DBSV-Stellungnahme zum Referentenentwurf der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes

Der DBSV hat die folgende Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes eingereicht. Zentrales Anliegen: Die Pflicht zur Herstellung einer Filmfassung mit Audiodeskription ist gut, genügt allein aber nicht. Vielmehr müssen blinde und sehbehinderte Menschen tatsächlich Zugang zur Audiodeskriptionsfassung erhalten – im Kino über eine barrierefreie App, auf DVD oder im Stream direkt integriert.

 

Begrüßt wird ausdrücklich, dass die FFA die Belange von Menschen mit Behinderung bei ihrer Aufgabenwahrnehmung stärker berücksichtigen soll. Eine Hinwirkungspflicht, wie in § 2 Satz 2 FFG vorgesehen, ist allerdings eine sehr schwache Formulierung. Aus Sicht des DBSV erfordert eine inklusive Gesellschaft, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen zu beachten sind.

Im Übrigen sieht der DBSV im Entwurf eine Leerstelle, die gerade vor dem Hintergrund der Folgen der Corona-Pandemie sowohl für das Teilhaberecht behinderter Menschen, als auch wegen der knappen Ressourcen für die Filmwirtschaft unbedingt geschlossen werden muss. Konkret geht es darum, dass barrierefreie Filmfassungen, also auch mit Audiodeskription, nicht nur produziert, sondern auch zugänglich gemacht werden müssen.

Seit der Verpflichtung zur Herstellung einer Fassung mit Audiodeskription im Jahr 2013 hat sich die Anzahl an Hörfilmen deutlich erhöht. Es wird dabei ausdrücklich begrüßt, dass barrierefreie Fassungen auch im Bereich des Absatzes förderfähig sind. Das durch das FFG eingeführte Steuerungsinstrument hat also Wirkung gezeigt und zwar nicht nur in Bezug auf nach diesem Gesetz geförderte Filme, sondern auch darüber hinaus. Der stetige Zuwachs an Angeboten mit Audiodeskription bedeutet für blinde und sehbehinderte Menschen eine deutliche Verbesserung ihrer Teilhabemöglichkeiten.

Diese positiven Entwicklungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weiteren Handlungsbedarf gibt: 2019 gab es laut unseren Recherchen insgesamt 106 von der FFA und dem DFFF geförderte Filme. Davon war lediglich bei 33 Filmen die barrierefreie Fassung zum Kinostart über ein kinounabhängiges Wiedergabesystem (die App „Greta“) zugänglich. Die kinoabhängigen Systeme zur Wiedergabe der Audiodeskription haben sich nicht durchgesetzt. Recherchen des DBSV im Rahmen seines Projekts „Kino für alle“ haben ergeben, dass es deutschlandweit lediglich ca. 20 Kinos gibt, die über eine kinoabhängige Wiedergabemöglichkeit der Audiodeskription verfügen (CinemaConnect von Sennheiser). Allerdings steht die zum Abruf notwendige App "CinemaConnect" nicht mehr bereit. Ob die verfügbare App "MobileConnect" zum Abruf barrierefreier Fassungen über das CinemaConnect System im Kino geeignet ist, wird nicht klar kommuniziert und gewährleistet in keinem Falle einen barrierefreien Zugang für blinde und sehbehinderte Kinobesucher und -besucherinnen. (Darüber hinaus wird in diesen 20 Kinos nur ein Bruchteil der FFA-geförderten Filme gezeigt.) Hinzu kommt, dass ein Großteil dieser 20 Betreiber das „CinemaConnect-System“ nutzt, um fremdsprachige Fassungen wiederzugeben, anstatt es für barrierefreie Fassungen zu nutzen. Letztendlich gibt es derzeit kein verlässliches und verbreitetes System zum Abrufen der barrierefreien Fassung über das DCP im Kino.

Im Ergebnis halten wir damit die Zurverfügungstellung der Audiodeskription über eine kinogebundene technische Lösung zwar für wünschenswert. In der Praxis dürfte sich aber allein eine barrierefreie kinounabhängige Wiedergabemöglichkeit durchsetzen.

In die Förderbedingungen gemäß § 47 FFG ist daher aufzunehmen, dass der Zugang zu der barrierefreien Filmfassung über ein kostenfreies, allgemein zugängliches und barrierefreies Wiedergabesystem abzusichern ist.

Bei den weiteren, der Kinovorführung nachfolgenden Verwertungsstufen, wie u. a. DVD oder Videoabrufdienste, muss die barrierefreie Fassung direkt über das jeweilige Wiedergabesystem zugänglich sein. Gerade mit Blick auf die wegen der Kontaktbeschränkungen zunehmende Verwertung von Filmen außerhalb von Kinos sind Regelungen hierzu erforderlich.

Die barrierefreie Fassung muss dafür auf allen Endkopien vorliegen, um sicherzustellen, dass sie in der gesamten Verwertungskette für blinde und sehbehinderte Endverbraucher nutzbar wird. Es muss gelten: Zu jedem produzierten und der Verwertung zugänglich gemachten Filmpaket gehört die barrierefreie Filmfassung unabdingbar dazu.

  • 47 Abs. 1 FFG könnte etwa wie folgt neu gefasst werden:

„(1) Förderhilfen für die Herstellung und die Digitalisierung von Filmen dürfen nur gewährt werden, wenn bis zur Erstaufführung in einem Kino alle Endfassungen des Films mit einer barrierefreien Fassung hergestellt werden. Förderhilfen für Kinos und den Absatz von Filmen dürfen nur gewährt werden, wenn gewährleistet ist, dass die barrierefreien Fassungen bei allen Verwertungsformen nutzbar gemacht werden. Bei Filmvorführungen im Kino ist die barrierefreie Fassung des Films über ein barrierefreies Wiedergabesystem zugänglich zu machen.“

In § 40 FFG sollte sodann definiert werden, was ein barrierefreies Wiedergabesystem ist. Insoweit könnte etwa wie folgt formuliert werden:

„Ein barrierefreies Wiedergabesystem ist eine kinogebundene Anwendung oder eine mobile Anwendung zur Wiedergabe einer barrierefreien Filmfassung im Sinne von Abs. 8. Die verwendeten mobilen Anwendungen müssen auf einem Nutzerendgerät mit allen gängigen Betriebssystemen frei zugänglich, kostenfrei nutzbar sowie barrierefrei im Sinne von § 4 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) sein.“

Barrierefreie Filmangebote werden in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen, weil durch die allgemein höhere Lebenserwartung und die damit ständig wachsende Zahl älterer Menschen auch deutlich mehr Menschen von einer Seheinschränkung betroffen sein werden als heute. Wenn also die deutsche Filmwirtschaft ihre Angebote auch in der Zukunft einem möglichst großen Publikum anbieten möchte, dann führt gar kein Weg daran vorbei, Barrierefreiheit strukturell mitzudenken und flächendeckend umzusetzen.