Resolution "Digitale Teilhabe für behinderte Menschen verwirklichen!"

Digitalisierung ist ein Megatrend, der große Umwälzungen mit sich bringt. Laut Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode ist der Ausbau der Digitalisierung ein Kernthema für die neue Bundesregierung. Praktisch alle Bereiche wie Wirtschaft, Arbeit bis hin zur Gesundheitsversorgung sollen digitalisiert werden. Die durch die Politik gesetzten Rahmenbedingungen werden darüber entscheiden, ob die Chancen der Digitalisierung für mehr Teilhabe genutzt oder ob blinde und sehbehinderte Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.

Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Deutschland dazu verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien zu ermöglichen sowie vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren zu beseitigen. Der DBSV fordert daher, die Weichen so zu stellen, dass auch blinden und sehbehinderten Menschen gleiche Teilhabemöglichkeiten an der digitalen Welt offen stehen:

  • Behinderte Menschen müssen an der Entwicklung und Umsetzung barrierefreier digitaler Angebote entscheidend mitwirken - egal, ob es um die Gesetzgebung, die Verwaltung oder die Forschung geht.
  • Barrierefreiheit ist für alle Bereiche, die von Digitalisierung betroffen sind - u. a. Gesundheit, Bildung, Arbeitsleben, Verwaltung, Handel, Personenverkehr, digitale Haushaltsgeräte, Film und Fernsehen, Bücher- oder Zeitschriften - konsequent umzusetzen. Das schließt Inhalte (Dokumente, Webseiten, Info-Terminals) und Software (klassische Programme, mobile Apps) ebenso ein wie die uneingeschränkte Nutzbarkeit von Chipkarten wie etwa des elektronischen Personalausweises oder der elektronischen Gesundheitskarte. Dafür braucht es endlich abweichungsfeste gesetzliche Regelungen, die auch die Privatwirtschaft in die Pflicht nehmen. Als Einstieg sind Maßnahmen zu ergreifen, um alle Erbringer von Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen – vom Arzt über Therapeuten bis hin zu Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen oder Einrichtungen für behinderte Menschen – zur Barrierefreiheit ihrer digitalen Angebote zu verpflichten.
  • Bund, Länder und Gemeinden müssen die Vorgaben der europarechtlichen Regelungen zur Barrierefreiheit von Webseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen vollständig umsetzen. Regelungen in den Behindertengleichstellungsgesetzen von Bund und den Ländern, die dahinter zurückbleiben, sind unverzüglich europarechtskonform nachzubessern. Es muss gelten: Die Potentiale für eine gleichberechtigte und wirksame Teilhabe von behinderten Menschen durch die Nutzung digitaler Angebote müssen genutzt werden – Verschlechterungen zum geltenden Recht sowie umfangreiche Ausnahmeklauseln darf es nicht geben!
  • Bei der Schaffung des vorgesehenen zentralen einheitlichen digitalen Bürgerportals ist Barrierefreiheit vollständig zu gewährleisten. Bislang bestehende Zugangsbarrieren bei der digitalen Kommunikation mit Behörden sind auszuräumen, u.a. unzugängliche Formulare, fehlende Möglichkeit zur Ableistung einer digitalen Signatur oder einer sicheren Authentifizierung)
  • Strukturen und Prozessabläufe für die konsequente Herstellung digitaler Barrierefreiheit sind zu entwickeln und einzuhalten. Von der Ausschreibung über die Planung und Entwicklung bis zur Umsetzung muss Barrierefreiheit konsequent berücksichtigt und überprüft werden.
  • Hauptverantwortliche Zuständigkeiten im Bund, den Ländern und den Kommunen für die Herstellung digitaler Barrierefreiheit müssen geschaffen und mit klaren Befugnissen zur Durchsetzung ausgestattet werden.
  • Damit Barrierefreiheit hergestellt werden kann, müssen Informatiker, Softwareentwickler und Mediengestalter für die Konzeption barrierefreier Produkte sowohl in der Ausbildung als auch im Beruf kontinuierlich geschult werden. Dazu ist das Thema Barrierefreiheit in die entsprechenden Ausbildungspläne und Prüfungsordnungen verpflichtend aufzunehmen.
  • Es sind Forschungsprojekte zur Erschließung der Potentiale von Digitalisierung aufzulegen, um die gesellschaftliche Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen in einer digitalisierten Welt zu sichern und voranzubringen. Dabei ist die Weiterentwicklung von speziellen Hilfsmitteln ebenso zu unterstützen wie der barrierefreie Zugang zu neuen Technologien (u. a. künstliche Intelligenz, Robotik, Smart Home oder Virtual Reality).

Verabschiedet vom Verbandstag des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) am 30. Juni 2018 in Berlin