DBSV-Ehrenmedaille an Claudia Roth verliehen

Im Jahr 1988 hat der DBSV die Ehrenmedaille des Verbandes geschaffen. Sie wird sehenden Menschen verliehen, die sich auf besondere Weise um das Blinden- und Sehbehindertenwesen verdient gemacht haben. Heute wurde Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet. Der DBSV würdigte damit ihr langjähriges Engagement für die kulturelle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und insbesondere die Verbesserung des barrierefreien Filmangebotes. Claudia Roth ist nicht nur seit 2011 Mitglied der Jury des Deutschen Hörfilmpreises, sie hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass Barrierefreiheit zur Bedingung für Filmförderung wurde.

Es folgt die Laudatio von DBSV-Vizepräsident Hans-Werner Lange im Wortlaut:

Laudatio
zur Verleihung
der Ehrenmedaille des DBSV
an Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth

anlässlich des DBSV-Verbandstages vom 28. bis 30. Juni 2018 in Berlin

Sehr geehrte Frau Bundestagsvizepräsidentin, liebe Frau Roth,
sehr geehrte Damen und Herren,

mit einer Sehbeeinträchtigung zu leben, bedeutet, dass davon das ganze Leben berührt ist: Bildungsweg und Berufschancen, Familie und Freundeskreis, Freizeit und Kultur, privates und öffentliches Engagement. In unserem Verband haben wir uns deshalb die Aufgabe gestellt, Menschen mit Sehbeeinträchtigung in ihrer persönlichen Situation, und zwar wo immer möglich, aus der Perspektive der Gleichbetroffenen heraus, optimal zu unterstützen. Wir stellen uns aber auch der Aufgabe, unserer Gesellschaft zu helfen, sich so zu entwickeln, dass sie blinden und sehbehinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht. Das zu schaffen, heißt natürlich soziale Fragen zu lösen. Es geht aber auch viel um Barrierefreiheit und Diskriminierungsschutz, um Meinungsbildung in unserer Gesellschaft, also um Grundrechte und eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Das schaffen wir nicht allein. Deshalb haben wir die Ehrenmedaille des DBSV geschaffen. Mit ihr möchten wir uns bei Menschen bedanken, die sich – wie es unser inzwischen verstorbenes Präsidiumsmitglied Gustav Doubrava so schön ausgedrückt hat – auf diesem Weg nicht hinter uns und nicht vor uns, sondern an unsere Seite stellen.

Heute freuen wir uns besonders, Ihnen, liebe Frau Roth, diesen Dank ausdrücken zu können. Sie haben das Engagement für die Anliegen behinderter Menschen nie nur als ein sozialpolitisches empfunden, sondern immer einen bürger- und menschenrechtlichen Ansatz verfolgt. Ihre beeindruckende Vita beginnt im kulturellen Bereich, als Dramaturgin und Bandmanagerin, bevor Sie politisch durchgestartet sind, als Mitglied im Europäischen Parlament, wo Sie zur Fraktionsvorsitzenden der Grünen wurden, als Beauftragte des Auswärtigen Amtes für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, als langjährige Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und inzwischen als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und damit als Stellvertreterin des zweithöchsten Amtes unseres Landes. Bei alledem war es aber eben immer so, dass Sie sich für übergreifende gesellschaftliche Anliegen eingesetzt haben, für Menschen- und Bürgerrechte, Klimaschutz, den Kampf gegen Rassismus und immer wieder für kulturelle Initiativen.

Dazu gehört, dass Sie sich seit Jahren für die Verbesserung des barrierefreien Filmangebotes und für die Teilhabe am kulturellen Leben von Menschen mit Behinderungen engagieren. Sie sind seit 2011 Mitglied der Jury des Deutschen Hörfilmpreises und haben dieses Engagement noch im selben Jahr auch in den Deutschen Bundestag getragen: zunächst mit einer Rede zum barrierefreien Film, gefolgt von einer Initiative zur Verbesserung des barrierefreien Filmangebotes. Dabei haben Sie die Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundestagsfraktionen gewonnen, gemeinsam einen ersten Brief an die Filmförderanstalt (FFA) zu richten. Es folgten die Bearbeitung des Themas in den Bundestagsgremien, Anfragen der Fraktionen und schließlich ein Antrag an den Bundestag mit der Forderung nach konkreten Sofortmaßnahmen und Lösungsvorschlägen, unter anderem zur Bindung der Filmförderung an Barrierefreiheit. Daraufhin ging es schnell: Beim Deutschen Hörfilmpreis 2012 kündigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann an, barrierefreie Fassungen zur Bedingung für eine FFA-Förderung vorzuschlagen. Die Verpflichtung wurde in die Förderrichtlinien aufgenommen und 2014 Gesetz. Bis heute ist das Filmförderungsgesetz damit eine beispielhafte Lösung zur Schaffung von Barrierefreiheit im Privatbereich, die Nachahmung verdient.

Sie haben, liebe Frau Roth, durch Ihre Mitarbeit in der Jury des Deutschen Hörfilmpreises und Ihre engagierten Stellungnahmen bei den Verleihungen auch die Öffentlichkeit immer wieder für den barrierefreien Film und die verschiedenen Aspekte der kulturellen Teilhabe sensibilisiert. Mit Ihrem Statement: „Es gibt den Löwen in Venedig, es gibt den Bären bei der Berlinale, es gibt den Oscar, es gibt die Lola, also braucht auch der Hörfilmpreis einen Namen. Der Glamour ist ja jetzt da“, haben Sie den Anstoß für eine Namenssuche gegeben. 2018 hat der Deutsche Hörfilmpreis den Namen ADele bekommen. AD, in Großbuchstaben, für Audiodeskription. Das ist die Technik, die es auch blinden und sehbehinderten Menschen ermöglicht, Filme erleben zu können, ohne sie zu sehen, ob im Fernsehen oder im Kino, ob als Kinderfilm, Dokumentation oder großes fiktionales Werk, und damit einfach dazuzugehören, zur Familie, zum Freundeskreis, zu einer inklusiven Welt.

Sie, liebe Frau Roth, haben das so ausgedrückt: „Für mich ist dieser Hörfilmpreis auch ein Menschenrechtspreis, weil er Menschen Teilhabe ermöglicht“. Und: „Es geht um Inklusion. Und Inklusion heißt, dass sich unsere Gesellschaft, das heißt die Medien, die medialen Mittel anpassen müssen an die Menschen …“

Für uns hier im Saal, ist es eine große Freude, dass Sie heute bei uns sind und unseren Dank entgegennehmen.

DBSV-Vizepräsident Hans-Werner Lange

Berlin, 29. Juni 2018