Stellungnahme von DBSV und DVBS zum Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des EU-Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (Barrierefreiheitsgesetz - BFG)
Gemeinsam mit dem Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) hat der DBSV zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (Barrierefreiheitsgesetz – BFG) Stellung genommen. Zu begrüßen ist ausdrücklich, dass der European Accessibility Act (EAA) noch vor der Bundestagswahl in deutsches Recht umgesetzt wird. Mit dem BFG wird es erstmals in Deutschland Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen geben. Eine ambitionierte Umsetzung, wie vom DBSV gefordert, ist bislang leider nicht erkennbar. Stattdessen ist der vorliegende Entwurf schwer verständlich formuliert und bleibt teilweise hinter den Anforderungen des EAA zurück. Unsere Forderungen:
Wir begrüßen ausdrücklich, dass der European Accessibility Act (EAA) jetzt in deutsches Recht umgesetzt wird. Mit dem BFG wird es erstmals in Deutschland Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen geben. Ein verbindlicher und adressatengerechter Rechtsrahmen bietet die Chance, zu deutlich mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Alltag beizutragen. Leider ist der bislang vorliegende Entwurf schwer verständlich formuliert und bleibt teilweise hinter den Anforderungen des EAA zurück. Die folgenden Änderungen am BFG-Entwurf sind aus Sicht von DBSV und DVBS daher zwingend:
- In den Anwendungsbereich des Gesetzes sollten Menschen mit funktionellen Einschränkungen einbezogen werden.
- Die Regelungen zu Verkehrsdienstleistungen sind klarer zu fassen und alle Anforderungen des Gesetzes müssen für den Regional-, Stadt- und Vorortverkehr gelten.
- Der Anwendungsbereich muss auf beruflich genutzte Produkte und Dienstleistungen erweitert werden, wo dies ohne wesentliche Mehrbelastung für die Wirtschaft möglich ist.
- Die in § 3 Abs. 1 enthaltene Definition von Barrierefreiheit ist zu streichen und durch einen Verweis auf § 4 BGG zu ersetzen.
- Bestimmte Definitionen sind zu straffen und zu ergänzen.
- Die in §§16 und 17 vorgesehenen Ausnahmetatbestände sind mindestens richtlinienkonform auszugestalten. Zudem ist der Nutzen barrierefreier Produkte und Dienstleistungen stärker zu betonen und der Begriff einer unverhältnismäßigen Belastung im Sinne eines Ausnahmetatbestandes schärfer zu konturieren.
- Es ist für eine zentral organisierte und effektive Marktüberwachung zu sorgen, die den Herausforderungen der Digitalwirtschaft gerecht wird.
- Die Rechtsdurchsetzung ist zu stärken. Das betrifft die Überprüfungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren und das daran anschließende Verbandsklagerecht für Verbände, die Möglichkeit, nach dem Unterlassungsklagegesetz vorgehen zu können und die Einführung einer niedrigschwelligen und effektiven Schlichtungsmöglichkeit.
- Die für digitale Dienstleistungen vorgesehenen Übergangsfristen sind abzukürzen.
DBSV und DVBS erwarten auch, dass Deutschland für die Bereiche, für die der EAA keine Regelungen vorsieht, in absehbarer Zeit auf nationaler Ebene aktiv wird, um Barrierefreiheitsanforderungen rechtlich verbindlich vorzugeben - von der eigenständigen Lebensführung (z. B. barrierefreie Haushaltsgeräte), Gesundheitsversorgung (z. B. barrierefreie Arztpraxen und Medizinprodukte) über die Bildung, die Arbeitswelt bis hin zur Kultur. Leider enthält der Referentenentwurf auch keine Anforderungen an die Barrierefreiheit der bebauten Umgebung. Dabei ist ein barrierefreier Geldautomat für Menschen mit Behinderungen nutzlos, wenn sie das Gebäude der Bank nicht betreten können. Daraus ergibt sich die Erwartung an den Gesetzgeber, baldmöglichst auch die Barrierefreiheit der bebauten Umwelt sicherzustellen.
Im Einzelnen
Zu § 1 Abs. 1_E
In Abs. 1 Satz 2 sollten hinter den Worten „Menschen mit Behinderungen“ die Worte „und anderen funktionellen Einschränkungen“ eingefügt werden.
Mit Blick auf Erwägungsgrund 4 der RL 2019/882 ist festzuhalten, dass nicht nur Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch anderweitig beeinträchtigte Menschen, wie z. B. ältere Menschen, erkrankte und verletzte oder auch schwangere Menschen von barrierefreien Produkten und Dienstleistungen profitieren. Die Formulierung der Zweckbestimmung kann wesentlich dazu beitragen, die Wirtschaftsakteure für den großen Kundenkreis mit einem Bedarf an barrierefreien Produkten und Dienstleistungen zu sensibilisieren.
Zu § 1 Abs. 2_E
Bei den hier genannten Produkten ist jeweils die Einschränkung, dass es sich um Produkte für Verbraucher handeln muss, zu streichen. Die Beschränkung hindert zum einen die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben. Zum anderen ist häufig gar nicht genau festzustellen, ob ein bestimmtes Gerät – z. B. ein unter die Definition „Universalrechner“ fallendes Notebook – für Verbraucher bestimmt ist oder nicht. Denn die allermeisten Produkte werden sowohl an Verbraucher als auch an Gewerbetreibende abgegeben, unabhängig davon, ob dies der Intention des Herstellers bei der Entwicklung und Vermarktung der jeweiligen Geräte entsprach. Letztlich ist eine Beschränkung auf „Verbraucherprodukte“ daher willkürlich und führt zu Rechtsunsicherheit bei der Anwendung. Als Folge könnten zudem die zugehörigen Definitionen in § 2 vereinfacht werden.
Zu § 1 Abs. 3_E
Abs. 3 Nr. 2 2. Halbsatz „mit Ausnahme von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten, für die nur die Elemente unter Buchstabe e) gelten:“ ist zu streichen.
Die im BFG vorgesehenen Regelungen umfassen Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Personenbeförderung im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr. Sie gelten aber grundsätzlich nicht für den öffentlichen Personennahverkehr und Schienenpersonennahverkehr. Die Regelungen sind, ebenso wie diejenigen in der RL 2019/882 mit ihren Ausnahmen und Rückausnahmen schwer verständlich formuliert und wenig nachvollziehbar.
Da Mobilität eine entscheidende Rolle für die tägliche Lebensführung spielt (zum Einkauf, zum Arzt, zur Schule oder Arbeit kommen können) und weil es sich bei den regional organisierten Verkehrsdienstleistungen um Angebote der Daseinsvorsorge handelt, sollte Deutschland die in der RL 2019/882 gelassene Regelungslücke ausfüllen und die Vorgaben des EAA auch auf den Regional-, Stadt- und Vorortverkehr übernehmen.
Dass die Zugangshindernisse dadurch abgefedert werden können, indem die Regelungen für Dienstleistungen des elektronischen Geschäftsverkehrs anzuwenden sind, ist begrüßenswert. Damit sind etwa Taxifahrten oder der gebündelte Bedarfsverkehr einbezogen. Es handelt sich um Dienstleistungen, die im Hinblick auf den Abschluss des Verbrauchervertrages elektronisch erbracht werden, wie etwa die Webseiten oder die mobilen Anwendungen der Dienstleistungserbringer, durch die den Verbrauchern die Angebote vorgestellt werden sowie Buchungen und Zahlungen getätigt werden können. Leider werden Reiseinformationen bei ausgeschlossenen Beförderungsdienstleistungen dadurch aber nicht einbezogen. Problematisch ist zudem, dass viele der angesprochenen Verkehrsunternehmen wie das Taxigewerbe, den Kleinstunternehmen zugeordnet sein dürften, so dass die Regelungen des BFG für sie faktisch nicht greifen.
Abs.3 Nr. 3 ist wie folgt zu formulieren: „Bankdienstleistungen für Verbraucher sowie diesen vergleichbare Bankdienstleistungen für Unternehmen“.
Auch Menschen mit Behinderungen üben selbständige Tätigkeiten aus und sind dafür z. B. auf barrierefreies Online-Banking für ein Geschäftskonto angewiesen. Die Beschränkung auf Bankdienstleistungen für Verbraucher würde diesen wichtigen Bereich von den Anforderungen des BFG ausschließen. Die maßvolle Erweiterung lediglich auf „vergleichbare“ Dienstleistungen klammert im Interesse der Wirtschaft reine B2B-Produkte aus, die nicht in ähnlicher Weise für Verbraucher angeboten werden.
Zu § 2_E
Mit Blick auf die obigen Ausführungen ist eine Definition von Menschen mit funktionellen Einschränkungen einzufügen. Verwiesen werden kann insoweit auf Erwägungsgrund 4 der RL 2019/882.
Nr. 5 kann gestrichen werden, da eine Regelung im Medienstaatsvertrag vorgesehen ist.
Dass über die in Nr. 22 verwendete Definition der Marktüberwachungsbehörden eine Zuständigkeit der jeweiligen Bundesländer für die Marktüberwachung erfolgt, anstatt eine Regelung im sechsten Abschnitt vorzusehen, ist nicht nachzuvollziehen.
In Nr. 37 „E-Books“ ist mit Blick auf Erwägungsgrund 41 der RL 2019/882 nach dem Wort „Blättern“ das Wort „Navigieren“ zu ergänzen, um dem Sinn und Zweck der Norm gerecht zu werden. Entscheidend ist für Nutzende, dass man in einem E-Book navigieren kann und zwar nicht nur seitenweise (Blättern), sondern dass man auch Kapitel oder Überschriften anspringen kann und Informationen zu z. B. Randnummern erhält. Ansonsten ist das Werk nicht barrierefrei nutzbar. Erwägungsgrund 41 der RL 2019/882 weist auf die Notwendigkeit strukturgebender Elemente explizit hin.
Zu § 3_E
Die in § 3 Abs. 1 Satz 2 enthaltene Definition von Barrierefreiheit ist zu streichen.
Stattdessen ist zu formulieren: „Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie den Anforderungen von § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes entsprechen.“
Im deutschen Recht gibt es mit § 4 BGG bereits eine langjährig erprobte Definition von Barrierefreiheit. Diese ist anzuwenden. Für Rechtsanwender – gleich aus welchem Bereich – wäre nicht zu vermitteln, warum auf Bundesebene zwei Definitionen bestehen. Die im BFG nun verankerte Definition entstammt Anhang 1 der RL 2019/882. Wenn die konkreten Anforderungen des Anhangs 1 im deutschen Recht im Wege einer Rechtsverordnung normiert werden sollen, dann besteht analog zur europäischen Systematik auch kein Grund, eine Definition von Barrierefreiheit im BFG selbst aufzunehmen.
Zu §§ 16, 17_E
In § 17 Abs. 1 sind die Worte „gelten nicht, soweit“ zu ersetzen durch die richtlinienkonformen Worte „gelten insoweit, als“. Die Formulierung in § 17 Abs. 1 („Die Barrierefreiheitsanforderungen [...] gelten nicht, soweit“) weicht von derjenigen in § 16 („gelten insoweit, als“) ab. Die Formulierung in § 17 erweckt damit den Eindruck, dass Barrierefreiheitsanforderungen für Dienstleistungen gar nicht mehr, auch nicht in Teilen, zu beachten wären. Dies gilt insbesondere in der Gesamtschau mit § 16. Eine solche Regelung oder Auslegung wäre mit der RL 2019/882 unvereinbar.
DBSV und DVBS fordern weiterhin mit Nachdruck, die zwingenden Vorgaben des EAA umzusetzen und das Wort „wesentlich“ in § 17 Abs. 3 Nr. 1 zu streichen. Die vorgesehene Regelung in § 17 begünstigt einseitig die Wirtschaftsakteure, denn anders als in Art. 14 des EAA soll eine erneute Überprüfung einer unverhältnismäßigen Belastung nur erfolgen, wenn die Dienstleistung „wesentlich verändert“ wird. Das Kriterium der „wesentlichen Veränderung“ entspricht nicht den Vorgaben des Art. 14 Abs. 5 Lit. a) der Richtlinie, der die Beurteilung stets einfordert „, wenn die angebotene Dienstleistung verändert wird“. § 17 ist insgesamt als Ausnahmetatbestand von der generellen Pflicht zur Barrierefreiheit konzipiert. Beruft sich ein Wirtschaftsakteur auf die Ausnahmeregelung, trifft ihn die Darlegungslast hierfür. Diese Darlegungslast darf nicht über die Richtlinie hinaus beschränkt werden.
Die §§ 16 und 17 müssen gewährleisten, dass ein Interessenausgleich zwischen den Wirtschaftsakteuren einerseits und den Menschen mit Behinderungen und funktionellen Einschränkungen andererseits erfolgt. Das ist bislang nicht der Fall. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfordert stets eine wertende Gesamtschau der mit der Regelung beabsichtigten Ziele einerseits und der dazu erforderlichen Mittel und Wirkungen für die Rechtsverpflichteten und –begünstigten andererseits. Neben der Geeignetheit (ist das Mittel zur Zweckerreichung tauglich?) und der Erforderlichkeit (gibt es mildere Mittel zur Zweckerreichung?) ist hier die Angemessenheitsprüfung (Zweck-Mittel-Relation) von zentraler Bedeutung. Der Wirtschaftsakteur muss dabei seine wirtschaftlichen Belastungen in Relation zum verfolgten Zweck, der Barrierefreiheit seines Produkts oder seiner Dienstleistung (bzw. die Nachteile für bestimmte Gruppen bei fehlender Barrierefreiheit) setzen und dabei eine wertende Gesamtbewertung vornehmen. Die Kriterien zur Beurteilung der unverhältnismäßigen Belastungen (Anlage 4) beinhalten ausschließlich kostenseitige Kriterien in Bezug auf Produktion, Erbringung, Organisation etc. Es fehlen indes Vorgaben, welche Gründe ein Wirtschaftsakteur nicht berücksichtigen darf. Das sind laut RL 2019/882 etwa mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnisse im Unternehmen oder dass nicht jegliche Mehrkosten im Unternehmen die Unverhältnismäßigkeit nach § 17 begründen dürfen. Diese aus den Erwägungsgründen des EAA abgeleiteten Ausführungen finden sich bisher nur in der Gesetzesbegründung. Sie sind aus Sicht des DBSV und des DVBS in das Gesetz selbst aufzunehmen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der gleichberechtigte und chancengleiche Zugang zu Produkten und Dienstleistungen, die für die Allgemeinheit angeboten werden, ein Menschenrecht ist. Deutschland hat insoweit nicht nur die europäischen Vorgaben des EAA umzusetzen. Vielmehr ergibt sich ein Handlungsbedarf bereits aus dem 2009 ratifizierten Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK).
Aus Sicht des DBSV und des DVBS ist die in § 17 Abs. 6 normierte Ermächtigungsgrundlage zu weit formuliert und geht über die Vorgaben des Art. 14 Abs. 7 der RL 2019/882 hinaus.
Mit Blick auf die Tatsache, dass Wirtschaftsakteure von den Barrierefreiheitsanforderungen abweichen dürfen, ist zur Vermeidung von Diskriminierungen die Pflicht zum Treffen angemessener Vorkehrungen im AGG zu verankern.
Zu Abschnitt 6
DBSV und DVBS fordern eine zentral organisierte Marktüberwachung. Der Gesetzentwurf geht demgegenüber von einer alleinigen Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer aus. Wir sehen die große Gefahr, dass bei einer eigenverantwortlichen und damit ungesteuerten Länderzuständigkeit eine effektive Marktüberwachung nicht gewährleistet ist, weil:
- eine einheitliche Rechtsanwendung nicht zu erwarten steht,
- für Dienstleistungen – anders als für Produkte - bislang keine Erfahrungen und Konzepte mit Marktüberwachung auf Länderebene bestehen,
- das Knowhow zum Themenkomplex Barrierefreiheit nicht sofort zuverlässig auf regionaler Ebene aufgebaut werden kann und
- gerade mit Blick auf den globalisierten digitalen Dienstleistungssektor eine Überforderung rein regional organisierter Marktüberwachung zu erwarten ist.
DBSV und DVBS fordern, dass die Marktüberwachung soweit wie möglich auf Bundesebene organisiert wird und den Marktüberwachungsbehörden zufällt, die ohnehin mit den jeweiligen Lebenssachverhalten befasst sind. Das sorgt für eine einheitliche Rechtsanwendung und trägt zur Marktransparenz bei. Der bürokratische Aufwand für Marktüberwachungsbehörden und Wirtschaftsakteure sinkt, wodurch Kosten gespart werden.
Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Erbringung von Zahlungs- und Bankdienstleistungen können damit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen zugeordnet werden, die ohnehin die Bankenaufsicht übernimmt, bereits Bankdienstleistungen prüft und nach § 4 Abs. 1a Satz 1 FinDAG auch dem Schutz kollektiver Verbraucherinteressen verpflichtet ist.
Das Eisenbahn-Bundesamt ist bereits mit der Marktüberwachung der Fahrgastrechte im Eisenbahn-, Fernbus- und Schiffsverkehr befasst und kann auch die Barrierefreiheit der zum Einsatz kommenden Produkte und Dienstleistungen überwachen, zumal die Barrierefreiheit nach den Maßstäben der Richtlinie 2019/882 durch die ab 2023 geltende Neufassung der Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ohnehin für eine Reihe von Aspekten gefordert wird.
Das Luftfahrt-Bundesamt kann zentral die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Flugverkehr überwachen. Eine Regionalisierung wäre unter Berücksichtigung internationaler Bezüge völlig widersinnig.
Die Bundesnetzagentur kann im Bereich der Telekommunikation Aufgaben der Marktüberwachung übernehmen.
Sollte die Marktüberwachung dennoch ganz oder teilweise in die Zuständigkeit der Bundesländer übertragen werden, ist zu gewährleisten, dass ein verbindlicher Kooperationsrahmen und Informationsaustausch sowie die Bereitstellung des notwendigen Expertenwissens stattfindet. Auf Art. 10 der Verordnung (EU) 2019/1020 wird verwiesen. Denkbar wären etwa gesetzliche Regelungen im BFG, die zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen für eine länderübergreifende, zentrale Marktüberwachung motivieren. So könnte beispielsweise das Land Hessen die Aufsicht über E-Books und E-Book-Lesegeräte übernehmen, während z. B. Bayern für alle Länder den Onlinehandel überwacht. Zudem ist eine Verzahnung und Weiterentwicklung der Vorgaben des aktuell verhandelten Marktüberwachungsgesetzes und des dort geplanten Marktüberwachungsforums für Zwecke des BFG abzusichern.
In jedem Fall braucht die staatliche Marktüberwachung effiziente Handlungsmöglichkeiten und sie muss personell, sachlich und finanziell in der Lage sein, systematisch und umfassend zu überwachen, um Fehlsteuerungen entgegenzuwirken. Die dafür notwendige Expertise muss aufgebaut und abgesichert werden.
Positiv wird diesseits bewertet, dass im Gesetzentwurf auch die Pflichten der Marktüberwachungsbehörden in Bezug auf die Überwachung der Dienstleistungen analog den Pflichten der Marktüberwachung von Produkten erfolgt.
Die in § 20 Abs. 2 erwähnten Marktüberwachungsstrategien sollten unter Beteiligung der Verbände von Menschen mit Behinderungen erstellt werden.
Die §§ 21,29, 32 und 34 enthalten Anforderungen an die Bereitstellung von Informationen und Kommunikation in barrierefreier Form. Es ist einheitlich zu regeln, dass die Kosten für barrierefreie Information und Kommunikation von den Marktüberwachungsbehörden zu tragen sind. Explizit ist dies bislang nur für die Kommunikation mit Gebärdensprachdolmetschern und für andere Kommunikationshilfen vorgesehen.
Verbraucherinnen und Verbraucher müssen leicht erkennen können, ob und inwieweit Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestaltet sind. Dafür muss auch eine barrierefrei zugängliche Datenbank entstehen, die barrierebehaftete Produkte und Dienstleistungen ausweist.
Hilfreich wäre es zudem, wenn zur Kontaktaufnahme mit Marktüberwachungsbehörden die im Rahmen der Umsetzung der RL 2016/2102 eingeführten barrierefreien Kontakt- und Feedback-Mechanismen analog etabliert werden. So können Probleme mit Produkten und Dienstleistungen den Anbietern unkompliziert gemeldet werden.
Schließlich ist es unbedingt erforderlich, eine wirksame Marktbeobachtung vorzusehen und zwar durch Verbraucherschutzorganisationen mit dem Knowhow für Barrierefreiheit und unter Beteiligung der Vertretungen der Menschen mit Behinderungen.
Zu §§ 34, 35_E
Bislang sieht der Entwurf in Bezug auf die Rechtsdurchsetzung nur die Möglichkeit vor, ein Tätigwerden der Marktüberwachungsbehörden im Verwaltungsverfahren und – bei dessen Scheitern – gerichtlich zu erwirken. Die vorgesehenen Regelungen sind unzureichend ausgestaltet und müssen ergänzt werden.
Die Bedeutung des Verwaltungsverfahrens nach § 34 Abs. 1 ist unklar, weil das Antragsrecht nur bestehen soll, wenn der Verbraucher in seinen Rechten verletzt ist. Weder aus dem Gesetzestext noch aus der Begründung ergibt sich, welche Rechte dies sein sollen. Insbesondere scheinen Rechte nicht schon dadurch verletzt zu sein, dass ein Produkt den Anforderungen des BFG nicht entspricht. Auch ist unklar, ob der Verbraucher einen Anspruch auf Einschreiten der Marktüberwachungsbehörde oder nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat; dies gilt ebenfalls, wenn ein berechtigter Verband nach § 34 Abs. 2 klagt. In § 34 Abs. 1 und 2 muss daher jeweils das Wort „beantragen“ durch das Wort „verlangen“ ersetzt werden.
In § 34 Abs. 2 und § 35 Abs. 2 muss außerdem die Einschränkung „ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein“ gestrichen werden. Sie suggeriert, dass für einen erfolgreichen Antrag bzw. Rechtsbehelf subjektive Rechte verletzt sein müssen, wenn auch nicht diejenigen des Verbands. Wie bereits beschrieben, stellt das BFG jedoch nur objektive Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen auf und räumt Menschen mit Behinderungen keine Ansprüche auf Barrierefreiheit gegenüber den Wirtschaftsakteuren ein. Daher würde die Anforderung, dass Rechte verletzt sein müssen, eine Antrags- (§ 34 Abs. 2) oder Klagebefugnis (§ 35 Abs. 2) von Verbänden ins Leere laufen lassen.
Diesseits bestehen zudem Zweifel an der Wirksamkeit der vorgesehenen Rechtsbehelfe für Verbände. Klagen nach § 35 Abs. 1 und 2 sollen nach „Maßgabe der VwGO“ erfolgen. Damit muss die Postulationsfähigkeit nach § 67 Abs. 1 Satz 4 VwGO gegeben sein. Nach der Norm sind Verbände im Sinne des § 14 Abs. 3 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (nur) in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts […] zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Die Postulationsfähigkeit wird in der verwaltungsgerichtlichen Praxis ohnehin sehr eng ausgelegt. Schon gar nicht sind Klagegegenstände im Zusammenhang mit der Marktüberwachung den Klagegegenständen zurechenbar. Eine Klarstellung erscheint vor diesem Hintergrund erforderlich.
Zudem sollte Gerichtskostenfreiheit ermöglicht werden.
Verbänden ist es nach dem bislang vorliegenden Entwurf nicht möglich, Klagen etwa auf die Beseitigung rechtswidriger Barrieren bei Produkten und Dienstleistungen unmittelbar gegen den jeweiligen Wirtschaftsakteur zu richten. Aus Sicht des DBSV und des DVBS sollten die Vorschriften des BFG in § 2 Abs. 2 UKlaG als verbraucherschützende Normen explizit aufgenommen werden, damit derartige Klagen durch anerkannte Verbraucherverbände möglich sind. Für die Aufnahme spricht, dass sich das BFG explizit auf Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher bezieht.
Schließlich sollte eine effektive niedrigschwellige Schlichtungsmöglichkeit geschaffen werden, um die Beseitigung von Barrieren bei Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. Laut Begründung des BFG seien die bestehenden Streitbeilegungsinstrumente ausreichend. Das wird mit Blick auf das bislang völlig fehlende Knowhow zum Thema Barrierefreiheit bestritten. Sollte eine Schlichtungsmöglichkeit nicht bei der Schlichtungsstelle nach § 16 BGG möglich sein, muss bei der Universalschlichtungsstelle nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) mindestens eine personell und fachlich ausgestattete Abteilung für Anliegen nach dem BFG eingerichtet werden.
Zu § 38_E
Die vorgesehenen Übergangsfristen, insbesondere für digitale Dienstleistungen sind zu lang und müssen aufgehoben werden. Die Wirtschaftsakteure haben jetzt vier Jahre lang Zeit, sich auf das Inkrafttreten des BFG vorzubereiten und Knowhow zur Barrierefreiheit aufzubauen. Eine noch längere Frist ist gerade vor dem Hintergrund der Schnelllebigkeit der Entwicklung und der Tatsache, dass für digitale Anwendungen Standards für die Barrierefreiheit schon weitgehend bestehen, nicht nachzuvollziehen.