100 Jahre Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund

„Erfolge machen Mut und spornen an", sagte Judith Faltl, Landesvorsitzende des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB) heute auf einer Pressekonferenz, die anlässlich des 100-jährigen Geburtstags des Vereins live auf YouTube übertragen wurde. Gemeinsam mit Dr. Stefan Insam, Stellvertretender Landesvorsitzender, und Steffen Erzgraber, Landesgeschäftsführer Verbands- und Sozialpolitik, stellte sie dar, wie sich das Leben von blinden und sehbehinderten Menschen in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat, welche Wünsche blinde Menschen an Politik und Gesellschaft haben und wie sie aktuell mit der Coronakrise umgehen. Lesen Sie mehr dazu in einer Pressemitteilung des BBSB:

100 Jahre BBSB – Die Zukunft im Blick

Von der Korbmacherei bis zur Digitalisierung – blinde und sehbehinderte Menschen gestalten Zukunft

Vor 100 Jahren traute kaum jemand blinden und sehbehinderten Menschen ein eigenständiges Leben zu. Das spiegelte sich häufig in Bevormundung und Ausgrenzung wider. Heute gestalten blinde und sehbehinderte Menschen mit: Sie arbeiten u.a. in der Medizin, Justiz, in der Informatik, als Angestellte in Behörden, begeistern mit ihrer Musik das Publikum oder haben Familie. Wie haben blinde und sehbehinderte Menschen es geschafft, Teil der Gesellschaft zu werden, welche Schwierigkeiten mussten sie überwinden? Was bleibt zu tun? Darüber berichtete der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. auf seiner Pressekonferenz anlässlich des 100-jährigen Geburtstags am 22.7.2020.


Forderungen des BBSB e.V. an Politik und Gesellschaft für Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit
Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. fordert:

  • die Schaffung eines inklusiven Bildungssystems
  • die uneingeschränkte Teilhabe am Arbeitsleben und Digitalisierung der Arbeitswelt
  • bauliche Barrierefreiheit

Schaffung eines inklusiven Bildungssystems
Bayern hat sich in diesem Jahrtausend für ein Wahlrecht zwischen Förderschule und inklusiver Beschulung am Heimatort entschieden. Damit dieser anspruchsvolle Wunsch immer mehr zur Wahrheit wird, brauchen wir ausreichend sonderpädagogische Unterstützung und soweit nötig Schulbegleiter und noch mehr barrierefreie Schulbücher. Wir fordern, dass zukünftig nur noch barrierefrei verfügbare Schulbücher zugelassen werden. „Als ich Kind war, bedeutete Betreuung, dass man beispielsweise meinen Eltern sagte: ‚Geben sie ihr Kind in eine Blindenschule. Die dort wissen, was gut für ihr Kind ist. Schule am Heimatort, wie heute üblich, war kein Thema‘, sagt Judith Faltl, Landesvorsitzende des BBSB.

Uneingeschränkte Teilhabe am Arbeitsleben und Digitalisierung der Arbeitswelt
Unsere Selbsthilfeorganisation hat von Anfang an für die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben gestritten. Sehbehinderte und blinde Menschen müssen oft Soft- und Hardware nutzen, die nicht speziell für sie gemacht ist. Dabei werden zu häufig die Standards für Barrierefreiheit nicht eingehalten. Steffen Erzgraber, Landesgeschäftsführer Verbands- und Sozialpolitik des BBSB fordert deshalb, „dass die öffentliche Hand in ihrem Zuständigkeitsbereich ausschließlich barrierefreie Software anschafft und einsetzt. Diese muss nach Normen nachprüfbar barrierefrei sein. Und auch private müssen ermutigt werden, auf die Belange blinder und sehbehinderter Mitarbeitender zu achten.“

Barrierefreiheit: behinderungsübergreifend, unabhängig und systematisch
Barrierefreiheit bietet blinden und sehbehinderten Menschen die Möglichkeit der Teilhabe, hat aber auch einen Sicherheitsaspekt, besonders im ÖPNV. Hier habe der BBSB in Zusammenarbeit mit anderen Behindertenverbänden einen Paradigmenwechsel erreicht, so Dr. Stefan Insam, stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Man konnte beispielsweise die Münchner Verkehrsgesellschaft und die Deutsche Bahn überzeugen, technische Maßnahmen, wie Bahnsteigtüren und die Erneuerung des Leitsystems anzugehen. Das diene der Sicherheit aller Fahrgäste, nicht nur der blinden und sehbehinderten, so Dr. Insam.

Der BBSB berät außerdem Bauherren und Planer und sensibilisiert für die Belange sehbehinderter und blinder Menschen bei baulicher Barrierefreiheit. Es gibt bereits zahlreiche Aktivitäten seitens der Regierung zur Schaffung von Barrierefreiheit, allerdings wird dieses Thema nicht einheitlich umgesetzt, oft sogar nach selbst gemachten Standards. Das muss sich ändern. Der Verein fordert deshalb die Schaffung einer Landesfachstelle Barrierefreiheit, in der das Thema behinderungsübergreifend, unabhängig und systematisch angegangen wird. Eine solche Stelle müsse Impulse setzen und von denen, die es betrifft, selbst getragen sein, nämlich von den Menschen mit Behinderung in Bayern: „Nichts über uns ohne uns“, fordert Erzgraber.


Den Stream finden Sie auf YouTube unter: www.youtube.com/watch?v=RirNdPWzhbA

Die digitale Pressemappe finden Sie unter: https://bbsb.org/100-jahre-bbsb/

Blinde und sehbehinderte Menschen in Bayern von 1920 – heute
Der Kampf gegen Bevormundung und Ausgrenzung währt länger als 100 Jahre, doch mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (damals noch Bayerischer Blindenbund e.V.) erhielten die blinden Menschen erstmals eine starke, geeinte Stimme für ihre Rechte um ein menschenwürdiges Leben. Schon bald nach der Gründung am 22.7.1920 konnte der Verein Erfolge um die wirtschaftliche Selbstständigkeit blinder Menschen verzeichnen. In den Berufsfachgruppen schlossen sich Frauen und Männer gleicher Berufsgruppe, also beispielsweise Handwerker und Musiker zusammen, um voneinander zu lernen und den Einkauf, die Produktion und den Absatz ihrer Waren und Dienstleistungen gemeinsam zu organisieren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich der Verein auf die Schaffung von Wohnraum und Arbeitsmöglichkeiten. In den 60er und 70er Jahren rückten die Themen Bildung und Mobilität in den Vordergrund der Aktivitäten. Ab den 80er Jahren engagierte sich der Verein für bauliche Barrierefreiheit, in den 2020ern fokussierte er die digitale Barrierefreiheit.

Vorangetrieben wurden die Erfolge durch starkes politisches Engagement und ein Gespür für zukunftsweisende Themen.