Resolution „Digitale Barrierefreiheit rechtssicher und umfassend voranbringen – Europarechtliche Rahmenbedingungen im Sinne einer inklusiven Gesellschaft nutzen!“

Der Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) fordert die Länder und Kommunen auf, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um die Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen in unserer zunehmend digitalen Gesellschaft zu sichern und zu fördern. Zwingende Voraussetzung ist, dass digitale Angebote, egal ob sie der Allgemeinheit von Trägern öffentlicher Gewalt oder von privaten Anbietern bereitgestellt werden, barrierefrei zugänglich sind. Der europarechtliche Rahmen zur Barrierefreiheit von Webseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (RL (EU) 2016/2102) ist vollständig im Sinne blinder und sehbehinderter Menschen zu nutzen. Regelungen, die dahinter zurückbleiben, sind unverzüglich nachzubessern.

Erforderlich ist dafür im Einzelnen:

  1. Alle Bundesländer müssen endlich ihrer Pflicht nachkommen und die seit dem 23.09.2018 geltenden europarechtlichen Regelungen zur Barrierefreiheit von Webseiten und mobilen Apps öffentlicher Stellen in Landesrecht überführen. Die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen muss dabei oberste Priorität erhalten. Ausnahmeklauseln darf es nicht geben.
  2. Bei der Novellierung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sind Menschen mit Behinderungen angemessen zu beteiligen und deren Anliegen einzubeziehen.
  3. Die Gemeinden, kommunalen Gebietskörperschaften sowie privatrechtlich organisierte öffentliche Stellen der Länder und Kommunen müssen umfassend in das Behindertengleichstellungsrecht der Länder einbezogen und damit auch zur Barrierefreiheit ihrer Angebote im Internet und Intranet sowie mobiler Anwendungen verpflichtet werden. Darüber hinaus sind alle privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge, zur Barrierefreiheit zu verpflichten.
  4. Die wesentlichen Regelungen, etwa zum Umfang der Pflichten öffentlicher Stellen sowie dem Feedback- und Durchsetzungsverfahren, müssen gesetzlich verankert werden. Es ist inakzeptabel, die zentralen Inhalte unter Ausschluss der gewählten Parlamentarier und von behinderten Menschen untergesetzlich festzulegen. Die konkreten Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung müssen sich an den Standards der BITV des Bundes in der jeweils geltenden Fassung ausrichten.
  5. Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen und sonstige Bildungseinrichtungen müssen ausnahmslos gesetzlich verpflichtet werden, ihre Internet- und Intranetangebote sowie ihre mobilen Apps vollständig barrierefrei zu gestalten. Da Bildung der Schlüssel zu gesellschaftlicher und beruflicher Teilhabe ist, darf es in keinem Bundesland gesetzliche Ausnahmeregelungen geben!
  6. Es sind effektive Durchsetzungsmechanismen (Überprüfungs-, Feedback- und Durchsetzungsverfahren) zu etablieren, damit Barrierefreiheit tatsächlich umgesetzt wird. Dazu ist auch erforderlich, dass die Durchsetzungsstelle mit bestimmten Befugnissen ausgestattet ist, etwa mit Auskunfts-, Prüf- und Kontrollbefugnissen.
  7. In Anlehnung an § 13 Abs. 1 Satz 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes (BGG) sind auch auf Landesebene Regelungen zu schaffen, die die Verwaltungen verpflichten, schrittweise - spätestens bis zum 23. Juni 2021 - ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe, einschließlich ihrer Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung, barrierefrei zu gestalten.
  8. Analog zu § 12a Abs. 8 BGG bedarf es auch in den Ländern und Gemeinden einer Verpflichtung, dass Angebote öffentlicher Stellen im Internet, die auf Websites Dritter, wie z. B. Social Media, veröffentlicht werden, soweit möglich barrierefrei zu gestalten sind.
  9. Bei Ausschreibungen und Auftragserteilungen für Hard- und Software muss Barrierefreiheit zwingendes Vergabekriterium und deren Einhaltung durch unabhängige und nutzerrelevante Überprüfungen nachgehalten werden.
  10. Es sind Initiativen zur Bewusstseinsbildung und Schulungsmaßnahmen für alle Mitarbeitenden öffentlicher Stellen im Hinblick auf digitale Barrierefreiheit zu ergreifen.