XII Regelungen im Steuerrecht
1 Lohn- und Einkommensteuer
Grundsätzlich kann jede steuerpflichtige Person die unvermeidlichen behinderungsbedingten und damit „außergewöhnlichen“ Belastungen, die sich auf ihren Haushalt auswirken, bei der Einkommensteuer geltend machen. Dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit einräumt (wie in § 33 EStG geschehen), ist um der gerechten Lastenverteilung willen verfassungsrechtlich geboten, und zwar in der Weise, dass das sogenannte subjektive Nettoprinzip einzuhalten ist. Nun muss man allerdings bei diesem individuellen Verfahren seine tatsächlichen Aufwendungen durch Belege nachweisen, ihre Unvermeidbarkeit plausibel machen und sich außerdem eventuelle Leistungen, die die Belastung kompensieren, und eine zumutbare Eigenbelastung anrechnen lassen. Dies führt bei allen Beteiligten, insbesondere auch beim prüfenden Finanzamt, zu einem riesigen Arbeitsaufwand.
Um ihn zu verringern, haben der Gesetzgeber (in Gesetzen und Verordnungen) und die Finanzverwaltung (durch Richtlinien) eine Reihe von Pauschbeträgen eingeführt, die von Steuerpflichtigen auf unkomplizierte Weise geltend gemacht werden können, zum Beispiel durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises. Solche den Steuerpflichtigen als Alternative angebotenen Pauschalverfahren wurden vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zugelassen. Nun haben allerdings auch diese Pauschalverfahren ihre Schattenseiten: Erstens dienen die Pauschbeträge allein der Verfahrenserleichterung und können deshalb jahrelang unverändert niedrig bleiben, solange sie nur diese Funktion erfüllen. Zweitens machen sie viele Einzelregelungen erforderlich, die nicht jede und jeder kennen kann. Es empfiehlt sich also, wenn man die Möglichkeiten der Steuerersparnis ausschöpfen will, die Hilfe eines Steuerberaters oder einer Steuerberaterin in Anspruch zu nehmen oder sich die zahlreichen (meist auch im Internet zugänglichen) Steuerhinweise für behinderte Menschen und ihre Eltern zunutze zu machen. Hier können nur einige wichtige Hinweise gegeben werden:
Die wichtigsten Pauschbeträge für schwerbehinderte Menschen sind die in § 33b EStG geregelten. Lohn- und Gehaltsempfängerinnen und -empfänger können den Pauschbetrag in die Lohnsteuerkarte eintragen lassen; der Freibetrag wird dann bei der Lohnauszahlung berücksichtigt. Stattdessen ist aber auch die Geltendmachung beim Lohnsteuerjahresausgleich oder bei der Einkommensteuerveranlagung möglich. Der dem Ehepartner bzw. der Ehepartnerin oder einem Kind zustehende Pauschbetrag kann auf die steuerpflichtige Person übertragen werden.
Die Höhe des (pro Jahr gewährten) Pauschbetrages hängt vom Grad der Behinderung (GdB) ab. Er beträgt bei GdB:
20: 384 Euro
30: 620 Euro
40: 860 Euro
50: 1.140 Euro
60: 1.440 Euro
70: 1.780 Euro
80: 2.120 Euro
90: 2.460 Euro
100: 2.840 Euro
Personen, die hilflos (Merkzeichen „H“), taubblind (Merkzeichen „TBl“) und blind (Merkzeichen „Bl“) sind, erhalten einen Pauschbetrag von 7.400 Euro. Darüber hinausgehende behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen können im Individualverfahren gemäß § 33 EStG geltend gemacht werden, müssen dann jedoch in voller Höhe (einschließlich des Pauschbetrags) durch Belege nachgewiesen werden; außerdem werden Abzüge wegen einer tabellarisch festgelegten „zumutbaren Belastung“ vorgenommen.
2 Berücksichtigung von Fahrtkosten bei der Einkommensteuer
Zusätzlich zu den oben genannten Behinderten-Pauschbeträgen kann eine Fahrtkostenpauschale behinderter Menschen wie folgt geltend gemacht werden:
- Für schwerbehinderte Menschen ab GdB 80 oder ab GdB 70 und zusätzlich dem Merkzeichen „G“: 900 Euro
- Für schwerbehinderte Menschen mit Merkzeichen „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert), „Bl“ (blind), „TBl“ (taubblind) oder „H“ (hilflos – und damit alle Personen, die mindestens „hochgradig sehbehindert“ sind, siehe Kapitel III, 3 und 4.2): 4.500 Euro.
- Schwerbehinderte Menschen mit einem GdB von 70 oder mit einem GdB von mindestens 50 sowie zusätzlich dem Merkzeichen „G“ im Ausweis können die „tatsächlichen Aufwendungen“ für Fahrten von und zum Arbeitsplatz als Werbungskosten absetzen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 EStG). Als tatsächliche Aufwendungen werden 0,30 Euro pro gefahrenen Kilometer anerkannt. Die Regelung umfasst auch die erforderlichen Leerfahrten, zum Beispiel wenn der sehende Partner die blinde Ehegattin an der Arbeitsstelle absetzt und wieder nach Hause fährt (vgl. R 9.10 Abs. 3 Satz 2 LStR 2011).
3 Kfz-Steuer
Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen, bei denen das Merkzeichen „H“ im Schwerbehindertenausweis eingetragen ist, werden auf Antrag von der Kfz-Steuer befreit, wenn das Kfz auf ihren Namen zugelassen ist und nicht zur Beförderung von Gütern oder zur entgeltlichen Beförderung von Personen oder für sonstige Zwecke verwendet wird, die mit der Beförderung oder Haushaltsführung des blinden Menschen nicht im Zusammenhang stehen. Sehbehinderte Menschen mit Merkzeichen „G“ im Ausweis erhalten auf Antrag, aber nur unter Verzicht auf die Freifahrtberechtigung im öffentlichen Nahverkehr (siehe Kapitel XIV, 1) eine Kfz-Steuer-Ermäßigung von 50 Prozent (vgl. § 3a KraftStG).
4 Umsatzsteuer
Die Umsätze blinder Menschen sind von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie nicht mehr als zwei Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer beschäftigen und wenn sie nicht mit Kraft- oder Heizstoffen oder mit Branntwein handeln. Nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten Ehegatten, die minderjährigen Kinder, die Eltern des blinden Menschen und die Auszubildenden (vgl. § 4 Nr. 19 Buchstabe a UStG).
Von der Umsatzsteuer sind ferner befreit die Umsätze der vor der Aufhebung des Blindenwarenvertriebsgesetzes im Jahr 2007 anerkannten und seitdem weiterbetriebenen Blindenwerkstätten (§ 4 Nr. 19 Buchstabe b UStG).