DBSV-Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz)

Der DBSV begrüßt die Gesetzesinitiative ausdrücklich. Das Hauptziel des Gesetzes, die finanzielle Entlastung Angehöriger, ist ein wichtiges Signal, denn Angehörige leisten mit ihrem Engagement bereits einen wesentlichen Beitrag, indem sie häufig die Sozialleistungen für Familienangehörige mit Behinderungen koordinieren und sich selbst in die alltäglich notwendige Unterstützung – oft über viele Jahre – einbringen. Daher ist die finanzielle Entlastung im Bereich der Kostenheranziehung absolut zu rechtfertigen.

Die Gesetzesinitiative ist aus Sicht des DBSV aber auch aus weiteren Gründen zum jetzigen Zeitpunkt dringend notwendig.

Entfristung der EUTB

Der DBSV begrüßt ausdrücklich, dass die Förderung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) nach § 32 SGB IX entfristet werden soll. Viele Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen haben aufgrund der Systemumstellung in der Eingliederungshilfe zum Jahr 2020 zahlreiche Fragen und Ängste hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung der notwendigen Teilhabeleistungen. Es herrscht insgesamt eine große Unsicherheit auch bei den Rehabilitationsträgern. Die Beratung durch die EUTB ist vor diesem Hintergrund eine absolut notwendige Unterstützung. Es ist daher wichtig, dass sich das Beraternetzwerk dauerhaft etablieren und den Menschen als verlässlicher Ansprechpartner dienen kann. Hierfür jetzt die Weichen zu stellen, ist daher unbedingt notwendig.

Die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Fördergrundsätze ist aus Sicht des DBSV allerdings wie folgt zu modifizieren:

  • Gute Beratung braucht ein gutes Netzwerk. Um ein solches auf- und ausbauen zu können, benötigen die Beratungsstellen eine längerfristige Planungs- und Finanzierungsgrundlage. Analog der Förderung der unabhängigen Patientenberatung im Sinne von § 65b SGB V sollte die Förderung der EUTB-Beratungsstellen künftig über einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren erfolgen. Das ist ein wichtiges Signal an die Beratungsstellen, gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, einer zeitaufwendigen Personalentwicklung, der Beschaffung von barrierefreien Räumlichkeiten für die Beratung und der Qualitätssicherung.
  • Um der allgemeinen Preisentwicklung Rechnung zu tragen, ist es notwendig, die Fördermittel zu dynamisieren. Vorbild könnte auch insoweit § 65b SGB V sein.
  • In § 32 Abs. 7 SGB IX_E ist nach dem Satz 2 („Es kann diese Aufgaben Dritten übertragen.“) ein Satzteil einzufügen, der absichert, dass die beauftragten Dienstleister eine barrierefreie Umsetzung gewährleisten müssen. Hintergrund dieser Forderung ist, dass die Abwicklung mit dem aktuell vom BMAS beauftragten Dienstleister für die EUTB bislang nicht barrierefrei erfolgt. Das ist umso unverständlicher, als die Beratung durch behinderte Menschen besonders gefördert werden soll. Gerade behinderte Menschen sind zwingend darauf angewiesen, dass sowohl die digitalen administrativen Systeme als auch die Verfahren barrierefrei ausgestaltet sind. Die bestehenden Mängel sind zu beheben.
  • § 32 SGB IX_E ist um eine Regelung zu ergänzen, dass die geförderten Beratungsangebote barrierefrei zugänglich sind. Ratsuchende dürfen bei der Inanspruchnahme von Beratung weder auf physische, noch auf informationstechnische oder kommunikative Zugangshemmnisse stoßen. Die mit der Sicherstellung barrierefreier Angebote entstehenden Aufwendungen (u. a. erhöhter Mietzins, erhöhte Kosten für barrierefreie Informationszugänge) sind anzuerkennen und zu finanzieren.
  • Bei der Ausgestaltung der Förderung einer qualitätsgesicherten und vor allem bedarfsgerechten Beratung der Betroffenen ist sicherzustellen, dass es für kleine, spezifische Behinderungsgruppen auch überregionale Angebote in ausreichender Anzahl gibt. Blinde und sehbehinderte sowie taubblinde Menschen sind eine vergleichsweise kleine Behinderungsgruppe. Das notwendige Wissen um die Behinderung, die Beratung durch gleich Betroffene sowie die notwendige Vernetzung mit zielgruppenspezifischen Angeboten für Rehabilitations- und Teilhabeleistungen kann nicht jede Beratungsstelle vorhalten. Das zeigen auch die bislang mit den EUTB gesammelten Erfahrungen. In diesem Sinne sind für jedes Bundesland blindenspezifische Schwerpunktberatungsstellen vorzusehen.
  • In § 32 Abs. 7 S. 3 SGB IX_E ist vorgesehen, dass das BMAS die Entscheidung über die zu fördernden Angebote im Benehmen mit den obersten Landesbehörden trifft. Aus Sicht des DBSV sollte vor einer Entscheidung durch das BMAS auch die Expertise von Menschen mit Behinderungen zwingend einbezogen werden. Ähnlich wie im Falle der unabhängigen Patientenberatung nach § 65b SGB V oder des Partizipationsfonds nach § 19 BGG könnte die Einbeziehung behinderter Menschen sowie des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen über einen hierzu einzurichtenden Beirat erfolgen.

Arbeitsassistenz

Der DBSV begrüßt die vorgesehene Klarstellung in § 185 Abs. 5 SGB IX_E, dass Arbeitsassistenz bei einem entsprechenden Bedarf des Antragstellers vollständig zu leisten ist und dem Integrationsamt insoweit kein Ermessen zukommt, nachdrücklich. Das ist keine Ausweitung der bisher schon bestehenden Ansprüche, mit Blick auf die praktischen Erfahrungen aber absolut zwingend. Leider ist zu verzeichnen, dass einige Integrationsämter zwar den Bedarf an zu leistenden Assistenzstunden erheben, bei der Festsetzung der Leistungen die mit der Beschäftigung von Assistenz einhergehenden Kosten aber nicht oder nicht vollständig anerkennen. Konkret werden etwa Urlaubstage oder die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einfach herausgerechnet. Es werden also nur die tatsächlich geleisteten Stunden anerkannt und vergütet. Mit diesen Mitteln lässt sich eine Finanzierung der Assistenzkräfte unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Arbeitgeberpflichten (leistungsgerechte Vergütung bzw. mindestens Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Sicherstellung von Urlaubsansprüchen der Assistenzkräfte) nicht gewährleisten. Um weitere (zwar erfolgreiche aber für die Betroffenen sehr belastende) Gerichtsverfahren zu vermeiden, bedarf es der vorgesehenen gesetzlichen Klarstellung also unbedingt.

Finanzielle Entlastung behinderter Menschen

Eine Entlastung der Angehörigen von Menschen mit Behinderungen sollte gleichzeitig verbunden sein mit einem weiteren Fortschritt bei der Entlastung behinderter Menschen. Ein Signal könnte etwa im Bildungsbereich gesetzt werden, indem alle Leistungen nach § 112 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX_BTHG (gültig ab 2020) unabhängig von Einkommen und Vermögen erbracht werden. Folgende Gründe sprechen dafür:

  • Leistungen nach § 112 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX_BTHG nehmen vergleichsweise wenige Menschen in Anspruch. Die Kostenfolgen sind gering.
  • Die Ausgestaltung der Einkommensgrenzen für Leistungen der Eingliederungshilfe dürfte ab 2020 dazu führen, dass Studierende oder Auszubildende an einer Berufsfachschule in aller Regel keinen Eigenbeitrag aus dem Einkommen mehr zu leisten haben. Eine Einkommensprüfung ist formal aber vorgesehen und verursacht einen hohen Verwaltungsaufwand und damit finanzielle Belastungen der Verwaltung.

Auf eine Heranziehung des Vermögens sollte in diesen Fällen ebenfalls verzichtet werden. Der Gesetzgeber hat schon seit Jahren die Hilfen für schulische Berufsausbildungen vom Einsatz vorhandenen Einkommens und Vermögens freigestellt, allerdings nur dann, wenn die Unterstützung in Spezialeinrichtungen für behinderte Menschen erbracht wird. Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Deutschland dazu verpflichtet, sein Bildungssystem inklusiv auszugestalten. Spezialeinrichtungen sind weiterhin nötig und es ist richtig, gerade die Teilhabe an Bildung durch den weitgehenden Verzicht auf die vorrangige Berücksichtigung vorhandenen Einkommens und Vermögens bei der Erbringung von Fachleistungen der Eingliederungshilfe zu fördern. Diese Privilegierung jedoch nur auf spezielle Behinderteneinrichtungen zu beschränken, ist nicht mehr zeitgemäß. Unabhängig vom Bildungsort müssen behinderungsbedingt notwendige Leistungen für Ausbildungen im Sinne von § 112 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX_BTHG unabhängig von vorhandenem Einkommen und/oder Vermögen geleistet werden. § 138 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX_BTHG sollte daher wie folgt gefasst werden: „5. Leistungen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf nach § 112 Abs. 1 Nr. 2".