Blindenfußball: So funktioniert es
Blindenfußball (Futsal) wird international vom Internationalen Blindensportverband (IBSA) organisiert. In Deutschland veröffentlicht die Deutsche Blindenfußball-Bundesliga (DBFL) ein Blindenfußball-Regelwerk in deutscher Sprache (PDF-Format, 530 Kilobyte) sowie ein Trainerhandbuch (PDF-Format, 1 Megabyte).
Hier haben wir für Sie die wichtigsten Regeln für einen Ersteindruck zusammengefasst:
Wann gibt es Abseits?
Beim Blindenfußball gibt es das nicht. Hier aber trotzdem einiges zu den Spielregeln, damit man auch als Zuschauer dem Spiel besser folgen kann. Dies ist nur eine vereinfachte Übersicht.
Wer darf mitspielen
Beim Behindertensport sind Sportler mit Seheinschränkung in folgende Startklassen eingeteilt:
- B1: blind = maximal hell-dunkel-Wahrnehmung
- B2: stark sehbehindert = maximal ca. 2 % Sehschärfe
- B3: sehbehindert = maximal ca. 10 % Sehschärfe
Wer besser sehen kann, kann im Behindertensport nicht starten.
Blindenfußball ist international für B1-Spieler gedacht. In Deutschland bei der DBFL sind aber auch B2 und B3-Sportler als Feldspieler zugelassen. Die Feldspieler müssen Eyepads (Augenpflaster) und Augenbinden tragen. Für die DBFL ist vorgeschrieben, dass alle Feldspieler einen Kopfschutz, z. B. ein gepolstertes Stirnband, tragen müssen. Die Torwarte können sehbehindert oder sehend sein.
Zu einem Spiel dürfen 8 Feldspieler, 2 Torwarte und 2 Rufer nominiert. Aus diesen darf beliebig oft ausgewechselt werden.
Zeit
Ein Spiel dauer zwei mal 25 Minuten und hat 10 Minuten Halbzeitpause. Die Zeit wird häufiger angehalten, z. B. bei Auswechselungen und bei Team- oder Schiedsrichterauszeiten. Jede Mannschaft kann pro Halbzeit eine einminütige Auszeit nehmen. Dadurch kann ein Spiel auch schon 90 Minuten dauern.
Rufen
Das berühmte „voy“ muss ein Spieler rufen, wenn er sich dem Ball nähert, vor allem, wenn er den ballführenden Spieler angreift, ab einer Entfernung von ca. 3 m. Ruft er zu spät oder zu leise, dass es der Schiedsrichter nicht hört, ist das ein Foul. Die Spieler dürfen sich auch sonst durch Zurufe verständigen. Von den sehenden Rufern - Torwart, Trainer und Rufer - darf nur der rufen, in dessen Drittel sich der Ball befindet.
Zu lautes Rufen oder absichtliche Störung oder Irreführung kann als Foul bestraft werden.
Was ist verboten?
Als Foul wird unter anderem Bestraft: Schupsen, Treten, Schieben, Sperren, Beleidigen, „voy“ vergessen, sich an der Bande festhalten, den Ball einklemmen. Trotzdem ist Fußball ein Spiel mit viel Körperkontakt. Die Schiedsrichter haben bei ihren Entscheidungen große Verantwortung, ob ein Bein versehentlich im Weg stand oder absichtlich gestellt wurde, ob jemand bewusst gerempelt hat oder versehentlich angestoßen ist.
Wenn ein Spieler ein Foul begeht, gibt es einen Freistoß von der Stelle, wo das Foul geschah. War das Foul im Strafraum des Teams des foulenden Spielers gibt es einen 6-Meter-Strafstoß. (z. B. wenn der Torwart seinen Torwartraum von 5m x 2m verlässt) Die Fouls werden mitgezählt: Wenn ein Spieler fünf Fouls (persönliche Fouls) begangen hat, muss er das Feld verlassen. Er darf durch einen anderen ersetzt werden, aber nicht wieder eingewechselt werden. Wenn ein Team vier Fouls (Mannschaftsfouls) in einer Halbzeit begangen hat, wird ab dem vierten Foul jeder Freistoß von 8m Torentfernung ausgeführt.
Weiteres
Wenn der Ball ruht - also kein Geräusch von sich gibt - und von den Spielern nicht gefunden wird, oder es sonst unübersichtliche oder gefährliche Situationen gibt, kann der Schiedsrichter das Spiel anhalten und mit einem Schiedsrichterball wieder fortsetzen. Ein Spieler jedes Teams steht dann neben dem Schiedsrichter. Diese lässt den Ball auf den Boden Fallen, und das Spiel geht weiter. Wurde der Ball über die Seitenbande ins Aus geschossen, dann wird das Spiel mit einem Einschuss fortgesetzt. statt einem Einwurf, schießt ein Spieler den Ball von 1m Bandenentfernung ins Spiel zurück.
Ansagen
Alle Spielereignisse werden vom Ansager/Stadionsprecher - wenn der Ball aus dem Spiel ist - verkündet, damit die Spieler wissen, was los ist, z. B. „Ball aus, Abstoß Dortmund“ oder „Ecke für Stuttgart“ oder „Foul Marburg, Spieler Nr. 3, zweites persönliches und drittes Mannschaftsfoul“.
Technik und Taktik im Blindenfußball
Moritz Klotz, Trainer beim LFC Berlin/BBSV und Nationaltorhüter erläutert Grundlagen von Spieltechnik, Strategie und Taktik:
1. Spieltechnik
1.1 Dribbling
Es gibt zwei Haupttechniken beim Dribbling. Bei der Pendeltechnik wird der Ball zwischen den Beinen hin- und hergependelt. Sind die Füße parallel, bleibt der Spieler auf der Stelle, je weiter die Fußspitzen nach außen geführt werden, desto schneller kann der Ball nach vorne transportiert werden. Außerdem verhindert die Außenrotation ein durchrutschen nach hinten. Bei der anderen Technik handelt es sich um eine Sichelbewegung mit welcher der Ball zwischen den Beinen geführt wird. Bei dieser Bewegung wird der Ball länger am Fuß geführt, was zu einer verbesserten Ballkontrolle und zu einer variableren Spielweise mit schnellen Richtungswechseln führt. Die Spieler der Nationalmannschaft und die meisten Bundesligaspieler haben sich inzwischen diese Dribbelvariante angeeignet.
Der Ball berührt zunächst den hinteren Teil des Spielbeins bei starker Außenrotation (Fuß weit nach außen gedreht) des Fußes. Das Standbein hält das Körpergewicht. Das Spielbein wird nach vorn geführt, wobei der Ball entlang des Fußes in Richtung Fußspitze wandert und immer mit dem Fuß in Kontakt bleibt. Gleichzeitig mit dem vorführen des Spielbeins wird der Fuß nach innen gedreht bis er wieder gerade nach vorn zeigt und am Ende der Bewegung aufgestellt. Der Ball wandert zur anderen Seite, wo er von anderen Fuß aufgenommen wird.
1.2 Pass
Man unterscheidet vier Arten des Passes: Der Pass mit der Sohle, der Pass mit der Fußspitze, der Pass mit der Seite und der hohe Pass.
Beim Pass mit der Sohle wird das Spielbein mit dem Ballen (vorderer Bereich des Fußes) auf den Ball gestellt und schnell nach vorn geschleudert. Der Ball wandert zunächst zur Ferse, von wo aus der Ball zum Mitspieler weiterrollt. Der Pass mit der Sohle wird auf kurzen Distanzen angewendet. Er ist im Gegensatz zu den anderen Passarten recht langsam und leise. Er eignet sich, wenn man den Gegner über den Aufenthaltsort des Balles im Unklaren lassen will, beispielsweise bei Standardsituationen wie Freistößen.
Beim Pass mit der Fußspitze holt man mit dem Spielbein aus und schießt den Ball mit angezogener Fußspitze. Das Standbein ist dabei seitlich neben bis schräg hinter dem Ball, sodass der Ball zentral getroffen werden kann. Der Pass mit der Fußspitze ist die gängigste Passart. Sie ist vielseitig einsetzbar und am einfachsten zu erlernen. Er kann langsam bis sehr schnell gespielt werden und ist somit für alle Entfernungen bis hin zum langen Pass über den ganzen Platz geeignet. Aufgrund der kurzen Kontaktzeit und der geringen Auflage- oder Berührungsfläche ist dieser Pass nicht immer präzise.
Beim Pass mit der Seite liegt der Ball ähnlich wie beim Pass mit der Fußspitze neben bis schräg vor dem Standbein. Das Spielbein wird beim Ausholen rechtwinklig in die Außenrotation gebracht und dann schnell nach vorn geführt. Der Ball wird mit der Fußinnenseite in der Mitte des Balles getroffen. Der Pass mit der Seite ist die am schwersten zu erlernende Passtechnik. Sie ist richtig angewandt die präziseste Passart, weil bei ihr die Auflagefläche am größten ist. Diese Passart ist vor allem auf kurzen bis mittleren Distanzen einsetzbar, weil man bei dieser Technik nicht so viel Druck auf den Ball entwickeln kann wie zum Beispiel beim Pass mit der Fußspitze.
Beim hohen Pass wird der Ball anders als beim Pass mit der Fußspitze unterhalb der Mitte getroffen. Der Fuß löffelt den Ball dabei nach oben. Da der Ball in der Flugphase kaum zu hören ist, kann man den Gegner auch hierbei längere Zeit im Unklaren lassen, wo sich der Ball befindet. Beim Auftreffen auf dem Boden ist er dann wieder gut zu hören, was dem Empfänger des Balles die Annahme genauso erleichtert wie die physische Eigenschaft des Balles, kaum zu Springen. Der hohe Pass wird zumeist bei längeren Distanzen gebraucht. Er ist ideal beim Wechseln der Seite, weil hier auch die Bande als Anspielpunkt dienen kann ohne dass der Ball weit wegspringen kann.
1.3 Torschuss
Man unterscheidet zwei Arten des Torschusses: Der Torschuss mit und ohne Ausholbewegung. Generell ist ein Schuss ohne vorherige Ausholbewegung für den Torwart schwieriger zu antizipieren und der Schütze hat somit oft das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Gerade bei Schüssen aus weiteren Entfernungen kann aber ein Schuss mit vorheriger Ausholbewegung mehr erreichen, weil mehr Kraft auf den Ball übertragen werden kann und er somit auch schärfer geschossen werden kann.
Die meisten Schüsse werden mit der Fußspitze abgegeben (ähnlich dem Pass mit der Fußspitze, wobei durch Treffen des Balles unterhalb der Mitte auch hohe Schüsse ohne Probleme möglich ist). Einige Spieler schießen auch mit der Seite oder dem Spann.
2. Taktik
Es gibt drei derzeit gängige Aufstellungsformen im Blindenfußball: Die Raute (1-2-1), das Viereck (2-2) das Ypsilon (1-1-2) und das umgedrehte Ypsilon (2-1-1).
Die Raute (1-2-1)
Die Raute ist eine Aufstellung, bei der ein Verteidiger zirka zehn Meter vor dem Torwart hauptsächlich den Gegner erwartet und im Zentrum bekämpft. Er schaltet sich zumeist nicht bis kaum in den Angriff mit ein. Ein Spieler links und rechts an der Bande bilden das Mittelfeld und verschieben sich zumeist parallel nach vorn und hinten. Sie haben in der Defensive die Aufgabe, ihre Seite zu decken und in der offensive über die Seiten anzugreifen. Der Stürmer in der Mitte ist im Angriff oftmals im Zentrum zu finden, lässt sich aber von Zeit zu Zeit auch auf die Seiten fallen. In der Defensive arbeitet er vorwiegend im Zentrum gegen die aufgerückte Verteidigung des Gegners.
Der Vorteil dieser Aufstellung liegt in ihrer Einfachheit. Alle Spieler haben klare Bezugspunkte, weswegen sie oft von Anfängerteams gespielt wird. Der Abwehrspieler hat den Torwart und die Außenspieler die Bande zur Orientierung. Nur der Stürmer bewegt sich frei im Raum. Die Raute ermöglicht aber auch sehr anspruchsvolles Spiel und wird z. B. vom Europameister Spanien verwendet. Die beiden Spieler müssen viel nach vorn und wieder zurück laufen und entsprechend körperlich fit sein. Der Nachteil der Raute liegt im nicht besetzten Zentrum, wo Durchbrüche leicht möglich sind.
Das Viereck (2-2)
Auch das Viereck ist ein recht einfaches Spielsystem. Es beinhaltet zwei defensive Spieler und zwei offensive Spieler davor. Alle Spieler können sich an der Bande orientieren. Im Angriff sind immer gleich zwei Spieler vorne, was zu mehr Präsenz vor dem Tor führt. In der Abwehr sind zwei Spieler in der defensive für die Deckungsarbeit vor dem Tor zuständig gegenüber nur einem wie bei der Raute. Die Mitte ist dabei ebenfalls nicht nominell besetzt und es gibt kein nominelles Mittelfeld, wodurch sich immer mindestens ein Defensivspieler in den Angriff mit einschalten muss. Alle Spieler haben relativ wenig zu laufen, wodurch auch die körperlichen Anforderungen beim Viereck-Spiel nicht so hoch sind.
Ypsilon (1-1-2) und das umgedrehte Ypsilon (2-1-1)
Bei der Ypsilonaufstellung wird mit zwei Stürmern und einem Spieler dahinter in der Zentrale gespielt. Damit ist gerade in der Offensive viel Präsenz vor dem Tor. In der defensive kümmert sich zunächst nur ein Spieler um die Abwehr von Aktionen vor dem Tor. Ein Nachteil bei dieser Aufstellung ist die Unterzahl an der Bande, gerade im Abwehrverbund und bei schnellen Gegenstößen des Gegners. Diese Formation fordert eine gute Orientierungsfähigkeit, Kommunikation, Kondition und Schnelligkeit der Spieler, da ein schnelles Umschalten von Angriff auf Abwehr und umgekehrt erfolgen muss und die Banden nicht nominell besetzt sind. Diese Formation wird von gut eingespielten Teams bevorzugt. Vor allem der mittlere Spieler braucht hervorragende Orientierung und muss sehr viel laufen. Weltmeister Brasilien spiel in y-Formation.
Auch auf das umgedrehte Ypsilon treffen diese Kriterien zu, wobei hier aufgrund der Aufstellung eher das Spiel nach vorn zum Knackpunkt werden kann. In der defensive kümmern sich zwei Spieler um den Bereich vor dem Tor und ein Spieler davor. Die einzige Spitze muss also ständig von der Defensive unterstützt werden. Es handelt sich um ein extrem defensives Spielsystem.
3. Standartsituationen
3.1 Abwurf vom Tor.
Nach einem Schuss auf das Tor oder ins Toraus hat der torwart den Ball. In dieser sehr häufigen Standardsituation muss die ballbesitzende Mannschaft schnell in eine offensive Position wechseln und die verteidigende Mannschaft schnell in eine deffensive Position. Der Torwart wirft den Ball mit der Hand. Er muss in der eigenen Hälfte den Boden berühren. Es gibt kein Abseits; daher können sich die Stürmer sehr dicht vor dem gegnerischen Tor aufstellen. Wenn der Torwart sie präzise anwirft, entstehen so schnell sehr gefährliche Situationen.
3.2 Eckstoß
Wird der Ball von einem Spieler ins Toraus auf der eigenen Spielfeldseite befördert, erhält die gegnerische Mannschaft einen Eckstoß. Der Ball wird genau von der Spielfeldecke geschossen.
Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- a) Zwei Spieler stehen an der Ecke. Der erste tippt den Ball nur kurz an, und der zweite dribbelt mit dem Ball ins Feld.
- b) Die offensiven Spieler verteilen sich in torgefährlichen Positionen und werden von dem Spieler, der die Ecke ausführt über eine weitere Distanz angespielt.
3.3 Anstoß und Freistöße
Auch beim Anstoß oder bei Freistößen gibt es die Möglichkeit, dass der ausführende Spieler den Ball nur kurz antippt und ein anderer Spieler mit dem Ball weiter dribbelt. Oder der Ball wird über weitere Distanz zu einem Mitspieler gepasst. Je nach Torentfernung kann natürlich auch direkt auf das Tor geschossen werden.
4. Rolle der Rufer
Jede Mannschaft hat drei sehende Rufer: Den eigenen Torwart, den Trainer an der Spielfeldseite und den Rufer hinter dem gegnerischen Tor. Es darf nur der rufen, in dessen Spielfelddrittel sich gerade der Ball befindet. Gut eingespielte Teams nutzen kurze vorher abgesprochene Kommandos, um im Spiel schnell das Richtige tun zu können. So kann „Ballverlust“ heißen: Zieht euch alle in die deffensive Position zurück. „Seitenwechsel“ kann bedeuten: Spiele den Ball zum Mitspieler auf der anderen Seite. Besonders wichtig ist das rufen vor dem Tor. Manche Rufer rufen z. B. nur Zahlen. „10 8 1“ kann z. B. heißen: Spieler mit der Nummer 10, du bist 8 m vom Tor entfernt und 1 Gegenspieler ist noch zwischen dir und dem Tor.
In wenig eingespielten Teams wird sehr viel gerufen und es ist relativ laut auf dem Spielfeld. Viele Spieler bevorzugen aber, dass wenig gerufen wird. Jedes Kommando gibt ja auch dem Gegner Informationen über das Spiel der Mannschaft.