Mein Braille: Keyvan Dahesch

Was wäre ich ohne die sechs Punkte?

Ein Beitrag von Keyvan Dahesch (67). Er kam in Teheran blind zur Welt. Er arbeitet als freier Journalist für die Deutsche Presseagentur, überregionale Zeitungen und den Rundfunk.

Selbst alles zu lesen, war schon immer mein Traum. Denn meine Eltern und Geschwister hatten selten Zeit, mir etwas vorzulesen. In der Hoffnung, dass mir deutsche Ärzte helfen könnten, brachte mich mein Vater mit 16 Jahren in die Bundesrepublik. Kurz zuvor hatte ich in der damals einzigen Blindenschule der Christoffel-Blindenmission in der iranischen Stadt Isfahan die Bekanntschaft mit der deutschen Sprache und den sechs Punkten gemacht.

Aus der Heilung wurde zwar nichts, aber ich blieb trotzdem und besuchte die Blindenschule „Nikolauspflege“ in Stuttgart. Ohne die sechs Punkte hätte ich nicht so gut Deutsch gelernt. Bei der Massageausbildung hätte ich keine Notizen machen und mein Examen nicht mit der Note „Gut“ bestehen, später nicht die Voraussetzungen für das Studium erfüllen und dieses nicht mit gutem Ergebnis bestehen, die Ausbildung zur Beamtenlaufbahn des gehobenen Dienstes nicht mit der Note „Sehr gut“ abschließen, mir die journalistische Fähigkeit nicht aneignen und erfolgreich entfalten können.

Ja, ohne die sechs Punkte hätte ich nicht meine heutige berufliche und gesellschaftliche Position erreicht, die niemand, am wenigsten ich selbst, vorauszusagen gewagt hätte.