Der Marrakesch-Vertrag

Text: Über 90% aller veröffentlichen Bücher stehen blinden und sehbehinderten Lesern nicht offen. Der Marrakesch-Vertrag erlaubt es über 70 Staaten der Welt, Werke in barrierefreien Formaten grenzüberschreitend auszutauschen. Ab dem 1. Januar 2019 gilt der Marrakesch-Vertrag auch in Deutschland und der Europäischen Union. Damit schließt sich eine der wichtigsten und erfolgreichsten Kampagnen der WBU und EBU.

Worum geht es?

Der Marrakesch-Vertrag schafft eine internationale, verbindliche und auf dem Menschenrecht fußende Ausnahmeregelung im Urheberrecht, um die Bücherarmut für blinde und sehbehinderte Leser zu beenden. Momentan können Bücher in barrierefreien Formaten laut nationalem Urheberrecht nicht grenzübergreifend ausgetauscht werden. Der Marrakesch-Vertrag legalisiert diesen Austausch urheberrechtlich geschützter Bücher, ohne dass eine Genehmigung zur gemeinnützigen Verwendung Seitens der Rechteinhaber vorliegen muss (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen).

Was ist bis jetzt passiert?

Am 27. Juni 2013 wurde der Marrakesch-Vertrag unter Schirmherrschaft der Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO verabschiedet. Am 30. September 2016 trat der Vertrag in Kraft, nachdem mit Kanada das 20. Land den Vertrag ratifiziert hat (siehe Gesetzestexte & Ratifizierung).

Im September 2016 hat die Europäische Kommission zwei separate Rechtsakte zur Umsetzung des Marrakesch-Vertrages vorgeschlagen. Eine Verordnung regelt den Austausch barrierefreier Werke mit Drittstaaten, da dies eine exklusive Kompetenz der EU darstellt (siehe Gesetzestexte & Ratifizierung). Eine Richtlinie formuliert Mindeststandards für die Umsetzung des Vertrags in nationales Urheberrecht (siehe Gesetzestexte & Ratifizierung). Im September 2017 wurden diese beiden Rechtsakte veröffentlicht und mussten bis Oktober 2018 umgesetzt werden.

Kommission und Parlament haben sich damit durchgesetzt, dass Blindenbüchereien nicht gezwungen werden können zu prüfen, ob ein Buch in einem barrierefreien Format im Handel verfügbar ist, bevor es in selbigem produziert werden kann. Der Rat hat sich dahingehend durchgesetzt, dass es die europäische Umsetzung des Marrakesch-Vertrages EU-Mitgliedern erlaubt, Ausgleichszahlungen von Herstellern barrierefreier Formate an die Rechteinhaber in ihrem nationalen Urheberrecht zu erlauben.

Nach einem Rechtsstreit stellte der Europäische Gerichtshof im Februar 2017 in einem Gutachten fest, dass die EU den Marrakesch-Vertrag stellvertretend für die Mitgliedsstaaten unterzeichnen kann. Das Europäische Parlament hat dies im Januar 2018 bestätigt. Am 1. Oktober 2018 hat die Europäische Union stellvertretend für ihre Mitgliedsstaaten den Marrakesch-Vertrag ratifiziert. Damit tritt er in Europa zum 1. Januar 2019 in Kraft. Zum jetzigen Zeitpunkt sind somit über 70 Länder Teil des Marrakesch-Systems.

Was haben EBU und DBSV getan?

Der Marrakesch-Vertrag ist als Folge der beharrlichen Arbeit der WBU über mehrere Jahre hinweg entstanden. Zunächst haben sich die Regierungen weltweit gegen eine verbindliche, vertragsbasierte Lösung gestellt. Noch 2011 hat der DBSV einen offenen Brief an die Bundesregierung gerichtet, um die Entwicklung des Marrakesch-Vertrags zu forcieren (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen). Letztlich hat das Prinzip Marrakesch jedoch überzeugt, auch um Kernbereiche der UN-BRK umzusetzen.

Zum Anlass des Inkrafttretens des Marrakesch-Vertrags im September 2016 hat die EBU kritisiert, dass Europa den Vertrag noch nicht ratifiziert hat (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen). Ende 2016 hat der DBSV zu den vorgeschlagenen Rechtsakten der Europäischen Kommission Stellung bezogen (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen). Mit Pressemitteilungen hat die EBU im Mai 2017 auf den Abschluss der Verhandlungen (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen) und im Januar 2018 auf die Lösung zur Unterzeichnung des Vertrag (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen) reagiert. Im Juli 2018 hat der DBSV die blindenfeindliche Umsetzung der Richtlinie in Deutschland kritisiert (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen).

Was sind die nächsten Schritte?

Die Bundesregierung hat im Oktober 2018 die nächste Hürde zur Umsetzung des Vertrages in Deutschland getätigt und das Urheberrecht angepasst (siehe Positionspapiere & Pressemitteilungen). In den meisten Ländern Europas ist der Marrakesch-Vertrag aber noch nicht umgesetzt. Gemeinsam mit der EBU beobachtet der DBSV diese Entwicklungen, damit dieser Erfolg der Blindenbewegung nicht verwässert wird.

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