DBSV-Stellungnahme zu Änderungsbedarfen im Zusammenhang mit der anstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG)

Der DBSV weist in seiner Stellungnahme an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien darauf hin, dass sich die Anzahl der barrierefreien Filmfassungen erhöht hat, diese jedoch nicht selbstverständlich verfügbar sind.

Im Rahmen der Neufassung des FFG hat der DBSV daher zwei zentrale Anliegen:

  1. Barrierefreie Filmfassungen mit Audiodeskription müssen zum Kinostart vorhanden und im Kino über ein kostenfreies, allgemein zugängliches und barrierefreies Wiedergabesystem zugänglich sein.

  2. Zu jedem produzierten und der Verwertung zugänglich gemachten Filmpaket muss die barrierefreie Filmfassung unabdingbar dazugehören. Die barrierefreie Filmfassung ist bei jedweder Verwertungsform gemeinsam mit dem Film anzubieten.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) ist Spitzenverband der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfeorganisationen. Dementsprechend konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen ausschließlich auf die Belange blinder und sehbehinderter Menschen.

Seit der Verpflichtung zur Herstellung einer Fassung mit Audiodeskription im Jahr 2013 hat sich die Anzahl an Hörfilmen (also Filmfassungen mit Audiodeskription) deutlich erhöht. Das durch das FFG eingeführte Steuerungsinstrument hat also Wirkung gezeigt und zwar nicht nur in Bezug auf nach diesem Gesetz geförderte Filme, sondern weit darüber hinaus. Der stetige Zuwachs an Angeboten mit Audiodeskription bedeutet für blinde und sehbehinderte Menschen eine deutliche Verbesserung ihrer Teilhabemöglichkeiten.

Diese positiven Entwicklungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch einen erheblichen Handlungsbedarf gibt.

Das Problem: Die barrierefreie Filmfassung wird zwar produziert, ist für die Menschen aber nicht immer zugänglich.

Im Rahmen der Neufassung des FFG hat der DBSV daher zwei zentrale Anliegen:

  1. Barrierefreie Filmfassungen mit Audiodeskription müssen zum Kinostart vorhanden und im Kino über ein kostenfreies, allgemein zugängliches und barrierefreies Wiedergabesystem zugänglich sein.

  2. Zu jedem produzierten und der Verwertung zugänglich gemachten Filmpaket muss die barrierefreie Filmfassung unabdingbar dazugehören. Die barrierefreie Filmfassung ist bei jedweder Verwertungsform gemeinsam mit dem Film anzubieten.

Begründung

Der DBSV hat vor Beginn der Corona-Pandemie zur Zugänglichkeit der Filmfassungen mit Audiodeskription recherchiert. Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation seither nicht positiv verändert hat. 2019 gab es laut unseren Recherchen insgesamt 106 von der FFA und dem DFFF geförderte Filme. Davon war lediglich bei 33 Filmen die barrierefreie Fassung zum Kinostart über ein kinounabhängiges Wiedergabesystem (die App „Greta“) zugänglich. Die kinoabhängigen Systeme zur Wiedergabe der Audiodeskription haben sich nicht durchgesetzt. Recherchen des DBSV im Rahmen seines Projekts „Kino für alle“ haben ergeben, dass es deutschlandweit
lediglich ca. 20 Kinos gibt, die über eine kinoabhängige Wiedergabemöglichkeit der Audiodeskription verfügen (CinemaConnect von Sennheiser). Allerdings steht die zum Abruf notwendige App "CinemaConnect" nicht mehr bereit. Ob die verfügbare App "MobileConnect" zum Abruf barrierefreier Fassungen über das CinemaConnect System im Kino geeignet ist, wird nicht klar kommuniziert und gewährleistet.
Darüber hinaus wird in diesen 20 Kinos nur ein Bruchteil der FFA-geförderten Filme gezeigt. Hinzu kommt, dass ein Großteil dieser 20 Betreiber das „CinemaConnect-System“ nutzt, um fremdsprachige Fassungen wiederzugeben, anstatt es für barrierefreie Fassungen zu nutzen. Letztendlich gibt es damit derzeit kein verlässliches und verbreitetes System zum Abrufen der barrierefreien Fassung über das DCP im Kino.

Im Ergebnis halten wir damit die Zurverfügungstellung der Audiodeskription über eine kinogebundene technische Lösung zwar für wünschenswert. In der Praxis dürfte sich aber allein eine barrierefreie kinounabhängige Wiedergabemöglichkeit durchsetzen.

In die Förderbedingungen gemäß § 47 FFG ist daher aufzunehmen, dass der Zugang zu der barrierefreien Filmfassung über ein kostenfreies, allgemein zugängliches und barrierefreies Wiedergabesystem abzusichern ist.

Bei den weiteren, der Kinovorführung nachfolgenden Verwertungsstufen, wie u. a. DVD oder Videoabrufdienste, muss die barrierefreie Fassung direkt über das jeweilige Wiedergabesystem zugänglich sein. Hier genügt eine Lösung per App nicht.
Gerade mit Blick auf die zunehmende Verwertung von Filmen außerhalb von Kinos sind Regelungen hierzu erforderlich.

Leider mussten wir feststellen, dass die Audiodeskriptionsfassung bei der dem Kino nachfolgenden Verwertung nicht immer und vor allem automatisch „mitgeliefert“ wird. Teilweise soll sie sogar separat vergütet werden, was zu der absurden Folge führt, dass für manche Filme eine zweite Audiodeskriptionsfassung produziert wird, um das Problem zu umgehen. Jedenfalls sind derartige Praktiken eine hohe Hürde, um ein zugängliches Filmerlebnis auch für Menschen mit Behinderungen sicherzustellen.

Die barrierefreie Fassung muss daher künftig auf allen Endkopien vorliegen, um
sicherzustellen, dass sie in der gesamten Verwertungskette für blinde und sehbehinderte Endverbraucherinnen und Endverbraucher nutzbar wird. Es muss gelten: Zu jedem produzierten und der Verwertung zugänglich gemachten Filmpaket gehört die barrierefreie Filmfassung unabdingbar dazu.

Regelungsvorschläge

  • 47 Abs. 1 FFG könnte etwa wie folgt neu gefasst werden:

„(1) Förderhilfen für die Herstellung und die Digitalisierung von Filmen dürfen nur gewährt werden, wenn bis zur Erstaufführung in einem Kino alle Endfassungen des Films mit einer barrierefreien Fassung hergestellt werden. Förderhilfen für Kinos und den Absatz von Filmen dürfen nur gewährt werden, wenn gewährleistet ist, dass die barrierefreien Fassungen bei allen Verwertungsformen nutzbar gemacht werden. Bei Filmvorführungen im Kino ist die barrierefreie Fassung des Films über ein barrierefreies Wiedergabesystem zugänglich zu machen.“

In § 40 FFG sollte sodann definiert werden, was ein barrierefreies Wiedergabesystem im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 3_E ist. Insoweit könnte etwa wie folgt formuliert werden:

„Ein barrierefreies Wiedergabesystem im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 3 ist eine kinogebundene Anwendung oder eine mobile Anwendung zur Wiedergabe einer barrierefreien Filmfassung im Sinne von Abs. 8. Die verwendeten mobilen Anwendungen müssen auf einem Nutzerendgerät mit allen gängigen Betriebssystemen frei zugänglich, kostenfrei nutzbar sowie barrierefrei im Sinne von § 4 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) sein.“