Gendern

Das Präsidium des DBSV hat im April 2019 für den DBSV die im Folgenden dargestellte Linie festgelegt. Die Mitgliedsorganisationen und -einrichtungen wurden eingeladen, sich dieser Linie anzuschließen. Die Position wurde im Juni 2020 und im März 2021 jeweils durch Beschluss des Präsidiums ergänzt und letztmalig im März 2024 in Teilen präzisierend umformuliert und aktualisiert.

Gendern

  • Damit klar wird, wie ein Text von einer Assistenz oder einem Screenreader vorgelesen werden soll, sollen Personenbezeichnungen ausformuliert werden. Dabei bemühen wir uns, bevorzugt Textlösungen zu finden, die kein Geschlecht ausschließen („Team“ statt „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“). Nachrangig verwenden wir die Beidnennung („Ärztinnen und Ärzte“).
  • Wir bedauern, dass die Beidnennung denjenigen Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen, nicht gerecht wird. Bei längeren Texten kann deshalb ergänzend in einem vorangestellten Satz erklärt werden, dass der jeweilige Text sich unabhängig von den verwendeten Personenbezeichnungen an Menschen aller Geschlechtsidentitäten richtet.

Kurzformen - Gendern mit Sternchen, Unterstrich und Doppelpunkt

Um dem Urteil zum Personenstandsgesetz vom Oktober 2017 gerecht zu werden und alle Menschen in ihrer geschlechtlichen Vielfalt anzusprechen, werden in deutschsprachigen Texten neben genderneutralen Formen („Team“ statt „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, siehe oben) auch Gender-Kurzformen wie

  • Leser*in
  • Leser_in
  • Leser:in

genutzt. Diese sind für viele blinde und sehbehinderte Menschen problematisch, wie den folgenden Erläuterungen entnommen werden kann, und deshalb nicht zu empfehlen.

Falls jedoch mit Kurzformen gegendert werden soll, empfiehlt der DBSV, das Sternchen zu verwenden, unter anderem, weil davon auszugehen ist, dass Doppelpunkt und Unterstrich für sehbehinderte Menschen schlechter erkennbar sind als das Sternchen.

Erläuterungen zur Position des DBSV zum Thema Gendern

Die folgenden Erläuterungen wurden dem Kompendium „Gendersensible Sprache. Strategien zum fairen Formulieren“ entnommen, an dem der DBSV mitgewirkt hat und das unter
https://www.bdkom.de/veroeffentlichungen/kompendium-gendersensible-sprache/
kostenfrei als barrierefreie PDF-Datei heruntergeladen werden kann.

Auf das gehörte Wort kommt es an:
Der DBSV und das Gendern

Statement des DBSV-Geschäftsführers Andreas Bethke

"Wenn blinde und sehbehinderte Menschen Texte lesen, findet das in erster Linie über das Hören statt – egal ob der Computer etwas vorliest, ob es die Arbeitsassistenz tut oder ein Mensch aus der Nachbarschaft. Für uns ist das gehörte Wort wichtig, und deshalb wünschen wir uns Klarheit darüber, wie ein Text vorzulesen ist.

Gendern durch Satz- und Sonderzeichen und Binnen-I finden wir schwierig, da sie beim Vorlesen entweder überlesen oder mit vorgelesen werden, was den Vorlesefluss stört. Seit einiger Zeit nehmen wir wahr, dass der Genderdoppelpunkt als blinden- und sehbehindertengerecht bezeichnet wird. Er steht jedoch auf der Liste der Lösungen, die wir nicht empfehlen. (...) Unsere favorisierten Lösungen sind Formulierungen, die kein Geschlecht ausschließen wie bei Team, oder die Beidnennung wie in Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Leider wird die zweite Lösung nicht allen Geschlechtsidentitäten gerecht.

Bisher gibt es unter den Menschen, die sich weder als männlich noch als weiblich einordnen, keinen Konsens darüber, wie gegendert werden soll. Wenn sich jedoch die maßgeblichen Organisationen dieser Menschen auf einen gemeinsamen Vorschlag dazu einigen würden, wäre das für uns ein gewichtiger Grund, unsere Position zum Gendern auf den Prüfstand zu stellen – schließlich sind auch wir eine Selbsthilfevereinigung und respektieren deshalb, wenn Menschen in eigener Angelegenheit entscheiden wollen."

Gendern aus der Perspektive blinder und sehbehinderter Menschen

Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Gendern durch Satz- und Sonderzeichen problematisch. Personen, die Texte vorlesen, gehen unterschiedlich mit diesen Zeichen um. Aus dem geschriebenen Wort Kommunikator*in wird in der gesprochenen Sprache wahlweise Kommunikator oder Kommunikatorin oder das Sonderzeichen wird mit vorgelesen, wobei diese Variante oft als störend für den Lesefluss empfunden wird.

Auch Computersysteme können Texte vorlesen. Dabei gibt es unterschiedliche Optionen, wie Satz- und Sonderzeichen behandelt werden – je nachdem welche Software, also welcher Screenreader, verwendet wird. Gelingt es, das Vorlesen bestimmter Zeichen gezielt zu verhindern, werden diese immer unterdrückt – beispielsweise wird ein Stern, der in einem Formular ein Pflichtfeld markiert, dann ebenfalls nicht vorgelesen. Das Unterdrücken wird durch eine Pause realisiert, die dem Glottisschlag nahekommt. Von der queeren Community wird dies begrüßt, da er zum Nachdenken anregt und von ihr ohnehin in der gesprochenen Sprache zum Gendern genutzt wird.

In Bezug auf Barrierefreiheit müssen neben dem zentralen Aspekt des Vorlesens weitere Aspekte bedacht werden, wie die Sprachausgabe, die je nach Nutzergruppe sehr unterschiedlich eingestellt wird, und die Ausgabe der Sonderzeichen auf dem Blindenschrift-Display, mit dem digitale Inhalte für blinde Menschen dargestellt werden. Bei Texten in Brailleschrift – auch in Papierform – müssen Sonderzeichen durch spezielle Ankündigungszeichen als solche gekennzeichnet werden, was den Lesefluss behindert. Erschwerend kommt hinzu, dass es aktuell keine einheitliche Gendervariante gibt, auf die sich Personen, die vorlesen, und die Hersteller von Computerprogrammen einstellen könnten.

Der Genderdoppelpunkt

Der Doppelpunkt steht auf einer Liste nicht empfohlener Gender-Kurzformen des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes. Gründe sind Probleme beim Vorlesen – sei es durch einen Computer oder durch eine Person – und bei der Darstellung in Blindenschrift. Trotzdem wird der Doppelpunkt als eine besonders blinden- und sehbehindertenfreundliche Form des Genderns dargestellt. Grund ist vermutlich die Annahme, dass der Doppelpunkt von Screenreadern standardmäßig nicht vorgelesen werde, weil er im Gegensatz zu Stern und Unterstrich kein Sonderzeichen, sondern ein Interpunktionszeichen ist. Abgesehen davon, dass dies von den Screenreadern unterschiedlich gehandhabt wird, hat der Doppelpunkt jedoch wichtige Funktionen, weshalb viele blinde und sehbehinderte Menschen ihn sich vorlesen lassen. Das Unterdrücken des Doppelpunktes führt zudem zu einer längeren Pause als das Unterdrücken anderer Zeichen. So kann der Eindruck entstehen, der Satz sei zu Ende.

Fragen zur Position des DBSV können Sie gern an Volker Lenk richten.