Anforderungen zur Verbesserung der Nutzbarkeit von Touchscreens für Menschen mit Sehbeeinträchtigung
Zusammengestellt im Mai 2025 vom Gemeinsamen Fachausschuss für die Belange Sehbehinderter (FBS) beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV)
Präambel
Die nachfolgenden Anforderungen beschreiben die Bedarfe von Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, die sich (noch) ausschließlich oder überwiegend visuell orientieren. Sie reichen nicht aus, um die Barrierefreiheit von Touchscreens insgesamt zu gewährleisten, so dass sie auch von blinden Menschen und Menschen mit anderen Beeinträchtigungen bedient werden können. Für entsprechende behinderungsübergreifende Anforderungen bietet die Europäische Norm zu Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und Dienstleistungen (EN 301549) eine Grundlage auch für Touchscreens.
Warum Anforderungen zur Verbesserung der Nutzbarkeit von Touchscreens für Menschen mit Sehbeeinträchtigung?
Touchscreens sind aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken – ob beim Ticketkauf, an Informations-Terminals, beim Einkaufen, in Behörden oder in der Gastronomie. In einer inklusiven Gesellschaft müssen diese auch für Menschen mit Sehbeeinträchtigung barrierefrei nutzbar sein. Dieses Anforderungspapier formuliert Kriterien für eine bessere Nutzbarkeit durch diese Personengruppe. Gleichzeitig sind Touchscreens, die diese Kriterien erfüllen, auch für Menschen mit anderen Beeinträchtigungen leichter zu benutzen.
Bei den Kriterien geht es sowohl um die Umgebungsbedingungen als auch um die Gestaltung.
1. Umgebungsbedingungen
Touchscreens im öffentlichen Raum sind oft wechselnden Umweltbedingungen ausgesetzt. Damit sehbeeinträchtigte Menschen diese ohne Hürden nutzen können, sollten folgende Kriterien erfüllt sein:
- Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung und störender Reflexionen durch geeignete Aufstellung (z. B. Überdachung, seitlicher Blendschutz)
- Sicherstellung einer ausreichenden, blendfreien Ausleuchtung in Innenräumen
- Reduzierung von Umgebungsgeräuschen zur besseren Wahrnehmbarkeit akustischer Rückmeldungen
2. Positionierung des Touchscreens
Folgende Kriterien sollte die Anordnung des Touchscreens erfüllen:
- Erreichbarkeit im Stehen und Sitzen
- Bildschirmhöhe und Neigung derart, dass Reflexionen auch durch künstliches Licht vermieden werden und Inhalte gut einsehbar sind
- Einbaupositionen so wählen, dass uneingeschränkter Sicht- und Bedienzugang möglich ist
3. Anforderungen an die visuelle Darstellung
3.1 Displayeigenschaften:
- Verwendung entspiegelter oder matter Displays zur Reduktion von Lichtreflexionen (Blendung)
- Helligkeit adaptiv steuerbar oder manuell regelbar zur Gewährleistung konstanter Lesbarkeit bei wechselnden Lichtverhältnissen
- Kompatibilität mit Polarisationsfiltern prüfen (relevant für bestimmte Sehhilfen)
3.2 Schrift und Layout:
- Verwendung responsiven Designs
- Ausreichende Größe der Schriften, Symbole und Zeichen (https://leserlich.info/schriftgroessenrechner)
- Ausreichender Zeichen- und Zeilenabstand zur besseren Differenzierung
3.3 Farbgestaltung und Kontraste:
- Ausreichende visuelle Kontraste nutzen, z. B. weiße Schrift auf dunklem Hintergrund
- Farbkodierung nicht alleinstehend verwenden – stets mit zusätzlichen Hervorhebungen (z. B. Symbole, Rahmen, Text)
- Farben für Nutzende mit Farbsinnschwäche differenzierbar gestalten (z. B. rot-grün-Kombinationen vermeiden oder visuell verstärken)
4. Interaktion und Bedienbarkeit
4.1 Interaktive Elemente:
- Intuitiver und logischer Seitenaufbau
- Bedien- und Handlungselemente ausreichend groß und kontrastreich
- Konsistente Platzierung von Bedienelementen, (z. B. „Zurück“, „Bestätigen“ stets an gleicher Stelle)
- Verwendung von Fokusrahmen, optischen Markierungen oder Vergrößerungen für aktive Bedienelemente
- Option zur Verlängerung oder Deaktivierung von Time-Out-Zeiten zur Vermeidung von Bedienabbrüchen
4.2 Rückmeldungen bei Interaktionen:
- Rückmeldungen nach dem Zweisinne-Prinzip (visuell + akustisch), z. B. Farbwechsel, Häkchen und / oder akustisches Signal, Sprachausgabe
- Optional: haptisches Feedback (z. B. Vibrationssignal)
- Kopfhöreranschluss zur akustischen Rückmeldung bei Nutzung von Screenreadern oder Vorlesefunktionen
4.3 Individualisierbarkeit:
- Möglichkeit zur Auswahl visueller Nutzerprofile (z. B. Kontrastverstärkung, Vergrößerung, Dunkelmodus)
- Einfache Aktivierung individueller Voreinstellungen, z. B. durch einen QR-Code
5. Empfehlungen für die Umsetzung
- Schulung von Entwicklern und Betreibern zu barrierefreier Gestaltung
- Verpflichtende Barrierefreiheitskriterien in Ausschreibungen und bei Beschaffung öffentlicher Geräte
- Einbindung von Betroffenen (z. B. Selbsthilfeverbände) in Planung, Usability-Tests und Evaluation im regulären Betrieb