DBSV-Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSGV)

Mit Schreiben vom 14.2.22 hat das BMAS die Verbände zur Abgabe einer Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSGV) gebeten. Mit dem Verordnungsentwurf soll der Anhang I der Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen umgesetzt und damit der Verpflichtung zur vollständigen Richtlinienumsetzung bis zum 28. Juni 2022 nachgekommen werden.

 

Der DBSV dankt für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem o. g. Entwurf. Bevor auf die Änderungsvorschläge zu § 1, 3 und 17 eingegangen wird, möchten wir uns ausdrücklich für den vorbildlichen und konstruktiven partizipativen Prozess zur Erarbeitung dieses Verordnungsentwurfs bedanken.

Zu § 1

Es wird vorgeschlagen, dem § 1 einen Absatz 2 wie folgt anzufügen:

„(2) Die Verordnung dient dem Ziel, eine umfassende und grundsätzlich uneingeschränkt barrierefreie Gestaltung der in § 1 Abs. 1 genannten Produkte und Dienstleistungen zu gewährleisten, um einen möglichst großen Nutzungsumfang durch Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen.“

Begründung:

Die Rechtsverordnung muss dem klaren Ziel verpflichtet sein, die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen deutlich zu verbessern. Jede Umsetzung der rechtlichen und technischen Barrierefreiheitsanforderungen durch die Wirtschaftsakteure muss allein dazu dienen, die Nutzbarkeit von Produkten und Dienstleistungen zu erhöhen. Das bedeutet etwa, dass bei der Erbringung einer Dienstleistung der gesamte Prozess in den Blick zu nehmen ist. Nur so können auch die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden.

Zu § 3

a)

Es wird vorgeschlagen, dem Absatz 1 Satz 1 den folgenden Satz voranzustellen:

„Die barrierefreie Gestaltung der in § 1 Abs. 1 genannten Produkte und Dienstleistungen erfolgt nach Maßgabe der §§ 4 und 5 des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) und im Übrigen nach dieser Verordnung.“

Begründung:

Es bedarf aus Sicht des DBSV einer rechtlichen Verknüpfung zwischen den Anforderungen aus dieser Verordnung und den harmonisierten Normen sowie den technischen Spezifikationen. Ansonsten bleibt das Verhältnis zwischen diesen Vorgaben offen und ungeklärt.

b)

Es wird vorgeschlagen, Absatz 1 Satz 2_E wie folgt neu zu fassen:

„Von dem Stand der Technik kann abgewichen werden, wenn auf andere Weise die zu beachtenden Anforderungen dieser Rechtsverordnung zur Barrierefreiheit mindestens in gleichem Maße erfüllt werden.“

Begründung:

Mit der Formulierung soll sichergestellt werden, dass im Falle der Nichtbeachtung des Standes der Technik keine Nachteile für Verbraucherinnen und Verbraucher entstehen können und sie nur dann erfolgt, wenn sie mit teilhabeverbessernden Innovationen einhergeht.

c)

In Anlehnung an die Formulierung in der BITV 2.0 wird zur Rechtsvereinheitlichung vorgeschlagen, Absatz 2 wie folgt neu zu fassen:

„Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit veröffentlicht auf ihrer Website regelmäßig in deutscher Sprache

  1. aktuelle Informationen zu den zu beachtenden Standards einschließlich detaillierter Informationen zu den darin enthaltenen Barrierefreiheitsanforderungen,
  2. Konformitätstabellen, die einen Überblick zu den wichtigsten Barrierefreiheitsanforderungen für die in § 1 genannten Produkte und Dienstleistungen geben,
  3. Empfehlungen zur praktischen Umsetzung der Anforderungen zur Barrierefreiheit und
  4. Weiterführende Erläuterungen und Hinweise.“

Begründung:

Die bisher im Entwurf gewählte Formulierung der Nr. 1 erscheint unklar. Es wäre jedenfalls in keiner Weise ausreichend, dass die einschlägigen DIN- bzw. EU-Normen auf der Website nur benannt werden, im Übrigen dann aber kostenpflichtig bei den jeweiligen Normierungsinstituten abgerufen werden müssen, wenn sie in deutscher Sprache gelesen werden möchten. Die Kenntnis der maßgeblichen Normen darf im Rechtsstaat nicht von einer Kostentragung abhängig gemacht werden. Zwar stellt der BEUTH-Verlag auch Leseansichten zu Normen kostenfrei zu Verfügung. Diese sind aber nicht barrierefrei.

Gerade weil das BFSG selbst und die aktuell diskutierte Rechtsverordnung allein nicht genügen, um zu einem barrierefreien Produkt oder zu einer barrierefreien Dienstleistung zu kommen, sondern zusätzlich konkrete technische Regelwerke zu beachten sind, ist abzusichern, dass der in den anzuwendenden Standards niedergelegte Handlungsauftrag öffentlich zugänglich, leicht verständlich und gut übersichtlich dargestellt wird. Die Notwendigkeit einer solchen Veröffentlichung resultiert auch daraus, dass wegen bisher mangelnder Erfahrung große Unsicherheit bei der konkreten Herstellung von Barrierefreiheit besteht.

Wenn Wirtschaftsakteuren – und hier insbesondere auch den KMU, die für alltäglich benötigte Dienstleistungen besonders relevant sind - die Umsetzung der Barrierefreiheit erleichtert wird, profitieren Menschen mit Behinderungen unmittelbar, weil mehr barrierefreie Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt bereitstehen. Das erhöht ihre Teilhabemöglichkeiten deutlich.

Zu beachten ist zudem, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, im Wege von Schlichtungs- oder Klageverfahren ihre Rechte aufgrund des BFSG durchzusetzen. Die effektive Rechtsdurchsetzung wird erleichtert, wenn Menschen mit Behinderungen Zugang zu den technischen Standards haben, um die Einhaltung der maßgeblichen Bestimmungen überprüfen zu können.

Ähnlich wie im Falle der DIN EN 301549 könnte auch hier die Zugänglichkeit erst nach einer Anmeldung und Darlegung eines berechtigten Interesses erfolgen.

Jedenfalls erscheint es dringend erforderlich, dass die Bundesfachstelle Barrierefreiheit auch ergänzende Hinweise gibt, wie die technischen Anforderungen umgesetzt werden können.

Zu § 17

  • 17 Abs. 1 Satz 1_E sollte ebenso präzise wie § 19 Nrn. 2 und 3 formuliert werden (differenzierte Darstellung und Berücksichtigung von Funktionen und Methoden), damit keine unbeabsichtigten Lücken bei der Sicherstellung einer barrierefreien Bankdienstleistung entstehen.