DBSV-Positionspapier zu Änderungen des Filmförderungsgesetzes (FFG) im Rahmen der anstehenden Novellierung
Im Koalitionsvertrag für die aktuelle Legislaturperiode ist eine Filmförderungsnovelle vorgesehen, mit der die Filmförderinstrumente des Bundes und die Rahmenbedingungen des Filmmarktes neu geordnet, vereinfacht und transparenter gemacht werden sollen. In diesem Zusammenhang fordert der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV), dass die Reform unbedingt auch dazu genutzt werden muss, den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu barrierefreien Filmfassungen zu verbessern.
Seit der im Filmförderungsgesetz (FFG) verankerten Verpflichtung zur Herstellung einer Fassung mit Audiodeskription im Jahr 2013 hat sich die Anzahl der Hörfilme (also der Filmfassungen mit Audiodeskription) deutlich erhöht. Dieser Zuwachs bedeutet für blinde und sehbehinderte Menschen eine deutliche Verbesserung ihrer Teilhabemöglichkeiten. Das durch das FFG eingeführte Steuerungsinstrument hat also Wirkung gezeigt und zwar nicht nur in Bezug auf nach diesem Gesetz geförderte Filme, sondern weit darüber hinaus. Es hat sich demnach hervorragend bewährt und ist unbedingt beizubehalten.
Diese positiven Entwicklungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch einen erheblichen Handlungsbedarf gibt. Das Problem: Die barrierefreie Filmfassung wird zwar produziert, ist für die Menschen aber nicht immer zugänglich.
Für die Weiterentwicklung des FFG hat der DBSV daher zwei zentrale Anliegen:
- Barrierefreie Filmfassungen mit Audiodeskription müssen zum Kinostart vorhanden und im Kino über ein kostenfreies, allgemein zugängliches und barrierefreies Wiedergabesystem, wie eine kinounabhängige App, zugänglich sein.
- Zu jedem produzierten und der Verwertung zugänglich gemachten Filmpaket muss die barrierefreie Filmfassung untrennbar dazugehören. Die barrierefreie Filmfassung ist bei jedweder Verwertungsform gemeinsam mit dem Film anzubieten.
Begründung
Für die Recherche zur Zugänglichkeit der Filmfassungen mit Audiodeskription liegen keine Zahlen über die von der FFA geförderten Filme mit Kinostart im Jahr 2022 vor. Ausgewertet wurden daher die auf den Webseiten der FFA und der kinounabhängigen App Greta verfügbaren Informationen für den Zeitraum von August 2022 bis Mai 2023: In diesem Zeitraum gab es laut unseren Recherchen insgesamt 49 von der FFA und dem DFFF geförderte Filme. Bei 45 Prozent davon (22) war zum Kinostart die barrierefreie Fassung NICHT über ein kinounabhängiges Wiedergabesystem zugänglich.
Die kinoabhängigen Systeme zur Wiedergabe der Audiodeskription haben sich nicht durchgesetzt. Recherchen des DBSV haben ergeben, dass es deutschlandweit lediglich ca. 20 Kinos gibt, die über eine kinoabhängige Wiedergabemöglichkeit der Audiodeskription verfügen (CinemaConnect von Sennheiser). Allerdings steht die zum Abruf notwendige App CinemaConnect nicht mehr zur Verfügung. Ob die verfügbare App MobileConnect zum Abruf barrierefreier Fassungen über das CinemaConnect-System im Kino geeignet ist, wird nicht klar kommuniziert, geschweige denn gewährleistet.
Darüber hinaus wird in diesen 20 Kinos nur ein Bruchteil der FFA-geförderten Filme gezeigt. Hinzu kommt, dass ein Großteil der 20 Betreiber das CinemaConnect-System nutzt, um fremdsprachige Fassungen wiederzugeben, anstatt es für barrierefreie Fassungen zu nutzen. Letztendlich gibt es damit derzeit kein verlässliches und verbreitetes System zum Abrufen der barrierefreien Fassung über das DCP im Kino.
Im Ergebnis halten wir deshalb die Bereitstellung der Audiodeskription über eine kinogebundene technische Lösung zwar für wünschenswert. In der Praxis dürfte sich aber nur eine barrierefreie kinounabhängige Wiedergabemöglichkeit durchsetzen.
In die Förderbedingungen gemäß § 47 FFG ist daher aufzunehmen, dass der Zugang zu der barrierefreien Filmfassung über ein kostenfreies, allgemein zugängliches und barrierefreies Wiedergabesystem, wie eine kinounabhängige App, abzusichern ist.
Bei den weiteren, der Kinovorführung nachfolgenden Verwertungsstufen, wie u. a. Streamingdienste, muss die barrierefreie Fassung direkt über das jeweilige Wiedergabesystem zugänglich sein. Hier ist eine Lösung per App nicht ausreichend. Gerade mit Blick auf die zunehmende Verwertung von Filmen außerhalb von Kinos sind Regelungen hierzu erforderlich.
Leider müssen wir feststellen, dass die Audiodeskriptionsfassung bei der dem Kino nachfolgenden Verwertung nicht immer und vor allem nicht automatisch „mitgeliefert“ wird. Derartige Praktiken stellen eine Barriere dar und sabotieren das Ziel, ein zugängliches Filmerlebnis auch für Menschen mit Behinderungen sicherzustellen.
Die barrierefreie Fassung muss daher künftig auf allen Endkopien vorliegen, um sicherzustellen, dass sie in der gesamten Verwertungskette für blinde und sehbehinderte Endverbraucherinnen und Endverbraucher nutzbar wird. Es muss gelten: Zu jedem produzierten und der Verwertung zugänglich gemachten Filmpaket gehört die barrierefreie Filmfassung untrennbar dazu.