Empfehlungen für inklusive Städtetouren

Dies sind unsere Empfehlungen und Tipps, um Ihre Stadtführung zugänglicher für Menschen mit Seheinschränkung zu gestalten.

Drei Empfehlung für seheingeschränkte Teilnehmende

Diese Empfehlungen können Sie Ihrem/Ihrer Stadtführer*in mitteilen, wenn Sie spontan an eine Führung teilnehmen:

  1. Nennen und Beschreiben Sie die Dinge, die Sie uns zeigen.
  2. Erklären und Beschreiben Sie, den Teil der Strecke, den wir als nächstes zurücklegen.
  3. Weisen Sie mich auf Dinge hin, die ich berühren, riechen oder mir anhören kann.

Empfehlungen für Stadführer*innen

Teilnehmende am YoUCIT Projekt gaben die folgenden Empfehlungen während der Auswertungsrunden.

Grundlegende Empfehlungen

  • Planen Sie Zeit für die Vorbereitung vor dem Beginn der Tour ein.
  • Eine Stadttour ist meist nicht länger als 90 Minuten lang. Das Erfahren und Erkunden von Dingen und Orten durch andere Sinne als dem visuellen nimmt jedoch meist mehr Zeit in Anspruch. Wenn Sie also eine längere Tour planen, sollten Sie Zeiten und Orte für Pausen festlegen.
  • Überprüfen Sie die Route Ihrer Tour. Befinden sich Barrieren oder schwieriges Terrain auf Ihrem Weg? Sind die Strecken zu lang?
  • Suchen Sie gezielt nach Orten, an denen die Stadt mit anderen Sinnen außer dem Visuellen erlebt werden kann: gibt es Orte mit besonderen, typischen Gerüchen, Geräuschen oder Geschmäckern? Wo kann städtisches Erbe insbesondere taktil erlebt werden?
  • Beachten Sie die Größe Ihrer Gruppe und ob sie zu Ihrem geplanten Programm passt.
  • Gehen Sie sicher, dass alle Teilnehmenden Ihren Erklärungen zuhören können. Warten Sie, bis sich alle Teilnehmenden um Sie versammelt haben und nicht mehr laufen, bevor Sie beginnen. Wenn möglich, investieren Sie in eine kabellose Übertragungsanlage, sodass Teilnehmende Ihren Erklärungen über Kopfhörer folgen können.
  • Sie sollten gut erkennbar sein, sowohl visuell als auch akustisch. Tragen Sie am besten helle Kleidung oder ein auffälliges buntes Accessoire wie z.B. einen Schirm mit sich, und befestigen Sie z.B. ein Glöckchen an Ihrer Kleidung, sodass seheingeschränkte Teilnehmende Ihnen leichter folgen können.
  • Beziehen Sie Geschichten mit ein; Erzählen Sie Geschichten über bekannte Persönlichkeiten aus Ihrer Stadt, oder denken Sie sich fiktionale Personen aus, die die typische Population der Stadt repräsentieren. Suchen Sie nach Anekdoten und lokalen Legenden, die Sie erzählen können. Oder organisieren Sie Begegnungen mit Menschen aus der typischen Bevölkerung, um einen intensiveren Kontakt zu Tradition und Kultur zu fördern und herzustellen.

Beschreiben Sie den Weg/die Route zum nächsten Stopp der Tour.

Vorbereitung für die Teilnehmenden

  • Bieten Sie den Teilnehmenden vorab ein Programm an. Dieses Programm kann/sollte Beschreibungen der Route und die Namen der Orte, die Sie besuchen werden, beinhalten.
  • Bieten Sie taktile und Großdruck-Karten vor Tourbeginn an und räumen Sie ausreichend Zeit ein, sodass die Teilnehmenden die Karten erkunden können.
  • Beschreiben Sie vorab Dinge, für die während der Tour womöglich keine Zeit bleibt, wie der Aufbau und die Struktur des Straßennetzes, den Charakter und die typische Architektur der Gebäude und Orte, die sie besuchen werden.
  • Kündigen Sie vorab an, wenn Sie etwas zu Essen anbieten oder ein Gotteshaus besuchen werden.
  • Bieten Sie Links zu Internetplattformen an, auf denen sich Teilnehmende vorab schon über die Sehenswürdigkeiten informieren können.

Wie man eine multisensorische Erfahrung herstellt

Beschreibungen

  • Orientierung und Richtung der Beschreibung: Beschreiben Sie eine Szene, ein Objekt, ein Gebäude in eine klare Richtung, wie z.B. von links nach rechts oder von der Mitte zum Rand. Springen Sie nicht von einer Ecke zur anderen. Die Position und Distanz zu Objekten sollte exakt angegeben werden, d.h. in Metern und Richtungen. Sie können Richtungen mit Hilfe des Ziffernblatts einer Uhr Beschreiben: „Auf 10 Uhr von uns befindet sich ein Brunnen.“Beschreiben Sie aus der Sicht der Zuhörenden.
  • Weisen Sie sehbehinderte Teilnehmende gezielt auf wichtige visuelle Merkmale hin.
  • Die Begriffe, die Sie benutzen sollten zureichend bekannt sein. Technische Bezeichnungen können Architektur und Stile zwar am treffendsten beschreiben, jedoch sind nicht alle Menschen mit diesen Begriffen hinreichend vertraut.
  • Ein Großteil der Menschen mit Seheinschränkungen und Blindheit sind erst spät im Leben daran erkrankt. Diese Teilnehmenden können auf visuelle Erinnerungen wie Farben, Formen und Stile zurückgreifen. Menschen, die blind geboren wurden, können jedoch häufig wenig mit dieser Art von Beschreibungen anfangen, deswegen sollten Sie vermeiden, zu viele visuelle Erinnerungen vorauszusetzen. Beschreiben Sie deswegen die Objekte gern im Detail.
  • Machen Sie sich mit Empfehlungen für Audiodeskriptionen vertraut, um mehr über wichtige und gängige Beschreibungen zu lernen.

Elemente, auf die Sie ihre Beschreibungen fokussieren können

  • Den Aufbau einer Stadt oder der Umgebung, wie z.B. die Straßenverläufe, Arten von Straßen und Pfaden, die Struktur der Gebäude.
  • Die Art der Gebäude: ihre Größe, Architekturstile, Baujahre, Materialien.
  • Wenn Sie Baustile nennen, beschreiben Sie die typischen Merkmale mit. Viele Menschen kennen sich nicht mit Kunstepochen aus und können sich unter Fachbegriffen wie Bauhaus, Gotik oder Romanik nichts vorstellen.
  • Beschreiben Sie den Aufbau und das Design von Plätzen und Straßen, den Bodenbelag, die Größe und Weite.
  • Beschreiben Sie Pflanzen und Natur.
  • Beschreiben Sie öffentlichen Kunstwerke wie Street Art, Statuen, Wandgemälde.
  • Weisen Sie Teilnehmende auf Objekte hin, die sie berühren und ertasten können, wie z.B. Elemente der Baustile wie Säulen, Stuck, interessante Materialien oder Statuen.
  • Lesen Sie die Texte auf Tafeln und Schildern vor.

Sehen

Diese Punkte sind wichtig für die sehbehinderten Teilnehmenden Ihrer Tour

  • Wenn Sie Teilnehmende dazu auffordern, sich etwas anzusehen, gehen Sie sicher, dass die Lichtverhältnisse eine gute Sichtbarkeit unterstützen:
    • Finden Sie einen Ort mit gleichmäßiger Beleuchtung und vermeiden Sie Touren zu Dämmerungszeiten wie Sonnenauf- und –Untergang.
    • Positionieren Sie die Teilnehmenden so, dass die Lichtquelle wenn möglich hinter oder neben ihnen ist.
    • Vermeiden Sie Orte mit zu vielen Reflektionen und Schatten.
  • Machen Sie Fotos von Details, die schwer zu sehen sind, weil sie zu klein oder weit entfernt sind. Zeigen Sie diese Fotos am besten auf einem Tablet oder Bildschirm, sodass die Teilnehmenden die Aufnahmen eigenständig an Ihre Bedürfnisse anpassen können.

Fühlen

  • Vergessen Sie nicht, dass das Ertasten von Gegenständen und Elementen länger benötigt, als das Ansehen!
  • Wenn möglich, bieten Sie ein taktiles Objekt pro Teilnehmer*in an. Wenn es nur ein Objekt seiner Art gibt, beschreiben und erklären Sie die Objekte, bevor Sie sie an die Teilnehmenden weitergeben.
  • Es gibt viele taktile Kunstwerke an öffentlichen Plätzen.
  • Wenn ein Objekt groß genug ist, um von mehreren Teilnehmenden gleichzeitig erkundet zu werden, beschreiben Sie das Objekt bevor Sie so viele Teilnehmende wie möglich dazu auffordern, es gleichzeitig taktil zu erkunden.
  • Machen Sie eine Liste aller tastbaren Elemente auf Ihrer Route.
  • Vergessen Sie nicht, dass das Ertasten von Objekten unter kalten und nassen Bedingungen sehr unangenehm sein kann.
  • Wenn Sie taktile Karten oder Pläne anbieten, stellen Sie vorab sicher, dass die Teilnehmenden eine passende Unterlage haben, um diese zu erkunden.
  • Wenn Sie taktile Bilder erstellen wollen, lesen Sie unseren Annex: Kunst tastbar machen.
  • In einer Umfrage gaben Teilnehmende mit Seheinschränkung Beispiele für ihre bevorzugten taktilen Sinneseindrücke:
    • Architektur (z.B. Statuen, Wände, Säulen, Brunnen)
    • Miniaturen von Sehenswürdigkeiten und Kunstwerken
    • Stadtkarten und –Pläne
    • Maschinen, Werkzeuge, Kunsthandwerk
    • Natur

Gerüche

  • Suchen Sie gezielt nach Orten, an denen die typischen Gerüche für eine Stadt oder eine Region herrschen, oder bieten Sie Geruchsproben an. Werden Sie kreativ! Währen einer Führung durch die Königliche wallonische Oper in Liège boten die Organisator*innen Geruchsproben an, die sie mit den Berufen auf und hinter der Bühne verbinden, wie z.B. der Geruch von Haarspray für die Friseur*innen, den Geruch von Salbeisalbe für die Sänger*innen, der Geruch von Sägespänen für die Bühnenbildner*innen.
  • In einer Umfrage gaben Teilnehmende mit Seheinschränkung Beispiele für ihre bevorzugten Gerüche:
    • Regionales Essen, Getränke und Gewürze
    • Natur
    • Kunsthandwerk wie Parfums, Seifen
    • Den Geruch bestimmter Umgebungen wie Märkte, Gotteshäuser und alter Gebäude

Geschmack

  • Finden Sie eine Möglichkeit, Geschmäcker zu erleben, die zum Thema Ihrer Tour oder der Stadt passen.
  • Wenn es ein stadtspezifisches Gericht oder Getränk gibt, suchen Sie einen relevanten Ort dafür aus und laden Sie die Teilnehmenden dazu ein, dieses traditionelle Essen oder Getränk zu probieren. Halten Sie wenn möglich eine Liste mit Inhaltsstoffen bereit, damit Menschen mit Allergien oder Ernährungseinschränkungen vorab bei Ihnen nachfragen können.
  • In manchen Städten können Sie essbare Pflanzen und Früchte finden und Ihre Teilnehmenden dazu einladen, diese zu probieren.

Hören

  • Suchen Sie typische Geräusche der Umgebung heraus, wie z.B. Kirchenglocken, Glockenspiele, Brunnen und Gewässer, Trams.
  • Glocken und Glockenspiele läuten für gewöhnlich zu bestimmten Zeiten, achten Sie darauf, sie nicht zu verpassen.
  • Wenn das Glockenspiel eine besondere Melodie spielt, erklären Sie den Hintergrund und die Herkunft dazu.
  • Laden Sie Teilnehmende dazu ein, Vogelgesang zu erraten.
  • Spielen Sie typische historische Geräusche an relevanten Orten vor, wie z.B. das Geräusch einer Schmiede, oder typische/traditionelle Musik.
  • Wenn möglich und angebracht, organisieren Sie ein Treffen mit Straßenmusikant*innen und lassen Sie die Teilnehmenden die Instrumente erkunden.

Sicherheit

  • Vermeiden Sie beim planen Ihrer Route Orte, die schwierig zu navigieren sind, wie z.B.
    • Überfüllte Plätze und Straßen
    • Wege, die durch Bauarbeiten unterbrochen oder stark verengt sind
    • Übermäßig unebenes Terrain
  • Planen Sie Ihre Route so, dass sie mit jeder Art von Einschränkung navigierbar ist, d.h. vermeiden Sie Barrieren wie Treppen u.ä., wenn es keinen Lift oder eine Rampe gibt.

Graphic: Logo of the European Union, a blue flag with a ring of yellow stars at its centre. On the right of the flag, letters spell out

Hinweis: Dieses Projekt wurde von der Europäischen Union kofinanziert.

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