Barrierefreie Bücher - der blindenfeindlichste Gesetzentwurf zur Umsetzung des Marrakesch-Vertrages kommt aus Deutschland

Im September vergangenen Jahres hat die EU eine Richtlinie zur Umsetzung des Marrakesch-Vertrages zur barrierefreien Aufbereitung und Verbreitung von Büchern und Zeitschriften verabschiedet. Für alle Mitgliedsstaaten existiert damit ein einheitlicher gesetzlicher Rahmen. Dieser lässt jedoch Spielräume in der Anpassung des Urheberrechts zu, die von den einzelnen Ländern unterschiedlich genutzt werden. Die internationale Bibliotheksvereinigung (International Federation of Library Associations and Institutions - IFLA) hat dazu nun eine Übersicht veröffentlicht.

Das peinliche Ergebnis: Die blindenfeindlichste Umsetzung kommt ausgerechnet aus Deutschland. So sind im deutschen Gesetzentwurf beispielsweise Ausgleichszahlungen an die Rechteinhaber von Büchern und eine Registrierung für die sogenannten befugten Stellen, also die Anbieter barrierefreier Werke, verpflichtend.

Rot: 5 Symbole mit Erläuterungen: Ausgleichszahlung für Bücher/Hörbücher, Registrierungspflicht f. befugte Stellen, Zusätzl.Dokumentationspflichten, Nicht anwendbar auf zusätzliche Behinderungen. Grün: DYSLEXIA/Gilt auch für Menschen mit Lesebehinderung

Insgesamt bewertet die IFLA den deutschen Gesetzentwurf in fünf von sechs Indikatoren negativ. "Deutschland ist mit großem Abstand Schlusslicht in Europa bei der zielführenden Umsetzung des Marrakesch-Vertrages - ein Armutszeugnis für das Land der Dichter und Denker!", stellt DBSV-Geschäftsführer Andreas Bethke fest.

Am 11. Oktober endet die Frist für die Umsetzung des Marrakesch-Vertrages in nationales Recht. "Wir erwarten, dass Deutschland die verbleibende Zeit nutzt, um den Entwurf grundlegend zu überarbeiten. Wenn es um den grenzüberschreitenden Austausch von barrierefreien Werken geht, sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen, statt die rote Laterne hinterherzutragen", fordert Prof. Dr. Thomas Kahlisch. Er ist Mitglied des DBSV-Präsidiums und stellvertretender Vorsitzender der Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen (MediBus).

Der Bericht in englischer Sprache steht auf der Internetseite der IFLA in Normal- und Großdruck zum Download bereit unter:

www.ifla.org/node/58730

Die IFLA greift bei ihrer Bewertung auf gemeinsame Empfehlungen mit dem europäischen Dachverband EBLIDA zurück.