Forderungen des DBSV zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe

Der Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes stellt fest: Die Kinder- und Jugendhilfe muss endlich inklusiv ausgestaltet werden. Das SGB VIII ist so weiterzuentwickeln, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur rechtlich, sondern tatsächlich einen gleichberechtigten Zugang zu allen Angeboten, Leistungen und Hilfesystemen erhalten. Eine Zusammenführung der Eingliederungshilfeleistungen für alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen im SGB VIII erscheint vor diesem Hintergrund notwendig.

Bei einer Reform erwartet der DBSV, dass die folgenden Maßgaben Beachtung finden:

  • Teilhabe stärken: Eine Zusammenführung der Eingliederungshilfe für alle jungen Menschen im SGB VIII muss dazu genutzt werden, die Teilhabemöglichkeiten aller jungen Menschen mit (drohenden) Behinderungen substantiell zu verbessern. Die Leistungen der Eingliederungshilfe dürfen nicht in Frage gestellt werden. Das Bedarfsdeckungsprinzip mit dem an das SGB IX anknüpfenden offenen Leistungskatalog muss Bestand haben.
  • Behinderungsbedingte Teilhabeleistungen erhalten und sichtbar machen: Eingliederungshilfe und Hilfen zur Erziehung verfolgen unterschiedliche Ziele. Eingliederungshilfeleistungen müssen als solche klar erkennbar und für junge Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt zugänglich bleiben. Nur im Bedarfsfall sind behinderungsbedingt notwendige Teilhabeleistungen und Hilfen zur Erziehung miteinander zu verschränken.
  • Rehaträgerschaft erhalten: Die Kinder- und Jugendhilfe muss für Leistungen der Eingliederungshilfe Rehabilitationsträger bleiben. Das bedingt eine Verbindlichkeit der - und die Kompatibilität mit - den Vorschriften des SGB IX, Teil 1.
  • Bedarfsermittlung und Hilfeplanung bedarfsgerecht gestalten: Bestehende Schnittstellen bei der Bedarfsermittlung und Hilfeplanung, die einer im Bedarfsfall erforderlichen ganzheitlichen Unterstützung der Familien entgegenstehen, sind zu überwinden. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass notwendige behinderungsbedingte Rehabilitations- und Teilhabeleistungen eigenständig und unabhängig von einer gleichzeitigen automatischen Überprüfung und Bewertung der Erziehungssituation in der Familie erbracht werden können. Zwingend ist dafür ein differenzierbares Bedarfsermittlungsverfahren unter Berücksichtigung der Standards im SGB IX.
  • Leistungszugang öffnen: Junge Menschen müssen in ihrer Entwicklung gestärkt und gefördert werden. Der Zugang zu Eingliederungshilfeleistungen darf nicht durch das Anknüpfen an eine „wesentliche“ oder „erhebliche“ Behinderung eingeschränkt werden. Vielmehr muss das Vorliegen oder Drohen einer Behinderung im Sinne von § 2 SGB IX ausreichen, um den Leistungszugang zu eröffnen.
  • Keine Verschlechterung beim Einsatz von Einkommen und Vermögen: Die Einbeziehung aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen ins SGB VIII darf keinesfalls zu Verschlechterungen bei der Heranziehung von Einkommen und Vermögen für benötigte Eingliederungshilfeleistungen führen. Das gilt insbesondere auch für die Kostenheranziehung bei einer internatsmäßigen Unterbringung im Rahmen des Besuchs einer Blinden- und Sehbehindertenschule. Der Kostenbeitrag muss auf maximal die häusliche Ersparnis begrenzt bleiben. Im Sinne eines Nachteilsausgleichs muss der Einsatz von Einkommen und Vermögen für Teilhabeleistungen vielmehr abgebaut werden.


Verabschiedet vom Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (DBSV) in Rostock am 26. Oktober 2019