DBSV-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutzgesetz – PDSG)

Das formulierte Gesetzesziel „die Möglichkeiten und Vorteile der elektronischen Patientenakte für alle Versicherten nutzbar zu machen“ ist mit dem vorliegenden Entwurf nicht erreichbar, weil das Gesetz behinderte Menschen faktisch ausschließt. Das stellt eine ungerechtfertigte Benachteiligung behinderter Menschen dar.

Der DBSV, Spitzenverband der rund 1,2 Mio. blinden und sehbehinderten Menschen in Deutschland, fordert daher erneut und mit Nachdruck, dass auch behinderte Menschen die elektronische Gesundheitskarte mit all ihren Anwendungen, einschließlich der elektronischen Patientenakte sowie alle an die Digitalisierung geknüpften Gesundheitsleistungen gleichberechtigt nutzen können. Dafür müssen verbindliche gesetzliche Regelungen zur Absicherung der Barrierefreiheit im SGB V geschaffen werden. Es ist dabei zu gewährleisten, dass die Telematikinfrastruktur und die zur Anwendung kommenden Komponenten und Dienste sowohl für Patienten als auch für die in Gesundheitsberufen tätigen behinderten Menschen barrierefrei ausgestaltet werden.

Die bislang im Entwurf vorgesehenen Bestimmungen zur Barrierefreiheit sind aus unserer Sicht jedenfalls unzureichend.

Im Einzelnen:

Zu Artikel 1, Nr. 22

In § 291 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ist sicherzustellen, dass die zum Einsatz kommenden Techniken zur Authentifizierung, Verschlüsselung und elektronischen Signatur auch Menschen mit Behinderungen einen Zugang ermöglichen. Das umfasst sowohl die zum Einsatz kommende Software als auch die eingesetzte Hardware, z.B. in Form barrierefrei nutzbarer Kartenlesegeräte zur Authentifizierung.

Zu Artikel 1, Nr. 29

Die in § 311 Abs. 4 Satz 1 SGB V_E getroffene Regelung „Die Gesellschaft für Telematik hat die Interessen von Patienten zu wahren und die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sowie zur Barrierefreiheit sicherzustellen.“ läuft nach aktuellem Entwurfsstand ins Leere und genügt daher nicht. Geprüft wird seitens der Gematik hiernach nur, dass die Vorschriften zur Barrierefreiheit eingehalten werden. Anders ausgedrückt: Wenn aus bereits bestehenden Gesetzen keine Verpflichtung zur Barrierefreiheit der elektronischen Gesundheitskarte und deren Anwendungen besteht, muss seitens der Gematik hinsichtlich der Barrierefreiheit nichts geprüft werden.

Damit § 311 Abs. 4 SGB V_E Wirkung entfaltet, muss klar definiert sein, welche bestehenden Vorschriften zur Barrierefreiheit einschließlich der einzuhaltenden Standards einschlägig und anzuwenden sind.

Die bislang bestehenden Regelungen dürften den Anwendungsbereich nach den §§ 323 ff. SGB V_E jedenfalls nicht vollständig einschließen.

Die Regelung zur Barrierefreiheit in § 327 SGB V_E greift ausweislich des Gesetzeswortlauts jedenfalls nicht für die Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte. Vielmehr heißt es: „Über Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte hinaus ...“.

Die §§ 12 ff. des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes (BGG) einschließlich der BITV 2.0 verpflichten nur die Gematik als öffentliche Stelle, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten. Diese Vorschriften gelten aber nicht unmittelbar für Drittanbieter, die eine Zulassung ihrer Dienste und Komponenten nach § 325 SGB V_E begehren.

Soweit das Vergaberecht zur Anwendung kommt, gilt zwar § 121 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Allerdings soll ausweislich des Gesetzesentwurfs zum PDSG gerade die Zulassung von Diensten und Komponenten nach § 325 SGB V_E nicht über das Vergaberecht gesteuert werden. Vielmehr heißt es in § 325 Abs. 2 SGB V_E: „Die Gesellschaft für Telematik lässt die Komponenten und Dienste der Telematikinfrastruktur auf Antrag der Anbieter zu, wenn die Komponenten und Dienste funktionsfähig, interoperabel und sicher sind.“ Hier fehlt im Gesetz bereits die ausdrückliche Anforderung, dass die Komponenten und Dienste auch barrierefrei nutzbar sein müssen. Zumindest wäre klarzustellen, dass zur Funktionsfähigkeit auch die barrierefreie Nutzbarkeit für Menschen mit Behinderungen rechnet.

In § 325 Abs. 3 SGB V_E wird sodann festgeschrieben, dass die Funktionsfähigkeit auf der Grundlage der von der Gematik veröffentlichten Kriterien geprüft wird. Damit bedarf es auch veröffentlichter Festlegungen, welche technischen Standards im Kontext Barrierefreiheit anzuwenden sind. Hierfür bietet sich zumindest teilweise die EN 301 549 an.

Nach alledem fordern wir die Bundesregierung auf, dass in § 291 und im elften Kapitel des SGB V gesetzlich abgesichert wird, dass die elektronische Gesundheitskarte einschließlich der für die Versicherten vorgesehenen Anwendungen barrierefrei zugänglich und nutzbar ist. Erst dann kann § 311 Abs. 4 SGB V_E auch Wirkung entfalten. Nur so wird die Digitalisierung zu einer echten Chance, um den durch eine zunehmende Anzahl chronisch kranker und behinderter Menschen entstehenden Herausforderungen bei der Patientenversorgung zu begegnen.