Zugang zu den Berufsfeldern der Physiotherapie erhalten

Der Verbandsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (DBSV) ist in höchstem Maße besorgt über die Pläne der Bundesregierung zur Reform der Berufe in der Physiotherapie. Sie sehen vor, dass Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten künftig nur noch an Hochschulen ausgebildet werden. Damit werden blinde und sehbehinderte Menschen nahezu vollständig von einem Berufsfeld ausgeschlossen, das ihnen bislang vielfältige gesellschaftlich anerkannte Perspektiven am Arbeitsmarkt bietet. Anders als in allen anderen Berufen liegt die Vermittlungsquote bei nahezu 100 Prozent. Zum Wegfall eines der wichtigsten Berufe für blinde und sehbehinderte Menschen darf es nicht kommen.

Der Verbandsrat des DBSV fordert daher die Bundesregierung mit Nachdruck auf, bei einer Reform der Berufe in der Physiotherapie folgende Voraussetzungen zu garantieren:

  1. Beide Berufe, das heißt, „Masseur und medizinischer Bademeister bzw. Masseurin und medizinische Bademeisterin“ und „Physiotherapeutin bzw. Physiotherapeut“ müssen in ihrer Eigenständigkeit erhalten bleiben. (Im Folgenden werden die Berufe im Interesse der Lesbarkeit verkürzt im Maskulinum bezeichnet.)
  2. Für die Berufe „Masseur und medizinischer Bademeister“ und „Physiotherapeut“ muss es weiterhin die Regel sein, dass die Ausbildung grundständig in Berufsfachschulen erfolgt.
  3. Eine Vollakademisierung des Berufs Physiotherapeut erfolgt nicht. Akademische Ausbildungsgänge für diesen Beruf werden nur ergänzend für herausgehobene Tätigkeiten angeboten.
  4. Menschen, die über einen Hauptschulabschluss verfügen, haben weiterhin den Zugang zum Beruf des Masseurs/medizinischen Bademeisters oder einem vergleichbaren Beruf. Absolventen mit einer mittleren Reife erhalten weiterhin die Möglichkeit, den Beruf des Physiotherapeuten zu ergreifen.
  5. Eine Durchlässigkeit von einer abgeschlossenen Berufsausbildung zur nächsthöheren Qualifikation - bis hin zu einem Aufbaustudium - wird vorgesehen.
  6. Wenn ergänzend die Möglichkeit einer akademisierten Ausbildung regelhaft geschaffen wird, dann wird auch hier ein uneingeschränkter Zugang für blinde und sehbehinderte Menschen abgesichert. Das betrifft die konzeptionelle und didaktische Ausgestaltung der Studiengänge ebenso wie die Zuerkennung erforderlicher Nachteilsausgleiche. Es wird weiterhin gesichert, dass die zuständigen Rehabilitationsträger die behinderungsbedingt notwendige Unterstützung auch bei einer hochschulischen Qualifizierung zur Verfügung stellen.
  7. Auch der DBSV sieht einen inhaltlichen und pädagogischen Modernisierungsbedarf bei den Ausbildungen, um moderne Therapiekonzepte und Fragestellungen im Sinne einer wirkungsvollen Patientenversorgung zu implementieren. Die Weiterbildungen für die sogenannten Zertifikatspositionen werden dabei zumindest teilweise in die Ausbildung integriert. Das betrifft etwa die Manuelle Therapie, die künftig direkt zum Ausbildungsinhalt in der Physiotherapie, und die Manuelle Lymphdrainage, die zum Ausbildungsinhalt beim Masseur und medizinischen Bademeister werden sollte.
  8. Blinde und sehbehinderte Menschen erhalten weiterhin die uneingeschränkte Erlaubnis für die Ausübung der Berufe „Masseur und medizinischer Bademeister“ sowie „Physiotherapeut“. Beschränkungen bei der Berufsausübung aufgrund der Seheinschränkungen werden ausgeschlossen.

Verabschiedet vom Verbandsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) am 14. Oktober 2022 in Dresden