Akustische Wahrnehmbarkeit von geräuscharmen Kraftfahrzeugen durch optimiertes „Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS) 2.0“ stärken und Verkehrssicherheit erhöhen

Die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit aller Verkehrsteilnehmenden sind bei der Nutzung von geräuscharmen Fahrzeugen durchgängig in gleichem Maß zu gewährleisten wie der Schutz der Umwelt. Deshalb weist der Gemeinsame Fachausschuss für Umwelt und Verkehr (GFUV) darauf hin, dass gerade bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten bis 30 km/h eine akustische Wahrnehmbarkeit durch das Warnsystem AVAS stets in ausreichendem Maß gewährleistet sein muss – erst recht noch in der Übergangszeit zu reinen geräuschreduzierten Fahrzeuganteilen. Hierzu sind Optimierungen der bereits ergriffenen Maßnahmen und Regelungen so vorzunehmen, dass ein innovatives „AVAS 2.0“ geschaffen wird.

Der Wandel hin zu einer Emissionsreduzierung im Sinne einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik geht auch am Bereich der Mobilität nicht spurlos vorüber. Kraftfahrzeuge mit abgas- und geräuscharmen Antriebsarten etwa auf Basis von Elektromotoren verzeichnen einen ständig steigenden Anteil bei Neuzulassungen und beginnen die herkömmlichen Verbrennungstechnologien im Straßenbild zu verdrängen. Durch geringere Schallpegel von alternativen Antriebs- und Abgaseinheiten verändert sich damit einhergehend Schritt für Schritt das Geräuschemissionsniveau. Im Geräuschgesamtbild gehen jedoch die leisen Fahrzeuge im sonstigen Geräuschwirrwarr regelrecht unter. Die Gefahr und das Risiko von Unfällen steigen damit zwangsläufig an.

Betroffen sind all die Personen, die neben dem visuellen Sinn ihre Fortbewegung stärker in teilweiser oder gänzlicher Form auf eine akustische Wahrnehmung ausrichten wollen oder müssen – also von lediglich vorübergehend „abgelenkten“ bzw. unaufmerksamen Personen mit Standardsehvermögen über Kinder/ältere Personen bis hin zu Menschen mit Behinderung. Diesen erhöhten Risiken sind blinde und sehbehinderte Personen am stärksten ausgesetzt, da deren Verkehrssituationseinschätzung im Wesentlichen auf ihrer akustischen Wahrnehmung beruht.

Das rechtzeitige Erkennen von sich nähernden leisen Fahrzeugen ist dann stark eingeschränkt, wenn diese nicht selbst zusätzlich gut hörbare Warnsignale abstrahlen. Aktuell ist das jetzige AVAS ein künstlich erzeugtes, vom Fahrzeug selbst ausgehendes akustisches Signal, angelehnt an das Geräuschniveau von Verbrennerfahrzeugen bei Geschwindigkeiten bis 20 km/h. Seine Lautstärke soll neben der Warnfunktion jedoch gleichzeitig keine unangemessene akustische Belästigung durch zu hohe Schallpegel darstellen.

Gemeinsam mit der World Blind Union (WBU) und der European Blind Union (EBU) ist es der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe wie dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) gelungen, in über 12 Jahre dauernden Verhandlungen und als Ergebnis von Forschungsvorhaben unter Beteiligung von Verkehrsministerien, der weltweiten Automobilindustrie und der Zivilgesellschaft einen Konsens zu erarbeiten. Dieser hielt in Gesetzgebungs- und Genehmigungsverfahren in Form von „AVAS“ Einzug. Die in der EU-Verordnung 540/2014 und in der UN ECE 138/138.1 festgelegten Druckschallpegel und Frequenz- und Bandbreiten eines AVAS sind daraus entstandene Kompromisse, die unter der Prämisse der Hörbarkeit, Erkennbarkeit und nicht unverhältnismäßigen Lärmbeeinträchtigung Dritter erarbeitet wurden. Ferner ist damit manifestiert, dass die inklusive Teilhabe am öffentlichen Leben und die selbstständige Mobilität aller Menschen als ein unantastbares Menschenrecht von allen Verhandlungsparteien anerkannt werden.

Absolute Priorität hat nun die konsequente Umsetzung aller bereits gültigen Regelungen. Relevante weiterführende Erkenntnisse können nur aufgrund eines gleichbleibenden Mindestregelungsstandards ermittelt werden. Nur in der aktuellen Phase, in der sich die Anteile von Fahrzeugen mit vorwiegend hohen Geräuschpegeln in künftig überwiegend geräuscharme Fahrzeuge umkehren, müssen mittels Forschungsvorhaben, Untersuchungen oder Studien aus allen Blickrichtungen Erkenntnisse gesammelt und ausgewertet werden. Sollten dabei sicherheits- oder gesundheitsrelevante Ergebnisse zu Tage treten, ist unverzüglich eine Anpassung der bestehenden AVAS-Regelungen vorzunehmen.

Aktueller Handlungsbedarf ergibt sich aus der Perspektive blinder und sehbehinderter Menschen hinsichtlich der heutigen Übergangssituation, vorrangig in städtischer Umgebung. Dafür erweisen sich die gefundenen Kompromisslösungen, die in den gesetzlichen Bestimmungen Niederschlag gefunden haben, im Hinblick auf das Erkennen von Fahrzeugen sowie die Einschätzung ihrer Geschwindigkeit und Bewegungsverhalten – insbesondere unter 30 km/h – als eindeutig zu leise. Die akustische Wahrnehmbarkeit muss dergestalt gewährleistet sein, dass eine zuverlässige auditive Erkennbarkeit des Fahrzeugs und seiner Bewegungsgeschwindigkeit einschließlich seines Beschleunigungs- und Verlangsamungsverhaltens sichergestellt ist. Lösungen, die das AVAS-Grundgeräusch ausschließlich über externe Geräte wie Smartphones wiedergeben, sind mangels Ortbarkeit der Position des dazugehörigen Fahrzeugs völlig ungeeignet und auszuschließen.

Ein verbessertes „AVAS 2.0“ muss insbesondere weiterhin stets vom Fahrzeug ausgehen und künftig in jeder Situation seinen Signalschallpegel automatisch an unterschiedliche Umgebungsgeräuschniveaus bedarfsgerecht anpassen, ohne unterhalb einer Geschwindigkeit von mindestens 30 km/h abgeschaltet werden zu können. Je einheitlicher das von allen Fahrzeugen emittierte AVAS 2.0-Signal herstellerübergreifend ausgestaltet ist, desto signifikanter ist seine Erkenn- und Wahrnehmbarkeit als Warnhinweis. Hieraus resultiert aufgrund des geringeren Gefährdungspotentials wiederum eine erhebliche Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr für alle!

Auch wenn für die Zukunft davon auszugehen ist, dass unsere Städte „leiser“ werden, muss ebenfalls angenommen werden, dass ein Grundgeräusch von (Kraft-)Fahrzeugen für die sichere Mobilität nicht nur für blinde und sehbehinderte Menschen unverzichtbar ist und bleiben wird. Gleiches ist anzunehmen in Bezug auf Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung, Kinder, Fahrradfahrende mangels akustischer Wahrnehmbarkeit der sich von hinten annähernden Kraftfahrzeuge, ältere und unaufmerksame Verkehrsteilnehmende etwa wegen Smartphone-Nutzung.