Mein Braille: Birgit Below

Inzwischen traue ich mich auch an Romane.

Ein Beitrag von Birgit Below (64), Bezirksgruppenleiterin Lübeck im Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein. Sie erblindete im Alter  von 38 Jahren an einer Netzhautablösung. Vor zwei Jahren besuchte sie den fünfwöchigen Punktschriftkurs des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Mecklenburg-Vorpommern in Boltenhagen.

Wie konnte ich nur denken, dass ich mit 62 Jahren noch die Kurzschrift erlernen könnte? Der erste Kurs war ja leicht. Die Vollschrift hatte ich mir vorher bereits selbst beigebracht und genoss die Wiederholung im Kreise netter Mitschüler. Der zweite Kurs erforderte schon viel mehr Konzentration. Aber nun der dritte Kurs – da prasselt es nur so auf uns ein: zweiformige Kürzungen, Komma-Kürzungen, Vor- und Nachsilben. Ich behalte nichts mehr und habe quälende Kopfweh. Ob ich die Kursreihe abbreche?

Sechs Monate später:

In der langen Sommerpause habe ich fleißig gelernt. Für meinen Mann hatte ich eine Liste der Kürzungen in Schwarzschrift getippt und er hat mich abgefragt – auf der Terrasse, während langer Bahnfahrten, in Wartezimmern. Nun lernen wir im vierten und fünften Kurs die praktische Anwendung und das macht wieder sehr viel Spaß.

Zwei Jahre später im Herbst 2008:

Ich bin in Übung geblieben und traue mich inzwischen auch an Romane, allerdings leichte, unterhaltsame. Ich pflege zwei Brieffreundschaften und schreibe auch sonst mal an Leute, die die Punktschrift beherrschen, anstatt zu telefonieren. Ich notiere mir die Tagesordnung, wenn ich eine Versammlung zu leiten habe. Vor einem Arztbesuch mache ich mir Notizen, damit sich mein Mann und der Arzt nicht über meinen Kopf hinweg unterhalten. Und immer wieder bin ich begeistert, wenn ich ein langes Wort auf drei oder vier Zeichen kürzen kann.