Verständlichkeit möglichst unternehmensübergreifend vereinheitlicht werden. Zur Entwicklung notwendiger Gestaltungsmerkmale sind ggf. partizipative Prozesse in die Produktentwicklung einzubetten.

Anforderungen sehbehinderter Menschen an Elektrogeräte

Sehbehinderte Menschen orientieren sich in ihrer Umwelt trotz ihrer Einschränkung immer noch überwiegend visuell. Daraus ergeben sich primär folgende, die visuellen Merkmale verstärkende Anforderungen an die Gestaltung von Elektrogeräten:

  • leicht verständlicher Aufbau und funktionelle Zuordnung von Bedien- und Handhabungselementen und der zugehörigen visuellen Statusprüfung;
  • ausreichender visueller Kontrast und Blendfreiheit von Bedienelementen, Beschriftungen und Anzeigen;
  • ausreichende Größe von Schriften, Symbolen und Zeichen;
  • ggf. Möglichkeit der individuellen Einstellung von Kontrasten und Schriftgrößen

Anforderungen blinder und hochgradig sehbehinderter Menschen an Elektrogeräte

Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen benötigen für die Wahrnehmung von visuellen Informationen aus ihrer Umwelt stets die Übermittlung der Information über einen alternativen Sinn. Bedien- und Handhabungselemente müssen deshalb, um barrierefrei zu sein, über mindestens zwei Sinne wahrnehmbar sein (Zwei-Sinne-Prinzip). Das erfordert neben der visuellen auch die auditive und/oder taktile Wahrnehmbarkeit:

  • gefahrlose Erkennbarkeit und Bedienbarkeit der einzelnen Bedien- und Funktionselemente;
  • visuell, taktil und akustisch leicht nachvollziehbare Funktionsweise des Gerätes;
  • direktes multisensorisches Feedback zu einer getätigten Einstellung (z. B. Rasterung, taktiler Abgleich (Schalterstellung), akustischer Quittungston (Ton oder Sprache));
  • eindeutige Interpretierbarkeit des ausgehenden Signals;
  • Auslösen von ungewollten Funktionen ausschließen (z. B. bei Touchscreens);
  • Überprüfbarkeit von aktuellen Einstellungen, Vorgangsstatus und Störmeldungen.

Externe Bedienung

Sicherheitsrelevante Bedien- und Grundfunktionen eines Gerätes sind barrierefrei bedienbar am Gerät anzubringen.
Das erweiterte Funktionspaket ist idealerweise auch am Gerät barrierefrei einzustellen, aber mindestens über eine weitere barrierefreie Bedienungsebene zugänglich zu machen (Tablet, Fernbedienung und Internetschnittstelle).
Verwendung von marktüblichen Schnittstellen, um eine Bereitstellung individueller, auch behinderungsbedingter Zusatzlösungen zu ermöglichen.

Bedienungsanleitung/-hilfe

Generell ist die Bedienung und Handhabung für die spezifische Nutzergruppe zugänglich, angemessen verstehbar und über eine barrierefreie Bedienungsanleitung erlernbar und/oder über abrufbare oder automatische Bedienungshilfen zu ermöglichen.

Voraussetzung für den Kauf

  • Vergleichbare Informationen für Menschen mit Behinderung über auf dem Markt erhältliche und von ihnen nutzbare Geräte;
  • die Industrie sollte dafür Sorge tragen, dass die barrierefreie Ware im Handel bereitgestellt wird;
  • Sortimentserweiterung des Einzelhandels durch das Angebot barrierefreier Geräte;
  • Gewährleistung von zielgruppengerechter Information und Beratung durch geschultes Personal in Handel und Unternehmen.