Abstimmung Zwölfte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung
Mit den Reformen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) sowie der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) im letzten Jahr wurden neue Handlungsspielräume für die Kommunen geschaffen, um den Fußverkehr vor Ort sicherer und attraktiver zu gestalten. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) als Spitzenverband für die Belange von blinden und sehbehinderten Menschen begrüßt diese neuen Möglichkeiten. Sie können dazu beitragen, vulnerable Verkehrsteilnehmende besser zu schützen und unsere Kommunen lebenswerter für alle zu gestalten.
Umso entscheidender ist es nun, dass die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften (VwV) die neuen Ziele und Handlungsmöglichkeiten aus StVG und StVO in vollem Umfang nachvollziehen.
Anlässlich der kommenden Bundesratssitzung am 21.03.2025 gibt es aktuell 46 Änderungsanträge der Länder zum Entwurf des BMDV, von denen viele darauf abzielen, den Kfz-Verkehr weiterhin zu priorisieren und Fortschritte für die Sicherheit von besonders schutzbedürftigen Verkehrsteilnehmenden zu verhindern. Mit den Änderungsvorschlägen würden die geplanten Handlungsspielräume der Kommunen wieder deutlich eingeschränkt und angedachte Vereinfachungen von Verfahren konterkariert.
Wir ersuchen Sie nachdrücklich, folgenden Änderungsvorschlägen nicht zu folgen:
Artikel 1.3 - §26 „Fußgängerüberwege“
3.a) „Fußgängerüberwege müssen ausreichend weit voneinander entfernt sein; das gilt nicht, wenn ausnahmsweise zwei Überwege hintereinander an einer Kreuzung oder Einmündung liegen.“
Der DBSV begrüßt die Streichung dieses Absatzes aus der aktuellen Fassung der StVO und widerspricht Länderantrag 2, der dies verhindern möchte. Fußgängerüberwege müssen dort eingerichtet werden können, wo die Sicherheit der Zufußgehenden besonderen Schutz oder Vorrang bedarf.
5.a) „Fußgängerüberwege sollten in der Regel nur angelegt werden, wenn es erforderlich ist, dem Fußgänger Vorrang zu geben, weil er sonst nicht sicher über die Straße kommt. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn es die Fahrzeugstärke zulässt und es das Fußgängeraufkommen nötig macht.“
Der DBSV begrüßt die vom BMDV vorgesehene Streichung dieses Absatzes, da er ganz klar den Kfz-Verkehr priorisiert und die Sicherheit des Fußverkehrs an der Fahrzeugstärke orientiert.
Die Anträge 2, 4 und 7 spiegeln eine ganz klare Priorisierung der Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs wider und nehmen eine Gefährdung von zu Fuß Gehenden in Kauf. Ihre Annahme würde massive Erschwernisse bei der Einrichtung von Fußgängerüberwegen in der Praxis bedeuten.
§§ 39 bis 43 „Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen“
5. „Die Leichtigkeit aller Verkehrsarten ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten. Die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer geht der Leichtigkeit des Verkehrs vor. Dabei ist die besondere Schutzbedürftigkeit der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer und der Menschen mit Behinderung besonders zu berücksichtigen. Der Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel sowie des nichtmotorisierten Verkehrs ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.“
Der DBSV begrüßt diese sehr positive Neuformulierung des BMDV im Sinne der Vision Zero – keine weiteren Verkehrstoten. Besonders schutzbedürftige Verkehrsteilnehmende, zu denen auch blinde und sehbehinderte Menschen aufgrund der erschwerten Orientierung im Verkehrsraum gehören, müssen sicher und selbstbestimmt von A nach B kommen – ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention.
Die Anträge der Länder 11 und 12 missachten diese besondere Schutzbedürftigkeit von und Fürsorgepflicht gegenüber benachteiligten Personengruppen.
Nummer 22 B - Zeichen 274 „Zulässige Höchstgeschwindigkeit“
„13 XI. B. […] „Die streckenbezogene Anordnung ist auf den unmittelbaren Bereich der Einrichtung und insgesamt auf höchstens 300 m Länge zu begrenzen. Die beiden Fahrtrichtungen müssen dabei nicht gleichbehandelt werden. Die Anordnungen können, soweit Öffnungszeiten (einschließlich Nach- und Nebennutzungen) festgelegt wurden, auf diese beschränkt werden.“
Der DBSV begrüßt den Vorschlag des BMDV, die Einrichtung von Tempo-30 nicht auf Öffnungszeiten betroffener Einrichtungen zu beschränken. Anträge 24 und 25 würden mit ihrer Forderung den aktuellen Flickenteppich und Schilderwald zwischen Tempo 50 und Tempo 30 verdichten und somit die ohnehin bereits unübersichtliche Verkehrslage noch unsicherer machen.
Nummer 26b - Zeichen 315 „Parken auf Gehwegen“
„Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt, die Gehwege und die darunterliegenden Leitungen durch die parkenden Fahrzeuge nicht beschädigt werden können und der Zugang zu Leitungen nicht beeinträchtigt werden kann sowie die Bordsteine ausreichend abgeschrägt und niedrig sind.“
Antrag 29 fordert den Einschub „Für die Beurteilung des unbehinderten Verkehrs sind die Länge der Verengung, das Verhältnis der für das Parken auf Gehwegen in Anspruch genommenen zur gesamten Gehwegfläche, die Dichte des Gehwegverkehrs und die Ausweichmöglichkeiten zu berücksichtigen. Erforderlich ist stets eine Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände.“ Dies würde die Funktion der Gehwege als Verkehrs- und Schutzraum des Fußverkehrs stark beeinträchtigen. Damit wäre es möglich, große Teile von Gehwegen legal zu Parkraum zu erklären. Das steht in einem massiven Widerspruch zur Absicht, den Fußverkehr zu schützen und zu fördern.
§ 45 StVO Absatz 1 Satz 7
Die Anträge 32 bis 38 würden dazu beitragen, den dazugewonnenen Handlungsspielraum der Kommunen wieder erheblich einzuschränken. Sie würden ihnen zusätzliche bürokratische Hürden auferlegen, statt diese zu reduzieren. Über die genannten Anträge hinweg, sieht der DBSV einen weiteren Änderungsbedarf in Artikel 1.3 - §26 „Fußgängerüberwege“:
4. „Im Zuge von Grünen Wellen, in der Nähe von Lichtzeichenanlagen oder über gekennzeichnete Bussonderfahrstreifen nach Zeichen 245 dürfen Fußgängerüberwege nicht angelegt werden.“
Die Begrifflichkeit „in der Nähe von Lichtzeichenanlagen“ sollte klarer definiert werden, da dies in der Praxis z.B. bei geschützten Kreuzungen nach niederländischem Modell zu Konflikten, insbesondere zwischen den Interessen des Rad- und Fußverkehrs führen könnte.