Zutrittsrecht mit Blindenführhund

Zutrittsrecht mit Blindenführhund

„Hunde müssen draußen bleiben“, heißt es oft im Supermarkt, beim Arzt, im Restaurant oder Rathaus. Was viele nicht wissen: Von solchen Hundeverboten gibt es eine gesetzlich geregelte Ausnahme.

Speziell ausgebildete, geprüfte und gekennzeichnete Assistenzhunde, wozu auch Blindenführhunde gehören, dürfen gemeinsam mit ihren behinderten Haltern grundsätzlich auch in Bereiche, in denen Hunde sonst verboten sind. Der Grund: Diese Hunde sind Hilfsmittel, vergleichbar einem Hörgerät, einem Rollstuhl oder dem weißen Blindenlangstock. Blinde Menschen brauchen ihren Blindenführhund, um den Alltag eigenständig bewältigen zu können – und deshalb sind diese Tiere auch in Einrichtungen wie Lebensmittelgeschäften, Restaurants und Arztpraxen für sie unverzichtbar. Dieses Zutrittsrecht mit Assistenzhund ist in § 12e des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) geregelt

Und Bitte weitersagen! Informieren Sie Ihre Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzten und Kunden über die Zutrittsregelung für Menschen mit Assistenzhunden und verhelfen Sie so behinderten Menschen zu ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilhabe!

Wichtiges kompakt zusammengefasst

  • Assistenzhunde, wie z. B. Blindenführhunde, sind notwendige Hilfsmittel.
  • Blindenführhunde sind für ihre Aufgaben speziell ausgebildet und geprüft.
  • Blindenführhunde sind darauf trainiert, sich auch in Geschäften, Gaststätten und anderen öffentlichen Bereichen angemessen zu verhalten. Sie werden von ihren Haltern kontrolliert.
  • Behinderte Menschen dürfen ihre Assistenzhunde, wie z. B. Blindenführhunde, grundsätzlich auch dorthin mitnehmen, wo Hunde sonst verboten sind.
  • Dieses Zutrittsrecht mit Assistenzhund ist in § 12e des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) geregelt.
  • Das Zutrittsrecht gilt unter anderem für Behörden, Lebensmittelgeschäfte, Gaststätten, Gesundheits- und Kultureinrichtungen und öffentliche Transportmittel wie Busse, Bahnen und Taxis.
  • Der Zutritt mit Assistenzhund muss soweit wie möglich geduldet werden.

Faustregel: Wo sich Menschen in Straßenkleidung und ohne besondere Erlaubnis aufhalten dürfen, können behinderte Menschen ihre Assistenzhunde mitnehmen.
Soweit das Zutrittsrecht gilt, entscheiden Menschen mit Assistenzhund selbst, ob sie ein Geschäft, Restaurant, etc. mit oder ohne ihren Hund aufsuchen und ob sie sich im Geschäft, Restaurant, etc. zusätzlich zum Hund von einer Person begleiten lassen oder nicht.

  • Der Zutritt mit Assistenzhund darf nur ausnahmsweise verweigert werden: wenn die Begleitung durch einen Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würde.
  • In der Regel keine „unverhältnismäßige Belastung“ aus hygienischen Gründen ist der Zutritt mit Assistenzhund in Lebensmittelgeschäfte und Gaststätten.
  • Dass potentiell Personen anwesend sein KÖNNTEN, die starke Angst vor Hunden haben oder stark allergisch auf Hundehaare sind, rechtfertigt eine Zutrittsverweigerung nicht. Sind tatsächlich Hundephobiker*innen oder -allergiker*innen anwesend, müssen deren Interessen angemessen berücksichtigt werden.
  • In Situationen, wo Zutritt mit Assistenzhund und andere berechtigte Interessen in Konflikt stehen, müssen Lösungen gefunden werden, um den Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich zu gestatten.
  • Das generelle Verbot, einen Blindenführ- oder anderen Assistenzhund mitzunehmen, stellt in aller Regel eine unzulässige Diskriminierung im Sinne von §§ 3 Absatz 2, 19 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar. Dies gilt ungeachtet der Regelungen zum Hausrecht. Das Hausrecht darf nicht so ausgeübt werden, dass Menschen wegen ihrer Behinderung diskriminiert werden. Genau das passiert aber in der Regel, wenn der Zutritt von behinderten Menschen mit Assistenzhunden einfach verwehrt wird.
  • Ein Assistenzhund ist besonders gekennzeichnet. Blindenführhunde erkennt man zudem an einem weißen Führgeschirr.

Für alle die es genauer wissen möchten

Assistenzhunde: Hunde, die helfen

Assistenzhunde sind Hunde, die Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen im Alltag unterstützen. Zu den Assistenzhunden gehören Blindenführhunde.
Blinde und sehbehinderte Menschen können gar nicht oder nur schlecht sehen. Dadurch ist ihre Orientierung beeinträchtigt. Im Alltag gibt es Barrieren, die diese Menschen behindern. Blindenführhunde, kurz Führhunde, sehen für „ihre“ Menschen. Sie führen die Menschen im Straßenverkehr, in Gebäuden und Verkehrsmitteln. Dabei umgehen sie zum Beispiel Hindernisse und können auf Signal zu bestimmten Zielen wie Türen oder Verkaufsschaltern führen. All das hilft blinden und sehbehinderten Menschen, sich sicher und eigenständig zu orientieren und mobil zu sein.
Blindenführhunde sind für ihre Halter notwendige Hilfsmittel. Blinde und sehbehinderte Menschen brauchen ihre Führhunde um dorthin zu kommen, wo sie hin wollen. Der Führhund bringt sie zum Beispiel zum Supermarkt, zur Arztpraxis oder zum Theater. Aber die Unterstützung endet nicht an der Eingangstür. Auch drinnen hilft der Hund. So kann er beispielsweise zu Verkaufstresen führen, einer Mitarbeiterin auf dem Weg ins Behandlungszimmer nachfolgen und um Hindernisse oder durch Engstellen führen. Der Führhund ist also wichtig, damit sich blinde oder sehbehinderte Halter jederzeit sicher und selbstbestimmt bewegen und die Anforderungen des Alltags meistern können.

Mensch und Hund - ausgebildet und geprüft

Damit Assistenzhunde, und so auch Blindenführhunde, als Hilfsmittel zuverlässig eingesetzt werden können, sind sie speziell ausgebildet. Sie lernen, wie sie ihre behinderten Halter unterstützen können. Außerdem werden sie in Gehorsam und in ihrem Umwelt- und Sozialverhalten geschult. Damit behinderte Menschen ihre Assistenzhunde in ihrem gesamten Alltag als Hilfsmittel einsetzen können, müssen die Hunde ihre Aufgaben auch dort zuverlässig ausführen, wo sie eventuell abgelenkt sein könnten. Deshalb werden sie schon in der Ausbildung auch in belebten Straßen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften, Supermärkten, Restaurants und Cafés trainiert. Sie lernen, dass Lebensmittel und andere Waren für sie Tabu sind, sie diese nicht beschnüffeln, anlecken oder gar in den Mund nehmen dürfen. Sie sollen sich vielmehr ganz auf ihre Aufgaben als Assistenzhunde konzentrieren. So wird gewährleistet, dass die Hunde Lebensmitteln, aber auch anderen Menschen, aus eigener Initiative nicht zu nah kommen. Wenn ein Blindenführhund im weißen Führgeschirr ist, dann ist er im Dienst und soll auch von anderen nicht abgelenkt werden, z. B. durch Streicheln oder dem Anbieten von Futter.
Am Ende der Ausbildung müssen Halter und Hund eine Prüfung machen. Sachverständige testen eingehend, ob der Hund seine Aufgaben beherrscht und sich gut benimmt, ob der Halter ihn kontrollieren kann und wie beide als Team funktionieren. Bei Blindenführhund-Teams nennt man diese Prüfung Gespannprüfung. Nur wenn diese Prüfung bestanden wird, ist der Hund ein offiziell anerkannter Assistenzhund.

Menschen mit Assistenzhund haben ein Zutrittsrecht

Wenn speziell ausgebildete und geprüfte Assistenzhunde, also auch Blindenführhunde, ihren Haltern helfen sollen, den Alltag zu bewältigen, dann müssen behinderte Menschen diese Hunde grundsätzlich auch dorthin mitnehmen können, wo Hunde ansonsten verboten sind.
Deshalb ist der Zutritt von Menschen mit Behinderungen in Begleitung ihrer Assistenzhunde seit Juli 2021 gesetzlich geregelt: in § 12e des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG).
§ 12e Absatz 1 Satz 1 BGG lautet:
„Träger öffentlicher Gewalt sowie Eigentümer, Besitzer und Betreiber von beweglichen oder unbeweglichen Anlagen und Einrichtungen dürfen Menschen mit Behinderungen in Begleitung durch ihren Assistenzhund den Zutritt zu ihren typischerweise für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglichen Anlagen und Einrichtungen nicht wegen der Begleitung durch ihren Assistenzhund verweigern, soweit nicht der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würde.“

Für alle „Anlagen und Einrichtungen“, die „dem allgemeinen Publikumsverkehr“ offenstehen, gilt also eine Duldungspflicht, und zwar „soweit“ wie möglich. Einzige Einschränkung: Die Betreiber dürfen durch den Zutritt mit Assistenzhund nicht „unverhältnismäßig“ oder „unbillig“ belastet werden.

Wo gilt das Zutrittsrecht?

Behinderte Menschen dürfen ihre Assistenzhunde grundsätzlich in alle „dem allgemeinen Publikumsverkehr offenstehenden Anlagen und Einrichtungen“ mitnehmen. Das betrift prinzipiell alle öffentlichen Bereiche des täglichen Lebens. Der Zutritt mit Assistenzhund muss also unter anderem geduldet werden

  • in Geschäften: Supermärkte, Lebensmittelläden, Bäckereien, …
  • in Gaststätten: Restaurants, Cafés, Kantinen, …
  • in Gesundheitseinrichtungen: Arzt-Praxen, therapeutische Praxen, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, Apotheken, …
  • in Beherbergungsbetrieben: Hotels, Hostels, Jugendherbergen …
  • in Kultur- und Freizeiteinrichtungen: Theater, Museen, Kinos, Bibliotheken, Sportstätten …
  • in öffentlich zugänglichen Verkehrsmitteln: Busse, Bahnen, Taxis, Flugzeuge, Passagierschiffe
  • in öffentlichen Stellen: Behörden, Gerichte, Universitäten, …

So erkennt man einen Assistenzhund

Wenn jemand sein Zutrittsrecht wahrnehmen möchte, müssen andere erkennen können, dass es sich bei dem Hund tatsächlich um einen Assistenzhund handelt. Deshalb ist ein Assistenzhund besonders gekennzeichnet. Entweder trägt der Hund ein offizielles Abzeichen oder der Halter hat einen offiziellen Ausweis dabei. Abzeichen bzw. Ausweis belegen, dass Halter und Hund nach erfolgreicher Ausbildung und Prüfung offiziell als so genannte Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft anerkannt sind.
Achtung: Halter von Assistenzhunden entscheiden selbst, ob sie ihren Hund mit dem offiziellen Abzeichen kennzeichnen oder den offiziellen Ausweis vorzeigen wollen. Das heißt:
• Trägt der Hund das offizielle Abzeichen, darf nicht zusätzlich verlangt werden, dass Halter den offiziellen Ausweis vorzeigen.
• Zeigen Halter den offiziellen Ausweis vor, muss der Hund nicht zusätzlich mit dem offiziellen Abzeichen gekennzeichnet sein.

Führhunde sind auch an einem weißen Führgeschirr zu erkennen.

Zutritt dulden - soweit wie möglich

Der Zutritt mit einem ausgebildeten, geprüften und gekennzeichneten Assistenzhund muss soweit wie möglich geduldet werden. Das heißt: Wo das Zutrittsrecht gilt, müssen sich behinderte Menschen mit ihren Assistenzhunden überall dort aufhalten und bewegen können, wo das für andere Kunden, Nutzer oder Besucher auch geht.
Als Faustregel kann man sagen: Überall dort, wo sich Menschen in Straßenschuhen und Straßenkleidung und ohne besondere Erlaubnis aufhalten dürfen, können behinderte Menschen ihre Assistenzhunde grundsätzlich mitnehmen. (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 2 BvR 1005/18 -, Randnummer 43)

Beispiele:

  • Supermarkt: Zutritt zum Verkaufsraum, kein Zutritt z. B. zu Personalräumen oder hinter Frischetheken (beides nur für Personal erlaubt)
  • Restaurant/Café: Zutritt zu Gastraum, Toiletten für Gäste; kein Zutritt hinter Tresen, in Küche oder Personalräume (nur für Personal erlaubt)
  • Hotel: Zutritt u. a. zu Lobby, Rezeptionsbereich, Hotelzimmern, Speiseraum, Bar, etc.
  • Therapeutische Praxis (Ärzte, Zahnärzte, Physiotherapeuten, etc.): Zutritt zu Anmelde- und Wartebereichen und den meisten Behandlungs- und Therapieräumen; kein Zutritt zu sterilen Räumen, die nicht in Straßenschuhen und -kleidung betreten werden dürfen
  • Krankenhaus: wie in therapeutischen Praxen, grundsätzlich Zutritt zu Patientenzimmern; kein Zutritt z. B. zu Intensiv- und Isolierstationen (dürfen nicht in Straßenschuhen und -kleidung sowie nur nach besonderer Erlaubnis betreten werden)
  • Schwimmbad: Zutritt bis einschließlich zum Umkleidebereich; kein Zutritt zum Nassbereich inkl. Schwimmhalle (darf nicht in Straßenschuhen und -kleidung betreten werden)

Bedenken gegen Zutritt – Lösungen finden statt Zutritt verbieten

Der Zutritt mit Assistenzhund muss soweit wie möglich geduldet werden. Das ist nicht immer einfach. Zum einen ist das Zutrittsrecht mit Assistenzhund vielen nicht bekannt. Zum anderen bestehen oftmals Bedenken dagegen, Assistenzhunde in ein (Lebensmittel)geschäft, eine medizinische Einrichtung oder ein Café zu lassen. Doch auch wenn es im Einzelfall Gründe geben kann, die gegen einen Zutritt mit Assistenzhund sprechen, ein Verbot ist meist weder rechtens noch nötig. In Situationen, wo Zutritt mit Assistenzhund und andere berechtigte Interessen in Konflikt stehen, müssen nach Möglichkeit Lösungen gefunden werden, um den Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich zu gewährleisten.

Keine Lösung: Assistenzhund vor der Tür lassen

Den Assistenzhund zum Beispiel vor dem Gebäude anzubinden oder sonst unbeaufsichtigt zu lassen, ist in keinem Fall eine solche Lösung. Assistenzhunde sind auf Grund ihrer Eigenschaft als Hilfsmittel und die lange, gründliche Ausbildung sehr wertvoll. Wird der unbeaufsichtigte Hund entwendet, geht der Verlust weit über den bloßen materiellen Schaden hinaus.
Außerdem besteht für Assistenzhunde, die von einem Kostenträger bezahlt und als Hilfsmittel anerkannt wurden, eine besondere Aufsichtspflicht. Das ist etwa bei den meisten Blindenführhunden so. Sie werden von Kostenträgern, zumeist den gesetzlichen Krankenkassen, finanziert. Versicherte erhalten von ihrer Krankenkasse einen Blindenführhund nur, wenn sie in der Lage und Willens sind, die Verantwortung für ein solches Tier zu übernehmen. Dazu gehört unter anderem die Pflicht, den Hund jederzeit zu beaufsichtigen. Sollte die Aufsichtspflicht verletzt werden, ist eine Wiederversorgung der Versicherten mit einem neuen Blindenführhund ausgeschlossen.

Pauschale Bedenken reichen nicht aus

Oft werden allgemeine Bedenken oder pauschale Begründungen angeführt, weswegen der Zutritt mit Assistenzhund in ein Geschäft, eine medizinische Einrichtung, ein Taxi, Restaurant etc. nicht möglich sein soll. Häufig genannt werden unter anderem

  • ein generelles Hundeverbot, gestützt auf das Hausrecht,
  • Bedenken hinsichtlich der (Lebensmittel)hygiene,
  • (mögliche) gesundheitliche Probleme wie Ängste oder Allergien von Mitarbeitern oder Kunden.

Pauschale „Argumente“ dieser Art sind nicht geeignet, den Zutritt mit Assistenzhund zu verbieten. Ein generelles Hundeverbot gilt gerade nicht für Assistenzhunde. Risiken, die mit dem Zutritt von Hunden verbunden sein können und gegebenenfalls ein allgemeines Hundeverbot rechtfertigen, können im Falle von Assistenzhunden in der Regel vernachlässigt oder durch geeignete Maßnahmen jedenfalls verringert werden.
Betreiber oder Inhaber von Geschäften, Praxen und anderen Einrichtungen können grundsätzlich festlegen, ob sich Hunde dort aufhalten dürfen oder nicht. Diese Befugnis ergibt sich aus ihrem Hausrecht. Haben sie den Zutritt von Hunden ausgeschlossen und das kenntlich gemacht (z. B. durch ein Schild), können sie oder ihre Mitarbeiter Menschen der Räumlichkeiten verweisen, wenn diese einen Hund dabei haben.
Der Zutritt von behinderten Menschen mit ihren Assistenzhunden darf dagegen nicht so ohne Weiteres verboten werden. Er ist nach § 12e Absatz 1 BGG vielmehr grundsätzlich zu dulden, damit behinderte Menschen ihre Hunde als Hilfsmittel einsetzen können.

Hygiene

Vor allem für medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser, Arzt- oder Physiotherapiepraxen wird oft angeführt, ein Zutritt mit Assistenzhund sei aus hygienischen Gründen generell ausgeschlossen. Das trifft so pauschal nicht zu.
Tatsächlich gibt es im Einzelfall Gründe, die die Begleitung durch Assistenzhunde in medizinische Einrichtungen ausschließen können. Nach der Gesetzesbegründung zu § 12e Absatz 1 BGG kommt dies in Betracht, wenn durch den Zutritt des Assistenzhundes „Infektions- und Gesundheitsgefahren für andere, teilweise gesundheitlich vorbelastete Menschen entstehen“. (Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67)
Zu bedenken ist in jedem Fall:
Grundsätzlich ist es theoretisch möglich, dass Hunde Krankheitserreger auf Menschen übertragen. Bei haushaltsüblicher Hygiene ist das aber sehr unwahrscheinlich. (vgl. Präzisierungen der KRINKO zur Krankenhaushygiene: Empfehlungen der KRINKO 2000, 2010; zit. nach Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67) Anerkannte Assistenzhunde werden in der Regel gut gepflegt, regelmäßig tierärztlich untersucht, geimpft und prophylaktisch gegen Parasitenbefall behandelt.
Die Mitnahme von Hunden in Krankenhäuser und vergleichbare Einrichtungen ist also nicht prinzipiell auszuschließen. (vgl. auch Mitteilung des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene Hyg Med 2017, 42-10; zit. nach Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67)
In der Gesetzesbegründung zu § 12e Absatz 1 BGG wird entsprechend weiter ausgeführt:
„Bereiche, die Menschen in Straßenkleidung offenstehen, wie Arztpraxen, Therapieräume, offene Pflege-und Krankenstationen, Ambulanzen und Cafeteria, können daher auch Menschen mit Assistenzhunden grundsätzlich betreten.“ (Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67)

Aus dem vorher Gesagten folgt:
Vom Zutritt ausgeschlossen sind offensichtlich ungepflegte oder ungesunde Assistenzhunde (Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67)
Ausgeschlossen ist der Zutritt mit Assistenzhund zu Risikobereichen wie Intensiv- oder Isolierstationen. (Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67)

Lebensmittelhygiene

Hygienische Bedenken werden oft auch vorgebracht, wenn es um den Zutritt mit Assistenzhund zu Lebensmittelgeschäften und Gaststätten geht. Aber auch hier dürfte in der Regel keine „unverhältnismäßige Belastung“ aus hygienischen Gründen vorliegen. Lebensmittelunternehmer müssen zwar nach Anhang II, Kapitel IX Nummer 4 der Verordnung (EG) 852/2004 durch geeignete Vorkehrungen vermeiden, dass Haustiere Zugang zu Räumen haben, in denen Lebensmittel zubereitet, behandelt oder gelagert werden. Die Regelung sieht aber vor, dass die zuständige Behörde in Sonderfällen den Zugang gestatten kann. In diesen Fällen muss nur sichergestellt werden, dass Lebensmittel durch den Zugang mit Assistenzhund nicht verunreinigt werden. (vgl. Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67)
Genau eine solche Ausnahme gilt für Menschen mit Behinderungen bei der Mitnahme von Assistenzhunden. Assistenzhunde sind gut gepflegt, geimpft und tierärztlich untersucht. Sie haben in ihrer Ausbildung gelernt, sich in Geschäften, Restaurants etc. zu benehmen. Zusätzlich achten ihre Halter darauf, dass die Hunde nicht schnüffeln, lecken oder fressen.

Gesundheitliche Probleme

Gesundheitliche Probleme von Menschen, etwa Allergien gegen Hundehaare oder Ängste vor Hunden, können gegen einen Zutritt mit Assistenzhund sprechen. Aber auch hierbei muss differenziert werden.
Dass in einem Geschäft, einem Restaurant, einer Arztpraxis oder in einem Bus MÖGLICHERWEISE Personen anwesend sein KÖNNTEN, die starke Angst vor Hunden haben oder stark allergisch auf Hundehaare reagieren, rechtfertigt eine Zutrittsverweigerung nicht.
Aber auch wenn tatsächlich Menschen mit schwerer Allergie gegen Hundehaare bzw. mit starker Angst vor Hunden anwesend sind, ist es in der Regel nicht gerechtfertigt, einem behinderten Menschen deshalb den Zutritt mit Assistenzhund generell zu verbieten. Vielmehr müssen Lösungen gefunden werden, die allen berechtigten Interessen möglichst gerecht werden.
Denkbar wäre zum Beispiel, den Menschen mit Assistenzhund und die Menschen mit Allergien oder Ängsten im Zusammenhang mit Hunden zeitlich und/oder räumlich voneinander zu trennen (vgl. Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67). In medizinischen Einrichtungen könnte Menschen mit Assistenzhunden soweit möglich Termine in Randzeiten (kurz nach Öffnung oder kurz vor Schließung) angeboten werden, um die mögliche Belastung anderer Patienten durch Hundehaare so gering wie möglich zu halten.

Organisatorischer Aufwand

Behinderten Menschen den weitgehenden Zutritt mit Assistenzhunden zu ermöglichen, kann – je nach Situation – mit einem gewissen organisatorischen Aufwand verbunden sein. So kann in manchen Transportmitteln (z. B. Bussen, Taxen oder Flugzeugen) und Veranstaltungseinrichtungen (z. B. Konzerthäusern, Theatern) wegen bestehender Vorschriften ein Hund nicht an jedem beliebigen Ort, etwa vor, unter oder neben jedem Sitzplatz, untergebracht werden. (vgl. Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67) Entsprechend geeignete Plätze müssten bestenfalls, im Sinne der Barrierefreiheit, in ausreichender Menge bereitgehalten werden. Um, bis diese Anforderung flächendeckend durchgesetzt ist, den organisatorischen Aufwand möglichst gering zu halten, könnte für Reisen in diesen Transportmitteln bzw. Besuche in diesen Veranstaltungseinrichtungen verlangt werden, dass Menschen ihre Assistenzhunde möglichst rechtzeitig vorher dafür anmelden (vgl. Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67).
Eine rechtzeitige Anmeldung des Assistenzhundes und die Zuweisung bestimmter Sitzplätze kann auch dazu beitragen, gesundheitliche Probleme von Menschen etwa bei schwerer Hundehaarallergie oder Hundephobien zu vermeiden, indem sie nicht unmittelbar neben einem Assistenzhund sitzen, z. B. bei festen Sitzplätzen im Flugzeug. (vgl. Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67)

Grenze des Zutrittsrechts: „unverhältnismäßige oder unbillige Belastung“
Inhaber und Mitarbeiter von Geschäften, Gesundheitseinrichtungen etc. müssen es grundsätzlich und sehr weitgehend dulden, dass sich ein behinderter Mensch von einem Assistenzhund begleiten lässt. Sie dürfen durch den Zutritt mit Assistenzhund aber nicht „unverhältnismäßig oder unbillig“ belastet werden, so steht es in § 12e Absatz 1 BGG. Denn dann ist die Grenze des Zutrittsrechts erreicht.

Unverhältnismäßige Belastung

Eine unverhältnismäßige Belastung liegt nur dann vor, wenn Gründe gegen den Zutritt mit Assistenzhund ausnahmsweise so schwer wiegen, dass er nicht zumutbar ist. Das heißt:
Das Interesse eines behinderten Menschen, mit Assistenzhund Zutritt zu bekommen, ist erst einmal sehr wichtig. Denn er braucht seinen Hund als Hilfsmittel. Deshalb gibt es ja ein Gesetz, das den Anspruch auf Zutritt mit Assistenzhund regelt.
Dagegen können nur wirklich bedeutende Gründe geltend gemacht werden. Nicht jedes Argument oder bloßes Bedenken zählt dazu.
Gibt es tatsächlich beachtliche Gründe gegen einen Zutritt mit Assistenzhund, müssen die Interessen abgewogen werden: das Interesse des Menschen am Zutritt mit seinem Assistenzhund einerseits und die berechtigten Belange anderer, die dagegensprechen.
Ziel dieser Abwägung ist in der Regel kein Entweder- Oder: Entweder der Mensch bekommt mit seinem Assistenzhund Zutritt oder der Zutritt wird ihm verweigert.
Ergebnis sollte bestenfalls ein Sowohl-als-auch sein: Sowohl der Mensch mit Assistenzhund als auch andere kommen zu ihrem Recht. Der Mensch mit Assistenzhund erhält soweit wie möglich Zutritt, und die Interessen anderer werden dabei angemessen berücksichtigt.
Den Zutritt mit Assistenzhund überhaupt nicht zu erlauben, kann nur das letzte Mittel im Ausnahmefall sein. Nur wenn beim Zutritt mit Assistenzhund nicht verhindert werden kann, dass wichtige Interessen dadurch über Gebühr beeinträchtigt werden, ist er eine unverhältnismäßige Belastung und muss nicht geduldet werden.

Checkliste unverhältnismäßige Belastung durch Zutritt mit Assistenzhund

  • Gibt es einen oder mehrere Gründe, die in der konkreten Situation gegen einen Zutritt mit Assistenzhund sprechen? (bloße Bedenken oder Unwillen, den Zutritt mit Hund zuzulassen, zählen nicht)
    Falls nein: Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich gewährleisten
    Falls ja: Weiterfragen
  • Kann im konkreten Fall eine Lösung gefunden werden, den Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich zu gewährleisten und dabei die berechtigten Interessen anderer zu berücksichtigen?
    Falls ja: Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich gewährleisten
    Falls nein: weiter fragen
  • Würden durch den Zutritt mit Assistenzhund wichtige Interessen anderer über Gebühr beeinträchtigt?
    Falls nein: Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich gewährleisten
    Falls ja: Zutritt mit Assistenzhund könnte als unverhältnismäßige Belastung verweigert werden

Unbillige Belastung

Für die, die den Zutritt mit Assistenzhund grundsätzlich dulden müssen, kann das finanzielle Auswirkungen haben. Es kann sein, dass Kosten entstehen.
Beispiel: Ein Hotelzimmer, das ein Mensch mit Assistenzhund genutzt hat, könnte aufwändiger zu reinigen sein (Hundehaare), was die Reinigung unter Umständen teurer macht.
Denkbar ist auch, dass bei Zutritt mit Assistenzhund Einnahmen entgehen.
Beispiel: Menschen betreten ein Restaurant, empfinden es aber als störend, dass ein Hund anwesend ist und verlassen die Gaststätte, ohne etwas verzehrt zu haben.
Aber nicht jede finanzielle Belastung ist unbillig. Je geringer der Aufwand und Kosten bzw. die entgangenen Einnahmen sind, desto eher ist es zumutbar, dass sie von dem getragen werden, der den Zutritt mit Assistenzhund dulden muss.
Ausnahmsweise können Aufwand, Mehrkosten bzw. Einnahmeausfälle so erheblich sein, dass sie über das zumutbare Maß hinausgehen. Wann und inwieweit die Belastung unzumutbar und damit unbillig ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Unter anderem sind die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Auswirkungen entscheidend.
Beispiel: Bei der Reinigung eines Hotelzimmers kann es einen Unterschied machen, ob es sich um ein Hotel mit hohem Umsatz und mehreren Angestellten handelt oder um eine Pension mit wenigen Zimmern, in der die Inhaber sämtliche Aufgaben selbst übernehmen muss.

Checkliste unbillige Belastung durch Zutritt mit Assistenzhund

  • Würden durch den Zutritt mit Assistenzhund Kosten entstehen oder Einnahmen ausfallen?
    Falls nein: Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich gewährleisten
    Falls ja: weiter fragen
  • Wie hoch wären die Kosten bzw. Einnahmeausfälle tatsächlich (keine Pauschalen)
  • Inwieweit kann demjenigen, der den Zutritt mit Assistenzhund dulden muss, zugemutet werden, diese Mehrkosten bzw. Einnahmeausfälle selbst zu tragen? (persönliche und wirtschaftliche Lage berücksichtigen)
  • Gibt es einen Anteil der Mehrkosten bzw. Einnahmeausfälle, den zu tragen demjenigen nicht zugemutet werden kann, der den Zutritt mit Assistenzhund dulden muss?
    Falls nein: Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich gewährleisten
    Falls ja: weiter fragen
  • Ist der Halter des Assistenzhundes bereit und in der Lage, diesen Anteil zu übernehmen?
    Falls ja: Zutritt mit Assistenzhund so weit wie möglich gewährleisten
    Falls nein: Zutritt mit Assistenzhund könnte als unbillige Belastung verweigert werden

Beweislast

Wer grundsätzlich zur Duldung des Zutritts mit Assistenzhund verpflichtet ist, muss beweisen, dass der Zutritt mit Assistenzhund im konkreten Einzelfall für ihn eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellt.

Der Mensch mit Assistenzhund entscheidet

Soweit das Zutrittsrecht gilt, entscheiden behinderte Menschen selbstbestimmt. Sie wählen selbst, ob sie ein Geschäft, Restaurant, eine Praxis etc. mit oder ohne ihren Assistenzhund aufsuchen. Das Argument, die Person sei doch früher auch ohne Hund gekommen und müsse ihn deshalb nicht mitnehmen, zählt nicht.
Auch steht es behinderten Menschen frei, sich in Geschäft, Restaurant, Praxis etc. zusätzlich zum Assistenzhund von einer Person begleiten zu lassen. Das Argument, die Person habe doch eine Begleitung dabei und brauche deshalb den Hund nicht, greift nicht.

Zutrittsverweigerung – meist eine unzulässige Diskriminierung

Das generelle Verbot, einen Blindenführ- oder anderen Assistenzhund mitzunehmen, wird in aller Regel eine unzulässige Diskriminierung im Sinne von §§ 3 Absatz 2, 19 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) darstellen. Das gilt ungeachtet der Regelungen zum Hausrecht.
Das Hausrecht ermöglicht zwar prinzipiell, den Zugang von Hunden zu Einrichtungen oder bestimmten Bereichen zu verbieten. Es darf aber nicht so ausgeübt werden, dass dadurch Menschen wegen ihrer Behinderung diskriminiert werden. Genau das ist aber in der Regel der Fall, wenn der Zutritt von behinderten Menschen mit Assistenzhunden einfach verwehrt wird. Denn sie benötigen die Tiere als Hilfsmittel, also gerade wegen ihrer Behinderung. Ihr Zutritt ist in der Regel zu dulden.
Nur wenn ausnahmsweise der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würde, ist eine Zutrittsverweigerung gestützt auf das Hausrecht zulässig.

Wenn der Zutritt verwehrt wurde

Der Zutritt mit Assistenzhund, also auch mit Blindenführhund, ist in der Regel zulässig und möglich. Trotzdem kommt es leider immer noch häufig vor, dass der Zutritt mit Assistenzhund untersagt wird. Gerade weil Mitarbeiter einer Praxis, eines Geschäfts oder einer Behörde nur geschult wurden, dass der Zutritt von Hunden immer verboten ist, und die Ausnahme für Assistenzhunde nicht kennen.
Wird der Zutritt mit Assistenzhund verboten, haben die betroffenen behinderten Menschen Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Beispiele:

  • Sie können das Gespräch mit einer vorgesetzten Person suchen und sie über die Rechtslage informieren.
  • Wer der Ansicht ist, in seinem Recht aus § 12e BGG verletzt worden zu sein, kann ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle nach § 16 BGG beantragen.
  • Die Zutrittsverweigerung kann bei Unternehmenszentralen, der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde (z. B. Gewerbeaufsichts-, Verkehrs- oder Ordnungsbehörde) oder berufsständischen Vereinigung (z. B. Ärzte- oder Handwerkskammer) gemeldet werden.
  • Da ein Zutrittsverbot für Assistenzhunde in der Regel eine unzulässige Diskriminierung wegen der Behinderung darstellt, kann gegebenenfalls Klage wegen Verstoß gegen das AGG oder das Benachteiligungsverbot nach dem Bundes- oder den Landesbehindertengleichstellungsgesetzen erhoben werden. Behinderte Menschen können insoweit auch die Unterstützung eines anerkannten Verbandes in Anspruch nehmen.