DBSV-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften

Mit Schreiben vom 26.01.23 hat das BMI die Verbände zur Abgabe einer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften (OZG-Änderungsgesetz – OZG-ÄndG) bis 09.02.23 gebeten.

Aus Sicht des DBSV muss das OZG-ÄndG gewährleisten, dass

  • die digitale Kommunikation mit öffentlichen Stellen und die Abwicklung von allen digitalen Verwaltungsleistungen barrierefrei erfolgt und dass
  • die Rechtsdurchsetzung der Barrierefreiheit klar und unmissverständlich geregelt ist.

Vor diesem Hintergrund sehen wir dringenden Nachbesserungsbedarf am vorgelegten Entwurf des OZG-ÄndG.

Die Barrierefreiheit muss bei allen OZG-Leistungen von Anbeginn in die Entwicklung eingeplant und umgesetzt werden, da eine nachträgliche Bearbeitung auf Barrierefreiheit meist viel aufwändiger, kostenintensiver und auch schwieriger umzusetzen ist. Dies setzt voraus, dass das OZG in Zusammenhang mit dem Behindertengleichstellungsgesetz und der zugehörigen Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) Klarheit über die Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen schafft.

Dazu gilt es unabdingbar, einen einheitlichen Standard für die digitale Barrierefreiheit aller OZG-Angebote und -Leistungen sicherzustellen. Insbesondere sollte verhindert werden, dass alle Verwaltungsleistungen über einen gemeinsamen Portalverbund zur Verfügung gestellt werden, die konkrete Ausgestaltung der Barrierefreiheit aber je nach Landesgesetz ausgelegt wird. Das würde ansonsten dem neu vorgesehenen § 1a Absatz 2 OZG widersprechen: „Bund und Länder sind verpflichtet, ihre Verwaltungsportale miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen, so dass Nutzer über alle Verwaltungsportale von Bund und Ländern einen barriere- und medienbruchfreien Zugang zu elektronischen Verwaltungsleistungen aller Verwaltungsträger erhalten.“ Diese Rechtsklarheit ist insbesondere mit Blick auf die sogenannten EfA-Leistungen zu schaffen. Sie müssen zwingend nach einem einheitlichen Stand an die digitale Barrierefreiheit umgesetzt werden, um unauflösbare Konflikte zwischen den unterschiedlichen bundes- und landesrechtlichen Vorgaben vorzubeugen.

Weiteren Klärungsbedarf sieht der DBSV hinsichtlich der Durchsetzungsmöglichkeiten eines barrierefreien Zugangs für die Bürgerinnen und Bürger. Das betrifft die Frage nach der Zuständigkeit der Überwachungs- und Durchsetzungsstellen sowie des Feedback- und Durchsetzungsmechanismus. Da Nutzerinnen und Nutzer von OZG-Leistungen ihre Rechte darüber durchsetzen können sollen, müssen die Zuständigkeiten und Prozesse einfach und einheitlich geregelt sein. Es ist nicht länger tragbar, dass staatliches Verwaltungshandeln digital werden soll, die einzuhaltenden Regelungen und Standardisierungen für die Barrierefreiheit aber föderalen Denkmustern folgen, die mit einer medienbruchfreien Kommunikation im digitalen Raum unvereinbar sind.

Vor diesem Hintergrund bedarf es nicht nur Änderungen am vorgelegten OZG-ÄndG. Vielmehr muss auch die geplante Novelle des Bundes Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) nun zügig erfolgen.

Die Anmerkungen im Einzelnen:

Zu § 3a OZG Einheitliches Beratungsangebot im Portalverbund

Als eine Maßnahme für eine einfache digitale Verfahrensabwicklung sieht der Gesetzentwurf sieht vor, Bürgerinnen und Bürgern einen einheitlichen Support bereitzustellen. Damit dadurch der Beratungsbedarf von Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderungen gleichermaßen gesichert ist, sollte die Beratung auch bei der barrierefreien Nutzung der verschiedenen IT-Komponenten unterstützen können und so zum Beispiel auch Fragen zur Tastaturnavigation, Schriftvergrößerung, Kontraständerung etc. beantworten.

Zu § 7 OZG Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit

Eine Neuerung im OZG betrifft die Einführung des Paragraphen „Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit“. Der Paragraph ist aus Sicht des DBSV bislang nicht ausreichend und nicht klar formuliert:

  • Absatz 1 bezieht die Nutzerfreundlichkeit auf die IT-Komponenten, während Absatz 2 die Barrierefreiheit auf elektronischen Verwaltungsleistungen bezieht. Diese Aufteilung ist nicht plausibel und einschränkend. Die Gebrauchstauglichkeit und die Barrierefreiheit müssen sowohl für alle IT-Komponenten wie Antragsassistenten, Nutzer- und Organisationskonten, Postfach und Datenschutzcockpit als auch für alle elektronischen Verwaltungsleistungen, einschließlich der elektronischen Dokumente und Formulare, gewährleistet sein. Beide Absätze sind entsprechend jeweils zu ergänzen.
  • Die einschränkende Formulierung „die dem übergreifenden informationstechnischen Zugang zum Portalverbund dienen“ ist sowohl in Absatz 1 als auch in Absatz 2 zu streichen.
  • In Absatz 2 Satz 2 sollte konkretisiert werden, dass die barrierefreie Gestaltung nach Maßgabe der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843) in der jeweils aktuellen Fassung erfolgt – analog zu neu § 16 EGovG.
  • In der Gesetzesbegründung sollte zu Nummer 9 auf einschlägige Standards bezüglich der Nutzerfreundlichkeit, insbesondere die Normenreihe DIN EN ISO 9241, sowie auf das Instrument der Usability Tests unter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen hingewiesen werden.

Ergänzung zu § 7 OZG Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit

Die Erfahrung zeigt, dass trotz gesetzlicher Vorgaben die digitale Barrierefreiheit nur unzureichend umgesetzt wird. Einschlägig stellt der erste Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission über die periodische Überwachung der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen dieses Umsetzungsdefizit dar. Daher sollten mit dem OZG Maßnahmen getroffen werden, die verhindern, dass das „bis dato größte Modernisierungsprojekt der Verwaltung“ im Nachgang aufwändig auf Barrierefreiheit angepasst werden muss.

Eine Maßnahme kann darin bestehen, dass der IT-Planungsrat die FITKO beauftragt, hinsichtlich der Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit von OZG-Leistungen in Bund, Ländern und Kommunen beratend und koordinierend tätig zu werden.

Desweiteren sollten alle finanziellen Mittel des Bundes zur Umsetzung dieses Gesetzes im Rahmen des Controllings sicherstellen, dass die Nutzerfreundlichkeit und die Barrierefreiheit erfolgreich umgesetzt wurden.

Zu § 9 OZG Bekanntgabe des Verwaltungsaktes

Nach dem Behindertengleichstellungsgesetz § 10 BGG können blinde und sehbehinderte Menschen zur Wahrnehmung der eigenen Rechte im Verwaltungsverfahren verlangen, dass ihnen Bescheide in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. In der Praxis ist es so, dass blinde und sehbehinderte Menschen diese Angabe wiederholt bei jeder öffentlichen Stelle, zum Teil bei jedem Bescheid machen müssen. In § 9 sollte geregelt werden, dass blinde und sehbehinderte Bürgerinnen und Bürger zentral im Nutzerkonto für alle OZG-Leistungen hinterlegen können, in welcher Form Bescheide nach § 10 BGG zugänglich gemacht werden sollen (Digital, Braille, Großdruck).

Zu § 9a OZG

Der Identitätsnachweis soll über das Bürgerkonto elektronisch nach § 18 Personalausweisgesetz, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes sowie nach § 78 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen. Bislang fehlt es in diesen Gesetzen an einer Regelung zur Barrierefreiheit des elektronischen Identitätsnachweises. Auch ist die AusweisApp2 bislang nicht vollständig barrierefrei nutzbar wie der entsprechenden Erklärung zur Barrierefreiheit zu entnehmen ist. Der barrierefreie Identitätsnachweis ist Voraussetzung für die Nutzung von OZG-Leistungen und muss gewährleistet werden.

Zu § 12 OZG

Die Novelle sieht eine Evaluierung des OZG und die Veröffentlichung der Ergebnisse vor. In der regelmäßigen Evaluierung ist die Barrierefreiheit und die Wirksamkeit der Durchsetzungsmechanismen einzubeziehen. Dies sollte ergänzend in § 12 klargestellt werden.

Zu § 9a EGovG und § 4 EGovG

Der Entwurf sieht in § 4 Absatz 1 EGovG vor, dass Behörden mindestens ein barrierefreies Zahlungsverfahren ermöglichen. Diese Ergänzung fehlt bislang für § 9a Absatz 5. Die Barrierefreiheit des Zahlungsverfahrens ist jedoch auch für Beschäftigte mit Behinderungen in Behörden wichtig. Daher sollte § 9a Absatz 5 analog zu § 4 Absatz 1 formuliert werden: „Teilnahme an mindestens einem im elektronischen Geschäftsverkehr üblichen barrierefreien und hinreichend sicheren Zahlungsverfahren“. Für beide Paragraphen sollte klargestellt werden, dass die Barrierefreiheit nach der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843) in der jeweils aktuellen Fassung sicherzustellen ist.

Änderung von § 15 BGG

Das Behindertengleichstellungsgesetz ermöglicht in § 15 BGG Verbänden von Menschen mit Behinderungen eine Feststellungsklage bezüglich der Herstellung von Barrierefreiheit bei Verstößen gegen Vorschriften des Bundesrechts. Die Vorgaben zur Barrierefreiheit nach dem OZG, dem EGovG und dem Personalausweisgesetz müssen in die Listung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 BGG aufgenommen werden, um den Rechtsschutz (Verbandsklage) abzusichern. Diese Änderungen sollten mit diesem Artikelgesetz OZG-ÄndG vorgenommen und nicht auf eine spätere Novellierung des BGG verschoben werden.