Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen
GFUV-Position zur notwendigen Überarbeitung der Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001) und einer entsprechenden Anpassung der Straßenverkehrsordnung (StVO)
Autoren: Werner Gläser, Jana Mattert, Eberhard Tölke
Arbeitsstand: 16.05.2022
Die derzeit gültigen R-FGÜ datieren aus dem Jahr 2001. Sie sind ein Richtlinienfossil, entstanden vor dem Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes und der UN–Behindertenrechtskonvention. Normen zur Umsetzung von Barrierefreiheit existierten zwar bereits, fanden aber keine entsprechende Berücksichtigung. Stattdessen wurde die R-FGÜ vielfach mit dem Ziel zitiert, die Flüssigkeit des (Auto-)Verkehrs zu gewährleisten.
Vor diesen Hintergründen ist es zwingend notwendig die R-FGÜ zu überarbeiten und dem heutigen Stand der Technik anzupassen. Der GFUV begrüßt daher, dass die Adhoc-Arbeitsgruppe Fußverkehrspolitik der Verkehrsministerkonferenz in ihrem Bericht „Vorschläge zur Novellierung des Rechtsrahmens zur Erhöhung der Sicherheit und Attraktivität des Fußverkehrs“ vom 3. März 2021 auch eine grundlegende Überarbeitung der R-FGÜ anmahnt.
Blinde und sehbehinderte Personen sind bei der Querung von Fahrbahnen in erhöhtem Maße gefährdet und deshalb stark verunsichert. Die eigene visuelle Absicherung ist nicht möglich. Konnte man sich bei Veröffentlichung der derzeitigen R-FGÜ vor zwei Jahrzehnten noch akustisch an Motoren- und Fahrgeräuschen orientieren, so ist das heute durch schnelle und geräuscharme Fahrzeuge wie E-Autos, E-Bikes und E-Scooter viel zu gefährlich.
Um die R-FGÜ auf einen aktuellen Stand zu bringen und die Bedarfe von blinden und sehbehinderten Menschen angemessen zu berücksichtigen, sollten die Vorschläge im Bericht der Arbeitsgruppe Fußverkehrspolitik in den folgenden Punkten deutlicher gefasst bzw. geändert werden:
- Es ist nicht erkennbar, welche Maßnahmen künftig zu einer stark vereinfachten Ausstattung der Fußgängerüberwege führen sollen. Wenn an dieser Stelle Änderungen an der R-FGÜ vorgenommen werden sollen, müssen die Formulierungen konkretisiert werden. Es muss gewährleistet werden, dass eine vereinfachte Ausstattung von Fußgängerüberwegen nach R-FGÜ zu keiner Einschränkung der Sicherheit für schwächere Personengruppen führen darf.
- Es wird begrüßt, wenn Fußgängerüberwege auch in Tempo-30-Zonen eingerichtet werden können.
Folgende Anforderungen sollten bei einer Änderung der R-FGÜ zudem berücksichtigt werden:
- Die unter 2.3 in Tab. 2 aufgeführten „Einsatzbereiche für FGÜ“ sollte dahingehend geändert werden, dass der Begriff „FGÜ empfohlen“ durch „FGÜ vorgeschrieben“ ersetzt wird. Die Begrifflichkeit „FGÜ möglich“ sollte durch „FGÜ empfohlen“ ersetzt werden. Mobilitätsbeeinträchtigte Menschen (insbesondere blinde, sehbehinderte und motorisch beeinträchtigte Menschen) sind auf gesicherte Fußgängerübergänge (Zebrastreifen oder LSA mit zusätzlichen blindenspezifischen Einrichtungen gem. DIN 32981, DIN 32984 und DIN 32975) angewiesen, damit ihre eigenständige sichere Teilhabe gewährleistet ist. Dort, wo andere queren können, muss das auch für behinderte Menschen möglich sein.
- Ab mehr als 450 FZ/h und mehr als 50 Fußgänger/h sollten Lichtsignalanlagen vorgeschrieben werden.
- Auf ungesicherte Querungen sollte weitestgehend verzichtet werdenWichtig ist, dass Fußgängerüberwege auch über Radwege und Radschnellverbindungen angelegt werden können. Bis jetzt ist das Queren von Radwegen für blinde und sehbehinderte Personen ein großes Risiko, da Radfahrer Vorrang haben. Radfahrer können von einer blinden oder hochgradig sehbehinderten Person de facto nicht bemerkt und die Gefahr einer Kollision nicht erkannt werden. Diese Fußgängerüberwege müssen sehr deutlich gekennzeichnet werden.
- In der Nähe von Bushaltestellen sollten grundsätzlich Fußgängerüberwege eingerichtet werden. Menschen mit Seheinschränkung sind für die eigenständige Teilhabe auf den ÖPNV angewiesen. Dazu bedarf es sicherer Querungsmöglichkeiten.
Folgende Änderungen sollten in der StVO hinsichtlich Fußgängerüberwegen vorgenommen werden:
Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fußgänger findet der Vorschlag im Bericht der Arbeitsgruppe Fußverkehrspolitik zur Änderung des § 25 Abs 3 StVO unsere Zustimmung.
Eine gesetzlich vorgegebene Benutzungspflicht von Fußgängerquerungshilfen, Fußgängerüberwegen oder an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen lässt sich aufgrund der derzeitig anzutreffende Gestaltung von blinden und sehbehinderten Verkehrsteilnehmern nicht grundsätzlich einhalten. Die nach Bodenmarkierungsverordnung in Verbindung mit des § 98 Abs. 3 StVO zu verwendenden visuellen Markierungen sind für blinde Verkehrsteilnehmer nicht wahrnehmbar. Für sehbehinderte Menschen sind Fußgängerquerungshilfen kaum erkennbar, weil eine ausreichend visuell kontrastierende Gestaltung fehlt.
Seitlich am Gehweg liegende Fußgängerquerungshilfen, Fußgängerüberwege oder Lichtzeichenanlagen können von blinden und sehbehinderten Menschen nur dann genutzt werden, wenn sie auffindbar sind. Das setzt voraus, dass die dafür notwendigen Markierungen nach dem Mehr-Sinne-Prinzip gestaltet sind – also zusätzlich zur visuellen Wahrnehmung auch taktil wahrgenommen werden können.
Zu diesem Zweck eignet sich der Einsatz von Bodenindikatoren gemäß der DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“. Um die Bedeutung von Bodenindikatoren für diesen Zweck zu unterstreichen und eine konsequente Anwendung sicher zu stellen, ist es notwendig, die Bodenindikatoren in die StVO aufzunehmen. Die langjährigen Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die bisher bestehenden Regelungen zum Einsatz der Bodenindikatoren nicht ausreichend sind. Nur wenn die taktile Wahrnehmbarkeit von Fahrbahnquerungen gewährleistet wird, können blinde und sehbehinderte Menschen einer Benutzungspflicht tatsächlich auch nachkommen.