Mein Braille: Gerlinde Schoch

Die Brailleschrift war mir mein Leben lang eine große Hilfe.

Ein Beitrag von Gerlinde Schoch.

In der Blindenschule Nikolauspflege in Stuttgart lernte ich die Punktschrift. Es war während des Zweiten Weltkrieges. Eine Bombe beschädigte das Haus, darum fiel die Heizung aus. Für den Leseunterricht gingen wir deshalb in den Heizungskeller. Bis meine Hände warm wurden, war die Stunde vorbei! Aber gelernt habe ich mein Braille doch.

Nach dem Krieg ist meine Mutter mit mir und meinen Geschwistern zurück in ihre Heimat Chile gegangen. Da hatte ich zwar warme Hände, aber erstmals nichts zu lesen.

Braille ist eine geniale Schrift. Sie lässt sich in alle Sprachen übertragen und passt sich den Eigenheiten an. Zum Beispiel gibt es in Spanisch keine Umlaute, dafür aber Akzente, die für jeden Vokal anders sind. Eine spanische Zeitschrift erhielt ich anfangs. Da ich jedoch noch kein Spanisch konnte, wurde sie für mich ein Rätselheft. Meine Tante half mir es zu lösen. Für uns beide eine viele Winterabende füllende Beschäftigung! So hat mir mein Braille geholfen beim Spanisch Lernen.

Meine Mutter ließ mir Lektüre aus Deutschland kommen: eine Kurzschriftbibel, die Zeitschrift „Der Feierabend“ und ein Strickmusterbuch. Schöne Muster habe ich daraus entnommen.

Auch heute noch, wieder hier in Deutschland, begleitet mich mein Braille. Mein Tag beginnt mit den „Herrenhuter Losungen“, geht weiter mit Küchenrezepten, Terminkalender, Telefonnummern und der „Gegenwart“. Beschriftet wird natürlich alles, sogar die Tastatur meiner Schreibmaschine.

Die Brailleschrift war mir mein Leben lang eine große Hilfe. Ich bin dankbar, dass es sie gibt.