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Informationen rund um das Thema Blindenführhund

Unter folgendem Link finden Sie unsere Broschüren "Der Blindenführhund – Assistenz auf vier Pfoten" und "Der Blindenführhund als Mobilitätshilfe für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen" sowie unser Informationsmaterial rund um die Themen Blindheit, Sehbehinderung und Augenerkrankungen: http://www.dbsv.org/broschueren.html

Der Arbeitskreis der Führhundhalter beim DBSV hat in Kooperation mit dem Arbeitskreis 2 (für Kleintiere) der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz folgendes Merkblatt erstellt:

Der Blindenführhund -
Eine Entscheidungshilfe für blinde und sehbehinderte Menschen

Merkblatt Nr. 134
TVT - Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.

Erarbeitet vom Arbeitskreis 2 (für Kleintiere)
Verantwortliche Bearbeiterin: Dr. Heidi Bernauer-Münz

 
Inhaltsverzeichnis

1. Das Bedürfnis des Hundes nach Bewegung

2. Bedürfnis des Hundes nach Kontakten mit Menschen und Artgenossen

3. Bedürfnis nach Futter, Wasser, Liegeplatz und Pflege

4. Arbeitszeiten eines Hundes

5. Wohin mit dem Hund bei bestimmten Anlässen?

6. Passen Hund und Mensch zusammen?

7. Ausbildung des Hundes

8. Notwendige Voraussetzungen für einen Führhundhalter


Das Nachlassen der Sehkraft ist zwar eine normale Alterserscheinung, kann aber durch unterschiedliche Erkrankungen alle Altersgruppen treffen. Einige Menschen werden mit Sehbehinderungen oder totaler Blindheit geboren. Menschen mit zunehmenden Sehproblemen bis hin zur Erblindung müssen lernen, mit ihrer Behinderung umzugehen und damit zu leben. Sie müssen ihre verbliebenen Sinne schärfen, sich von sehenden Menschen helfen lassen, einen Langstock oder elektronische Hilfen benutzen, um sich außerhalb ihrer Wohnung bewegen zu können. Die Krankenkassen übernehmen neben dem Langstocktraining auch die Kosten für einen Blindenführhund, der den Alltag erleichtern und zur Erweiterung der Selbstständigkeit verhelfen soll.

Dieses Merkblatt soll helfen eine Abwägung vorzunehmen, ob ein Führhund wirklich der geeignete Partner ist, der das Leben erleichtert, oder doch nur eine zusätzliche Belastung. Es ist für Hund und Mensch wichtig die richtige Entscheidung zu treffen. Voraussetzung dafür sind genaue Kenntnisse über die Bedürfnisse des Hundes. Nur dann kann eine bewusste und zukunftstaugliche Entscheidung getroffen werden- im Interesse des Menschen, aber auch des Hundes, denn ein Hund ist nicht nur ein Hilfsmittel, er ist ein Lebewesen mit all seinen tierischen Bedürfnissen, der zu seinem Menschen passen muss und umgekehrt.

Ein Blindenführhund hat dieselben Ansprüche an artgerechte Haltung wie jeder andere Hund auch; er braucht die gleiche Zuwendung und die gleiche Pflege.

1. Das Bedürfnis des Hundes nach Bewegung

Ein ausgebildeter Führhund ist üblicherweise mit seinem blinden Menschen  jeden Tag unterwegs. Dabei geht er im Tempo des Menschen, bleibt an Ampeln, an Straßen oder beim Kontakt mit Mitmenschen auch mal stehen. Mit der Bewegungslust und den Bewegungsbedürfnissen des gesunden Hundes hat das nichts zu tun. Es muss daher sicher gestellt sein, dass der Hund frei rennen kann, am Besten mit Artgenossen und natürlich mehrmals die Woche. Eine solche Gelegenheit und auch die notwendige Zeit dafür muss sichergestellt sein- vor der Anschaffung des Hundes.

2. Bedürfnis des Hundes nach Kontakten mit Menschen und Artgenossen

Wölfe sind die Urform unserer Hunde. Sie leben im Rudel und auch ihre Nachkommen, unsere Haushunde, lieben Gesellschaft. Im Gegensatz zum Wolf schätzen Hunde Menschen normalerweise sehr, nicht nur ihre Familienmitglieder, sondern alle Menschen. Voraussetzung dafür ist, dass sie als Welpe mit vielen Menschen unterschiedlichen Alters in Kontakt kamen, also gut sozialisiert sind.

Zu einer guten Sozialisierung des Welpen von der 4. bis etwa zur 12. Lebenswoche gehören aber auch alle Umwelteinflüsse, damit der Hund möglichst Vieles kennen lernt und dadurch ohne Angst und Stress mit unterschiedlichen Umweltmustern umgehen kann. Das ist eine wichtige Voraussetzung für einen guten Führhund.

Kontakte mit Passanten kann und wird es durchaus während der Führarbeit des Hundes geben, diese sollten während der Dienstzeit des Hundes immer nur eingeschränkt erfolgen. Der Hund muss im Führgeschirr bei seiner Arbeit bleiben und möglichst nicht durch Streicheln, Ansprechen, Locken, Erschrecken oder Füttern durch einen Menschen davon abgelenkt werden.  Das Gleiche gilt für Kontakte mit angeleinten oder nicht angeleinten Artgenossen. Verantwortungsvolle Hundehalter rufen ihren Hund rechtzeitig zurück, damit der Blindenführhund weder abgelenkt noch verunsichert wird.

Da nicht alle Menschen wissen, wie sie sich richtig verhalten sollen, kann und muss das richtige Verhalten auch mal eingefordert werden.

Ausgelassenes Rennen, Spielen und Toben mit anderen Hunden zur Sozialpflege muss regelmäßig möglich sein und daher auch organisiert werden. Auch freie Kontakte mit anderen Menschen sind notwendig. Ein arbeitender Hund braucht eine entspannende und erfreuliche Freizeit- genau wie wir.

3. Bedürfnis nach Futter, Wasser, Liegeplatz und Pflege

Auch wenn gerade diese Grundbedürfnisse trivial erscheinen, so sollte auch dieser Punkt vor der Übernahme des Hundes bedacht werden. Es muss geklärt sein, wo und wann der Hund gefüttert wird, mit welchem Futter und wo und wie es besorgt wird. Das Futter muss für den Hund unzugänglich gelagert werden können. Leckerchen als Belohnung sollten in die Tagesration eingeplant werden. Diese Punkte werden im Rahmen des Einweisungslehrganges vom Trainer des Hundes erklärt und gezeigt.

Ein geschützter Platz muss ausgesucht und dem Hund überlassen werden, damit er die Möglichkeit hat sich zurückzuziehen, wenn er müde ist und Ruhe braucht. Das gilt ganz besonders, wenn der Hund mit an den Arbeitsplatz des Führhundhalters mitgenommen wird. In jedem Fall sollte vor der Anschaffung des Hundes auch das Einverständnis des Arbeitgebers und ggf. auch das Einverständnis der Kolleginnen und Kollegen eingeholt werden. Außerdem muss vorher geklärt werden, wo der Hund Kot und Urin absetzen kann.

Auch hier ist die enge Zusammenarbeit mit dem Hundetrainer erforderlich: Er kennt den Hund und seine individuellen Vorlieben am Besten (hartes oder weiches Lager; Matratze, Korb oder Decke; mit Dach oder ohne; etc).

Die tägliche Pflege des Hundes ist einzuplanen. Augen, Ohren, Krallen und Fell müssen regelmäßig überprüft werden. Nur so kann man kleine Verletzungen, Erkrankungen oder Zeckenbefall bemerken. Das Fell braucht Pflege und die Pfoten müssen zumindest nach einem Spaziergang im Regen abgewischt werden. Ein regelmäßiger, mindestens jährlicher Tierarztbesuch ist einzuplanen und auch die Pflege und Versorgung des Hundes bei einer Erkrankung (von Hund und Halter) muss sichergestellt sein. Für Tierarztkosten im Falle einer Erkrankung kommt übrigens der Eigentümer des Hundes (meistens die Krankenkasse) auf.  Für Routineuntersuchungen, Prophylaxeleistungen, Verbrauchsartikel und Futter erhalten alle Führhundhalter eine monatliche sogenannte „Futtergeldpauschale“.

4. Arbeitszeiten eines Hundes

Ein Hund im Führgeschirr arbeitet. Er ist darauf konzentriert, seine Umwelt wahrzunehmen und auf Punkte zu achten, die für seinen Menschen gefährlich  werden können. Das hat er so gelernt. Wie angestrengt er dabei ist, hängt vom allgemeinen Charakter des Hundes und seiner momentanen körperlichen und geistigen Verfassung ab. Aber auch ein freudig arbeitender Hund braucht Pausen und Ausgleich. Das darf niemals vergessen werden.

Stress erkennt man beim Hund an seinen Verhaltensweisen: er gähnt, leckt sich über die Nase, seine Muskulatur ist angespannt. Er bleibt stehen und will nicht weiter. Wenn der normalerweise zuverlässige Hund kleine Fehler macht, wird es allerhöchste Zeit für eine Pause. So weit sollte es aber gar nicht erst kommen. Die Bedürfnisse des Hundes müssen respektiert werden.

Die Zeitdauer, die ein Hund konzentriert mit seiner Arbeit verbringen kann, ist unterschiedlich. Zur Abschätzung dieser Zeitspanne muss der Hundeführer seinen Hund genau kennen. Die Zeit des Einweisungslehrganges ist dafür vorgesehen, den Hund und seine Eigenheiten kennen und schätzen zu lernen.

5. Wohin mit dem Hund bei bestimmten Anlässen?

Normalerweise begleitet ein Führhund seinen Menschen überall hin. Trotzdem muss auch eingeplant werden, wo der Hund in Notfällen untergebracht werden kann. Ein Fest, bei dem kein Hund mitgebracht werden darf, oder ein kurzer Krankenhausaufenthalt, kann zum Problem werden. Es ist viel besser schon vor Anschaffung eines Hundes zu klären, wer im Zweifelsfall zur Betreuung des Hundes einspringen kann. Auch eine gute Hundepension kann in Frage kommen und sogar eine Art Urlaub für den Hund sein. Es empfiehlt sich, einen Besuch abzustatten und das richtige Angebot auszuwählen. Gute hygienische Verhältnisse, Unterbringung in geeigneten Gruppen oder Paaren, täglich genügend Bewegung und Spielmöglichkeiten, sind Kriterien bei der Überprüfung einer Hundepension. Auch Sonderwünsche (z.B. bei Futter oder Auslauf) sollten berücksichtigt werden können.

6. Passen Hund und Mensch zusammen?

Der Hund ist ein Lebewesen, ein Individuum mit eigenen Interessen und Bedürfnissen. Diese müssen mit den Interessen und Bedürfnissen seines zukünftigen Besitzers in Einklang gebracht werden. Sind die Temperamente der Partner zu unterschiedlich, ist eine gute Zusammenarbeit schwierig. Hund und Mensch müssen ein gutes Team bilden, nur dann kann der Hund optimale und zuverlässige Führleistungen zeigen. Die Mobilität mit Führhund ist immer nur das Ergebnis eines harmonischen Zusammenspiels zwischen Hund und Halter.

Eine gute Beratung über Rasse und individuelle Charaktereigenschaften des Hundes und der Art seiner Ausbildung sind daher sehr wesentlich.

Wichtig sind folgende Kriterien:

a)   Gute Sozialisierung des Hundes gegenüber Menschen, Artgenossen und anderen Tierarten, möglichst angepasst an die zukünftige Umwelt.

b)   Ruhige, gelassene und freundliche Art des Hundes, lernfreudig und gesund.

c)   Die Ausbildung sollte dem Hund wenig Stress bereitet haben, denn freudig geleistete Arbeit ist bessere Arbeit.

d)   Die Ausbildungsart muss dem Hundehalter liegen und verständlich erklärt werden, da die Ausbildung des Hundes nie beendet ist und bereits Gelerntes ständig geübt und erweitert werden muss.
7. Ausbildung des Hundes

Eine wichtige Voraussetzung für einen guten Führhund ist eine optimale Sozialisierung, andere wichtige Kriterien kommen jedoch hinzu. Hunde, die in die Ausbildung zum Führhund aufgenommen werden sollen, durchlaufen deshalb Eignungstests. Dabei wird die Eignung hinsichtlich des Verhaltens und die gesundheitliche Eignung durch einen Tierarzt überprüft. So soll sichergestellt werden, dass nur gesunde und ausgeglichene, kurzum geeignete Hunde, zum Führhund ausgebildet werden.

Im Optimalfall ist der zukünftige Hundehalter bereits in der Ausbildung des Hundes involviert, hat zumindest die Möglichkeit zu regelmäßigem Kontakt zu seinem zukünftigen Führhund.

Eine langfristige regelmäßige Betreuung des Mensch-Hund-Teams durch einen qualifizierten Ausbilder sollte auch nach der Abgabe des Hundes an den Halter noch gegeben sein und sich nicht nur auf einen Einweisungslehrgang beschränken.

Ein wichtiger Punkt ist aber auch die Art der Ausbildung. Sie ist entscheidend dafür, ob der Hund generell seinen Job gerne und freudig ausfüllt, oder ob er sich sofort angespannt zeigt, sobald das Führgeschirr übergezogen wird.

Wurde der Hund mit Druck ausgebildet, empfindet er das Führen als starke Belastung. Manchmal konnte er erfahrene Strafen nicht zuordnen und verband sie mit seiner Arbeit. Die Folge davon: er wird starr beim Überziehen des Führgeschirrs und zeigt Stresssymptome. Es ist einleuchtend, dass ein solcher Hund nicht ausdauernd und wahrscheinlich auch nicht besonders gut arbeiten kann.

8. Notwendige Voraussetzungen für einen Führhundhalter

- Blind oder hochgradig sehbehindert, damit Anspruch auf einen Führhund besteht.
- Gute Orientierungsfähigkeit: Der Hund ist kein „Leitsystem“. Er braucht passende Anleitung, um seine Fähigkeiten entfalten zu können. Die Verantwortung und Entscheidung liegt immer beim Halter. Ein Beispiel: der Hund erkennt nicht, ob eine Ampel rot oder grün ist. Der Hund zeigt nur den Ampelmast oder die Bordsteinkante an und der Mensch entscheidet und verantwortet, wann der passende Zeitpunkt zum Überqueren gekommen ist.
- Gute Grundmobilität und Kondition: Der Hund braucht Bewegung und Abwechslung. Ein zwei jähriger Hund, auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Leistungsfähigkeit, will „bespaßt“ werden. Immer den selben Weg zu gehen langweilt die Hunde entsetzlich!
- Zeit und Bereitschaft, dem Hund die notwendige Freizeit/Freilauf zu ermöglichen. Es ist wichtig, diesen Bestandteil des Hundelebens gemeinsam zu verbringen, da gemeinsam verbrachter Alltag die Bindung stärkt. Das Pflegen, Füttern und Gassi gehen mit dem Hund darf nicht den sehenden Angehörigen oder einer Assistenz überlassen werden.
- Leidensbereitschaft: Ein Führhund lässt sich nicht wie ein Langstock zusammenschieben und in die Ecke stellen. Führhundhalter müssen, wie alle anderen Hundehalter auch, für ihn mitdenken. Beim Reisen eine Decke, Futter etc. mitschleppen, an fremden Orten fragen und herausfinden, wo für den Hund Freilauf- und Lösemöglichkeiten sind und beim Taxi fahren ansagen, dass ein Führhund mitfährt. Ein Führhund ist zwar ein geniales Hilfsmittel, gleichzeitig aber auch ein enormer Zeitaufwand!

Alle angesprochenen Punkte müssen überdacht und abgeklärt werden, bevor ein vierbeiniger Lebensgefährte ins Haus kommt. Nicht die Arbeitsleistung, sondern das Tier steht im Vordergrund.

Erst wenn eine definitiv positive Entscheidung getroffen wurde, können weitere Informationen wie Adressen von Ausbildungsstätten, eine Verordnung vom Augenarzt, Kostenübernahme durch die Krankenkassen oder rechtliche Bedingungen eingeholt werden.

Für Beratung und Fragen gibt es zahlreiche Angebote aus der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe, wie z.B. die Führhundhaltergruppen oder Sozialrechtsberatungen in den Landesverbänden des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands (DBSV e.V.).
Links:

www.dbsv.org

www.erstfuehrhundhalter.de

www.tierschutz-tvt.de

Wir danken dem Arbeitskreis der Führhundhalter beim Deutschen Blinden- und
Sehbehindertenverband e.V. (DBSV), der intensiv am Merkblatt mitgearbeitet hat, insbesondere Frau Sabine Häcker, der Projektleiterin Blindenführhunde des Vereines.

Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. TVT, 2011,
TVT- Bramscher Allee 5, 49565 Bramsche.

http://www.tierschutz-tvt.de

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