Einkaufen

Neben einer Glosse, die die Erlebnisse schildert, die für Menschen mit Sehbehinderungen mit dem Einkaufen verbunden sein können, finden Sie hier eine Anforderungsliste an das Einkaufen vor Ort. Diese Liste entstand im FBS in Abstimmung mit dem Gemeinsamen Fachausschuss für Umwelt und Verkehr (GFUV) und dem Gemeinsamen Fachausschuss für Informations- und Telekommunikationssysteme (FIT).

Sehbehinderte Menschen und Einkaufen - eine Glosse

Diese Glosse wurde für Veröffentlichungen in verschiedenen Medien des Handels aufgegriffen, bspw. durch den Handelsverband Deutschland, HDE: http://www.einzelhandel.de.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte eine Verkäuferin an der Brötchentheke.
Welche der drei Verkäuferinnen hat mich denn nun angesprochen?, denke ich und richte meinen Kopf nach vorne. Doch sehe ich nur die Dame, die rechts steht. Ich gebe meine Bestellung auf und denke, dass die mich für blöd halten müssen, weil ich vorbeisehe.

Weiter geht es Richtung Kühlregal und ich versuche dabei, schnell noch der Palette am Boden auszuweichen. Dann greife ich nach dem Pudding. Ist es nun Karamell oder Schokolade, beide haben einen dunklen Aufdruck. Also packe ich beide ein. Das gleiche Spiel bei den Joghurts: Erdbeere, Himbeere, Kirsch oder doch Aprikose? Alles rosarot, da frage ich doch dann lieber bei jemandem an …

An der Kasse wächst dann die Schlange bis ins Unendliche. Aber egal, ich stecke die Scheine zwischen die Finger und fühle – bei den Münzen das gleiche. Es geht alles, nur langsamer.

Es ist aufregend, das Einkaufen mit einer Sehbehinderung. Möglich ist, dass ich letztendlich durch den Geschmackstest die Frucht beim Joghurt analysiere oder feststelle, eigentlich wollte ich eine blaue Jacke und keine grüne. Die Gurke wird schon mal mit Zucchini verwechselt und das Deo rollt an der Kasse bis an das Ende des Packbandes. Das fehlt dann halt. Und den Kuchen wollte ich eigentlich mit Kirschen backen. Doch ich stelle fest, dass ich stattdessen Pflaumen im Glas eingekauft habe.
Einige Warenhäuser haben ihre Ständer mit großen Preisschildern versehen, kontrastreich mit schwarzer Schrift auf weißen Grund. Das ist gut für unsereins, denn grün auf gelb oder rot auf schwarz ist ein Gräuel. Manch ein Einzelhandelsgeschäft hat am Einkaufswagen eine Lupe. Sehr gut, um zu erkennen, ob ich Shampoo oder Spülung in der Hand halte. Doch muss ich den Einkaufswagen in die Luft halten, um das Preisschild am Regal zu erkennen?

Einkaufen trotz Sehbehinderung – das geht! Irgendwie kommen wir zurecht. Sei es, dass wir durch die vielen netten Menschen, die einem beim verzweifelten Suchen helfen, Unterstützung erfahren. Sei es aber auch dadurch, dass wir uns einen Irrtum oder ein Vertauschen eingestehen müssen und wir viel Geduld aufbringen. Aber vieles funktioniert trotz des Sehhandicaps!

Von Christiane Bernshausen, FBS,
E-Mail: christiane.bernshausen@pro-retina.de

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Anforderungen an das Einkaufen vor Ort

Diese Anforderungsliste ist im Gemeinsamen Fachausschuss für die Belange Sehbehinderter (FBS) entstanden. Sie wurde mit dem Gemeinsamen Fachausschuss für Umwelt und Verkehr (GFUV) und dem Gemeinsamen Fachausschuss für Informations- und Telekommunikationssysteme (FIT) abgestimmt.

Millionen Kunden betroffen

Die Anforderungen stellen Bedürfnisse, Forderungen und Wünsche von deutschlandweit rund 1,2 Millionen Kundinnen und Kunden mit Sehbeeinträchtigung dar.

Zusätzlich profitieren Millionen weiterer Kundinnen und Kunden beim Einkaufen im Geschäft.

  1. Kunden, die wenig Zeit haben und schnell ihren Einkauf erledigen wollen
  2. Kunden, die sich schon zuhause auf ihren Einkauf vorbereiten möchten
  3. Kunden mit Kinderwagen
  4. Kunden mit Rollator oder Rollstuhl
  5. Kunden mit Blindenführ- bzw. Assistenzhund
  6. Kunden, die ein Kauferlebnis erwarten.

Wir sind uns im Klaren darüber, dass unsere Anforderungen nicht sofort in jedem Ladenlokal umgesetzt werden können, jedoch sind wir uns sicher, dass gerade in Zeiten rückläufiger Umsätze und einer Zunahme von Online-Einkäufen das Ladenlokal profitieren wird, welches seinen Kundinnen und Kunden den komfortabelsten Einkauf ermöglicht. Eine Umstellung würde viele positive Aspekte mit sich bringen.

  1. Attraktivität des Ladens wird erhöht
  2. Erhöhung des Kundenstammes, da barrierefrei eingekauft werden kann
  3. Rückgewinnung von „Online-Kunden“
  4. Umsatzsteigerung durch das Kauferlebnis
  5. Wettbewerbsvorteile
  6. Imageverbesserung durch Alleinstellungsmerkmal
  7. Marketing-Selbstläufer durch positive Darstellung in den Medien
  8. Zukunftssicherung durch Innovationsvorsprung

Anforderungsliste Einkaufen

Die nachfolgende Anforderungsliste stellt Bedürfnisse, Anforderungen und Wünsche von Kundinnen und Kunden mit Sehbeeinträchtigung dar. Die Umsetzung dieser Maximalforderungen hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten ab. Die Auflistung ist nicht abschließend und kann erweitert werden.

Wünschenswert ist, dass die formulierten Anforderungen vom Handel bzw. den Handelsverbänden umgesetzt werden. So könnte diese Liste u. a. bei der Definition von Vergabekriterien für das Gütesiegel „Generationenfreundliches Einkaufen“ genutzt werden.

Wir haben uns darauf verständigt, dass in dieser Aufstellung der Verantwortungsbereich des Handels abgebildet wird. Die Sicherstellung der barrierefreien Erreichbarkeit der Ladenlokale sowie die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, sollte zwar vom Handel angeregt werden, jedoch liegt die Umsetzung im Verantwortungsbereich der öffentlichen Verwaltung.

Grundsätzliches

Anforderung:

Die folgenden Punkte sind für Menschen mit Sehbeeinträchtigung von grundlegender Bedeutung und werden deshalb im gesamten Ladengeschäft beachtet:

  • Barrierefreie Zugänglichkeit und gute Orientierungsmöglichkeit, z.B. durch genügend breite Gänge, Kennzeichnungen von Gefahrenstellen wie Stufen, Einrichtung eines Leitsystems etc.
  • Kontrastreiche Gestaltung
  • Gute blendfreie Beleuchtung
  • Keine spiegelnden Böden
  • Freier Zugang für Blindenführ- und Assistenzhunde
  • Kostenloser und leichter WLAN-Zugang, um Informationen über das Geschäft und angebotene Produkte, über Aktionen oder um eine Assistenz anzufordern und um unterstützende Apps nutzen zu können (z.B. Bar- und QR-Code-Leser, Vorlesesysteme etc)
  • Lesbarkeit / Leserlichkeit von Schriften jeglicher Art

Hierfür geltende Normen:

  • DIN 32975: Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung (Kontrastenorm)
  • DIN 1450: Leserlichkeit von Schriften (siehe u.a. leserlich.info)
  • Produktinformation und Preisauskunft über App unter besonderer Berücksichtigung aktueller Sonderangebote und Rabattaktionen und wo diese zu finden bzw. wie diese zu nutzen sind
  • Digitale und taktile Leitsysteme

Eingangsbereich:

Anforderung:

  • Sicheres Auffinden des Geschäftes ist gewährleistet durch geeignete Bodenleitsysteme
  • Glastüren sind kontrastreich und farbig markiert
  • Gestaltung des Eingangsbereiches erlaubt eine gute Orientierung, z.B. durch deutlich erkennbare Hinweisschilder zu den Produktgruppen
  • Variable Beleuchtung, die Helligkeitsunterschiede zwischen Außen- und Innenbereich dynamisch verringert

Anmerkung: Umsetzungsbeispiele aus dem Gesundheitsbereich sind zu finden in: Junge, K.; Lechtenfeld, W.; Schmidt, A. (2012): Ratgeber. Die sehbehindertengerechte Augenarztpraxis. Herausgegeben von OcuNet GmbH & Co. KG und Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV).

  • Im Eingangsbereich befinden sich ausreichend groß und kontrastreich gestaltete und taktile Lagepläne mit den Standorten der Produktbereiche. Die gleichlautende Kennzeichnung der Produktbereiche wird auch im Inneren des Geschäftes angezeigt.
  • Alternativ kann über ein Rufsystem eine persönliche Assistenzperson angefordert werden (siehe auch Punkt "W-Lan).
  • Im Eingangsbereich befindet sich eine taktile Infosäule mit Sprachausgabe
  • Der Eingangsbereich enthält einen kontrastreich und möglichst taktil gestalteten Leitstreifen (Hierfür geltende Norm DIN 32984 - Bodenindikatoren im öffentlichen Raum)
  • Ergänzend sollte noch ein digitales Leitsystem zum Auffinden der Produkte vorhanden sein

Einkaufsbereich:

Anforderung:

  • Die Gänge besitzen durchgängig eine ausreichende Breite, damit auch Menschen mit Sehbeeinträchtigung mit Blindenführ- bzw. Assistenzhund sich eigenständig orientieren können
  • Regale sind übersichtlich gekennzeichnet
  • Produktkennzeichnung am Regal erfolgt in direkter Nähe zum Produkt
  • Die Regalhöhe und die Gestaltung der Kühltruhen/ -regale erlauben die leichte Erreichbarkeit und Erkennbarkeit aller Produkte
  • eine grundsätzlich ausreichend große Schrift, die bei allen Lesedistanzen gut lesbar ist
  • Umkleidekabinen sind gut ausgeleuchtet; einzelne sind ausreichend groß, damit auch Platz für den Blindenführ- bzw. Assistenzhund besteht
  • Waagen besitzen ein kontrastreiches Display mit Sprachausgabe
  • Produktscanner an den Regalen geben Produktinformationen mittels Sprachausgabe
  • QR Codes am Regal unterstützen die Produkterkennung
  • In den Abteilungen aufgestellte, leicht auffindbare Infosäulen sind mit einem Serviceknopf ausgestattet, über den eine persönliche Hilfe durch Mitarbeitende angefordert werden kann.

Kassenbereich:

Anforderung:

  • Der Kassenbereich ist eindeutig erkennbar, kontrastreich und hell ausgestattet
  • Gibt es nur eine Wartezone vor den Kassen, so sollte die nächste „freie“ Kasse im Zweisinnenprinzip angezeigt werden, also visuell und auch mit Sprachansage
  • Sicheres und diskretes Bezahlen ist auch für Menschen mit Sehbeeinträchtigung durch die Möglichkeit eines sprachunterstützten Zahlvorgangs, ähnlich wie bei barrierefreien Geldautomaten, zu gewährleisten
  • Ausreichend großes, kontrastreiches Display mit gut lesbaren Zeichen zur Überprüfung des Zahlbetrages
  • Kontaktloses Bezahlen barrierefrei ermöglichen, indem Zahlbeträge und Zahlvorgang auch durch Sprache ausgegeben werden, z.B. durch die Möglichkeit Kopfhörer anschließen zu können (s.o.)
  • Bezahlsysteme mit Sprachausgabe über Kopfhörer anbieten
  • Wechselgeld wird entweder direkt in die Hand gegeben oder in eine möglichst kontrastreiche Schale bzw. auf eine kontrastreiche Matte auf der Theke gelegt
  • Barrierefreie Bedienbarkeit von Selbstzahlerkassen durch Sprachsteuerung per Kopfhörer bzw. Smartphone und -ausgabe über Kopfhörer nach dem Zweisinnenprinzip
  • Nach der Bezahlung der Waren bleibt die Abgrenzung der kundenzugehörigen Produkte erhalten