DBSV-Stellungnahme zum Eckpunktepapier für die Verordnung zur Finanzierung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB)

Der DBSV begrüßt die Verstetigung der Finanzierung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung ausdrücklich. Zu den Eckpunkten im Einzelnen:

zu 1 – Zweck und Inhalt

Laut der vorliegenden Eckpunkte soll es nur um die „Finanzielle Unterstützung“ für das EUTB-Beratungsangebot gehen. Sollte damit lediglich von einer Teilfinanzierung ausgegangen werden, so ist dies unzureichend. Notwendig ist die „Finanzierung“ des Angebots, gerade weil es sich um eine unabhängige Beratung handeln soll.

zu 2 – Antragsberechtigte

Zwingend sind aus Sicht des DBSV in der Rechtsverordnung für alle Antragsteller klare Vorgaben dazu zu machen, wie die Unabhängigkeit gewährleistet und nachgewiesen wird und wann ein Ausnahmetatbestand für Leistungserbringer vorliegt. Dies gilt ganz besonders vor dem Hintergrund, dass auch Körperschaften des öffentlichen Rechts (jenseits der Rehabilitationsträger) und juristische Personen privaten Rechts, die teilweise auch kommerzielle Interessen verfolgen, antragsberechtigt sein sollen.

zu 3 – Zuständigkeit und Antragsverfahren

Die vorgesehene Festsetzung eines Förderzeitraums von bis zu sieben Jahren wird ausdrücklich begrüßt. Damit erhalten die Beratungsstellen die notwendige Planungssicherheit, gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, einer zeitaufwendigen Personalentwicklung, der Beschaffung von barrierefreien Räumlichkeiten für die Beratung, der Qualitätssicherung und nicht zuletzt als Basis für den Aufbau verlässlicher Netzwerke.

zu 4 – Gegenstand des Zuschusses

  • Aufwendungen für Barrierefreiheit: Wir gehen davon aus, dass Aufwendungen für eine barrierefreie Infrastruktur, u. a. für die Gewährleistung geeigneter Informations- und Kommunikationsangebote, förderfähig sind, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der EUTB um ein Angebot für Menschen mit Behinderungen handelt. Diese Aufwendungen sollten im Sinne eines inklusiven Ansatzes nicht unter dem Begriff „Zuschläge für besondere Bedarfslagen“ normiert werden. Vielmehr sollten Aufwendungen für die Sicherstellung eines barrierefreien Beratungsangebots in der Rechtsverordnung explizit benannt werden.
  • Aufsuchende Beratung: Es ist zu gewährleisten, dass aufsuchende Beratung bedarfsgerecht angeboten werden kann. Das heißt, jeder der eine Beratung z. B. in seiner Häuslichkeit oder im Krankenhaus benötigt, muss sie vor Ort bekommen können. Deckelungen der Budgets für aufsuchende Beratungen sind inakzeptabel. Gerade in Flächenländern ist aufsuchende Beratung besonders notwendig, um die Menschen überhaupt niederschwellig zu erreichen. Hier bedarf es künftig besserer Regelungen, damit niemand vom Beratungsangebot der EUTB ausgeschlossen wird. In diesem Zusammenhang sind auch sinnvolle Abweichungen zur Antragstellung leichter zu ermöglichen, wenn der Bedarf und/oder die Möglichkeiten für mobile oder aufsuchende Beratung während des Förderzeitraums erst entstehen.
  • Einbeziehung Ehrenamtlicher: Die Einbeziehung ehrenamtlicher Peer-Beratender muss strukturierter und rechtssicherer geregelt werden als bisher. Ehrenamtliche übernehmen wichtige Funktionen im Netzwerk. Um eine qualitätsgesicherte Beratung zu gewährleisten, sind deshalb standardisierte Weiterbildungskonzepte und Angebote vorzusehen. Weiterhin ist zu gewährleisten, dass für ehrenamtlich tätige Beratende mit Behinderung im Bedarfsfall über die EUTB-Förderung auch Kosten einer notwendigen Assistenz oder von Hilfsmitteln getragen werden. Das ist wichtig, weil gerade über das Ehrenamt besonders häufig die gewünschte Peer-Beratung erfolgt. Schließlich bedarf es verbindlicher Regeln für die Ausreichung von Aufwandsentschädigungen.

zu 5 - Kriterien für die Gewährung des Zuschusses

  • Peer-Beratung stärken: Aus § 32 Abs. 3 SGB IX selbst ergibt sich zwar bereits, dass die Beratung von Menschen mit Behinderungen (Peer Beratung) besonders gefördert wird. Dieser wichtige Grundsatz muss aber auch in der Rechtsverordnung explizit hervorgehoben werden. Hintergrund dieser Forderung ist, dass bislang weniger Menschen mit Behinderungen in der EUTB hauptberuflich tätig sind als gewünscht. Hier bedarf es noch größerer Anstrengungen, um den Peer-Gedanken über das Ehrenamt hinaus in die Beratungspraxis zu transportieren.
  • Das Prinzip „Eine für alle“: der DBSV bekennt sich ausdrücklich zu dem Konzept „Eine Beratungsstelle für alle“. Der Bedarf an Beratungsstellen mit Schwerpunkten darf indes nicht unterschätzt werden. Schwerpunktberatung bedarf es sowohl für die Ratsuchenden, als auch für die Beratenden, die im Netzwerk auf Spezialkompetenzen zurückgreifen können müssen. Bei der Ausgestaltung der Förderung einer qualitätsgesicherten und vor allem bedarfsgerechten Beratung der Betroffenen ist damit in der Rechtsverordnung zu regeln, dass es auch überregionale Angebote in ausreichender Anzahl gibt, die zu Teilhabebedarfen aufgrund bestimmter Beeinträchtigungen beraten. Blinde und sehbehinderte sowie taubblinde Menschen sind eine vergleichsweise kleine Gruppe. Das notwendige Wissen um die Behinderung, die Beratung durch gleich Betroffene sowie die notwendige Vernetzung mit zielgruppenspezifischen Angeboten für Rehabilitations- und Teilhabeleistungen kann nicht jede Beratungsstelle vorhalten. Das zeigen auch die bislang mit den EUTB gesammelten Erfahrungen. In diesem Sinne sind für jedes Bundesland spezifische, überregional agierende Schwerpunktberatungsstellen vorzusehen.
  • Das Verständnis von Peer-Beratung definieren: Weiterhin ist sicherzustellen, dass das Verständnis von Peer Counseling den Bedürfnissen der Ratsuchenden entspricht. Zentral ist letztlich, dass Menschen mit Behinderungen zusätzlich zu ihrer fachlichen Eignung und auf Grundlage qualitätsgesicherter Konzepte ihren Erfahrungshintergrund einbringen, um Ratsuchende zu stärken und sie bei einer selbstbestimmten Entscheidungsfindung für ihre konkrete Lebenssituation zu unterstützen. Der DBSV geht dabei davon aus, dass ein solches Rollenvorbild zumindest im Falle blinder und sehbehinderter Menschen in der Regel nur bei ähnlicher individueller Beeinträchtigung (hier: des Sehvermögens) von Berater und Ratsuchendem entsteht. Wie aus einer Studie des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) hervorgeht, wünschen sich behinderte Menschen einen Berater, "der eine ähnliche Behinderung oder Erkrankung hat" (Wansing u. a., Evaluation von Peer Counseling im Rheinland). Dies ist besonders verständlich bei speziellen Teilhabeeinschränkungen sehbehinderter und blinder Menschen, zumal es für die Betreffenden oft schwierig ist, auf "Gleichgesinnte" zu treffen. Der DBSV fordert daher, dass das Verständnis von Peer-Counseling keine Engführung dahingehend erfährt, dass jeder Mensch mit Behinderung oder chronischer Erkrankung für jeden anderen Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung automatisch ein Peer ist.
  • Barrierefreiheit sicherstellen: Weiterhin muss bei der Förderauswahl und bei der Förderung selbst sichergestellt werden, dass alle geförderten Beratungsangebote barrierefrei zugänglich sind. Ratsuchende dürfen bei der Inanspruchnahme von Beratung weder auf physische, noch auf informationstechnische oder kommunikative Zugangshemmnisse stoßen. Dabei gilt es zu beachten, dass die Beratung auch zugänglich für Menschen sein muss, die (noch) keine Teilhabeleistungen wie z. B. Hilfsmittel oder adaptive Schulungsmaßnahmen erhalten haben.

zu 6 - Zuschussvolumen, Gewährung, Höhe

  • Förderauswahl: Die Förderauswahl soll unter Berücksichtigung der Stellungnahme des jeweiligen Bundeslandes erfolgen. Aus Sicht des DBSV müssen die Bundesländer vor Abgabe ihres Votums behinderte Menschen zwingend einbeziehen, denn sie sind letztlich auch diejenigen, die von der Beratung profitieren sollen. Ähnlich wie im Falle der unabhängigen Patientenberatung nach § 65b SGB V oder des Partizipationsfonds nach § 19 BGG könnte die Einbeziehung behinderter Menschen über einen hierzu einzurichtenden Beirat auf Landesebene umgesetzt werden.
  • Kein Eigenanteil: Begrüßt wird ausdrücklich, dass kein Nachweis für Eigenmittel erbracht werden muss. Dies stärkt die Unabhängigkeit der Beratungsstellen.
  • Höhe des Fördervolumens: Fragwürdig ist indes die Beschränkung des Fördervolumens auf maximal 95.000 € pro Vollzeitäquivalent. Lohnkosten- und Mietsteigerungen sowie der Anstieg der Kosten für Sachmittel über einen Förderzeitraum von sieben Jahren dürften zu Lasten anderer Aufwendungspositionen gehen oder es müssen zusätzliche, unter Umständen die Unabhängigkeit gefährdende Fördermittel akquiriert werden. Das darf nicht passieren. Vielmehr muss eine auskömmliche Förderung über den gesamten Förderzeitraum hinweg gewährleistet werden.

zu 7 - Laufzeit, Vorbehalt

Wir gehen davon aus, dass mit der Formulierung „Beschränkung auf maximal sieben Jahre“ nur die jeweilige maximale Förderperiode gemeint ist. In der Folge müssen sich die Betreiber einer EUTB nach dem maximalen Förderzeitraum erneut auf eine Förderung bewerben können. Sollte dem nicht so sein, wird diese Regelung strikt abgelehnt.

Sonstiges

  • Mit Blick auf die gesammelten negativen Erfahrungen ist künftig über die Vergabemodalitäten abzusichern, dass die zur Abwicklung beauftragten Dienstleister eine barrierefreie Kommunikation mit den Beratungsstellen gewährleisten. Das betrifft die Antragsverfahren, die eingesetzten Datenbanken oder die Abrechnungsmodalitäten ebenso wie zum Einsatz kommende Instrumente zur Dokumentation von Beratungen. Die Maßgaben nach § 12a und § 12b BGG sowie die einschlägige BITV 2.0 müssen dabei zur Anwendung kommen.
  • Weiterhin muss die Weiterbildung für Teilhabeberatende sichergestellt werden und zwar auch zu rechtlichen Themen. Natürlich darf die EUTB keine Rechtsberatung anbieten. Ohne Kenntnisse sozialrechtlicher Regelungen ist eine Beratung der EUTB mit dem Ziel, Ratsuchenden ein selbstbestimmtes Verhandeln auf Augenhöhe zu ermöglichen, schlicht unmöglich.
  • Schließlich ist abzusichern, dass die Beratungsstellen künftig einen vollständigen Zugriff auf die von Ihnen erhobenen und an den Dienstleister übermittelten statistischen Daten über erfolgte Beratungen erhalten. Jede Beratungsstelle braucht verlässliche und ausreichende Daten über die bei ihr erfolgte Inanspruchnahme der Beratungsleistungen. Nur so lässt sich ein zielgruppengerechtes, qualitätsgesichertes Angebot dauerhaft realisieren.