VIII Leistungen der Krankenkassen

1 Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung

In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), geregelt im SGB V, erhalten alle Pflichtversicherten und nach § 9 SGB V freiwillig Versicherten sowie die nach § 10 SGB V mitversicherten Familienangehörigen den vollen gesetzlichen Versicherungsschutz, auch wenn sie schon vor Beginn des Versicherungsverhältnisses krank oder behindert waren. In der privaten Krankenversicherung (PKV) richten sich die Leistungen nach dem von der Kundin bzw. vom Kunden unterschriebenen Vertrag. Wegen des Risikoprinzips werden in den Verträgen der PKV sogenannte „Vorerkrankungen“ und ihre Folgen vom Versicherungsschutz entweder ausgeschlossen oder nur gegen Beitragsaufschläge mitversichert. Eine Besonderheit ist der Basistarif: Hier sind die Leistungen mit denen der GKV vergleichbar. Die Verträge sind unabhängig von Vorerkrankungen zugänglich. Allerdings sind die Beiträge entsprechend hoch.

Wer die Wahl zwischen GKV und PKV hat, sollte sich vor einer Entscheidung gründlich beraten lassen. Beihilfeberechtigte Beamtinnen und Beamte sollten darauf achten, dass der Tarif der privaten Ergänzungsversicherung sich an den Leistungskatalog der Beihilfe ohne Einschränkungen anschließt. Für Streitigkeiten über Leistungen der GKV sind die Sozialgerichte zuständig, für solche über Leistungen der Beamtenbeihilfe die Verwaltungsgerichte, für solche über Leistungen der PKV die Zivilgerichte.

2 Allgemeines zur gesetzlichen Krankenversicherung

Zu den Leistungen der GKV gehören insbesondere Maßnahmen der Früherkennung und Vorsorge, die ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, die Krankenhausbehandlung, die häusliche Krankenpflege und im Einzelfall auch Kurzzeitpflege, sofern keine Pflegebedürftigkeit in den Pflegegraden 2, 3, 4 oder 5 des SGB XI vorliegt, die medizinische Rehabilitation, die ärztlich verordneten Heilmittel (= Leistungen der gesetzlich geregelten Heilhilfsberufe wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Podologie, Ernährungsberatung etc.), die Versorgung mit Hilfsmitteln und Sehhilfen, die Palliativversorgung und die Zahlung von Krankengeld.

Besondere Regelungen gibt es unter anderem für die Übernahme von Fahrtkosten (siehe 5) und für die Stellung einer Haushaltshilfe (beim Krankenhausaufenthalt von Versicherten, wenn im Haushalt ein mitversichertes Kind lebt, das noch nicht zwölf Jahre alt oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist oder wenn Versicherten die Weiterführung des Haushalts wegen eigener schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, nicht möglich ist und keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des SGB XI vorliegt).

Alle diese Leistungen mit Ausnahme des Krankengeldes sind nicht Geld-, sondern Sachleistungen. Das bedeutet, dass grundsätzlich die Krankenkasse den Leistungserbringer aussucht und ihm den Auftrag erteilt. Ein ausdrückliches Wahlrecht der Versicherten besteht hinsichtlich der Wahl der Ärztin oder des Arztes, des Krankenhauses und bestimmter anderer Einrichtungen und soweit das Gesetz ausdrücklich Wahlmöglichkeiten anerkennt (zum Beispiel in gewissem Umfang bei der Heil- und Hilfsmittelversorgung). Entstehen Mehrkosten dadurch, dass Versicherte Leistungen wählen, die im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts nicht angemessen sind, haben sie sie selbst zu tragen.

Im Einzelfall ist die Kostenerstattung möglich, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung zu Unrecht abgelehnt oder bestimmte Leistungen nicht fristgerecht erbracht hat und den Versicherten durch die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (§ 13 Abs. 3 und Abs. 3a SGB V sowie – im Falle von Rehabilitationsleistungen – § 18 SGB IX).

Zu welchen Leistungen die Krankenkasse verpflichtet ist, ergibt sich nur teilweise direkt aus dem Gesetz. Ist zum Beispiel eine Therapie umstritten, so entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, der gemäß § 92 SGB V verbindliche Richtlinien festlegt. Zum Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen siehe 3.1.

Von erwachsenen Versicherten werden bei der Inanspruchnahme von bestimmten Leistungen Zuzahlungen gefordert, und zwar bei Arznei- und Verbandmitteln, bei Heilmitteln, bei Hilfsmitteln, bei häuslicher Krankenpflege, Haushaltshilfe, stationärer Behandlung, bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation etc. Soweit die Zuzahlungen zwei Prozent des von der oder dem Versicherten erzielten Jahresbruttoeinkommens überschreiten, können sie zurückverlangt werden bzw. die Krankenkasse kann rechtzeitig eine Bescheinigung darüber ausstellen, dass für den Rest des Jahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Bei Empfängerinnen und Empfängern einer vom Sozialamt gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung liegt die Grenze bei einem Prozent, ebenso bei chronisch Kranken, die wegen derselben schweren Krankheit in Dauerbehandlung sind. Die Zuzahlungen können gemindert werden durch Abschluss eines Hausarztvertrages, bei dem sich die oder der Versicherte gegenüber seiner Krankenkasse verpflichtet, sich an einen Hausarzt bzw. eine Hausärztin zu binden.

Von den Zuzahlungen zu unterscheiden sind die sogenannten Aufzahlungen, die Versicherte immer dann entrichten müssen, wenn sie eine Leistung in Anspruch nehmen, für die die Krankenkasse nicht den gesamten Preis übernimmt. Dies geschieht insbesondere dann, wenn für Leistungen Festbeträge festgelegt sind und Versicherte ohne zwingenden Grund eine über dem Festbetrag liegende Versorgung wünschen. Festbeträge gibt es etwa für Hörhilfen und Brillen. Die Festbeträge werden vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen in einem streng geregelten Verfahren festgelegt. Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie stellen eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar, legitimieren aber nicht zu grundsätzlichen Einschnitten in den GKV-Leistungskatalog. Soweit der Festbetrag für den Behinderungsausgleich objektiv nicht ausreicht, bleibt es bei der Verpflichtung der Krankenkasse zur kostenfreien Versorgung der Versicherten.

3 Versorgung mit Hilfsmitteln, Sehhilfen und digitalen Gesundheitsanwendungen

3.1 Allgemeines

Der Hilfsmittelmarkt bietet mittlerweile viele im Alltag nützliche Hilfen an. Dies heißt aber noch nicht, dass sie von den Krankenkassen auch zu bezahlen sind.

Erstens ist die Frage zu klären, ob es sich überhaupt um ein Hilfsmittel oder um einen sogenannten Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V sind all jene Gegenstände, die speziell für die Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt wurden und ausschließlich oder nahezu ausschließlich von diesem Personenkreis verwendet werden. Keine Hilfsmittel sind demgegenüber sogenannte Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, wozu etwa Standard-PCs, Scanner, Mobiltelefone etc. gehören.

Zweitens muss man danach fragen, ob die GKV für die begehrte Versorgung überhaupt zuständig ist. Das ist nach § 33 Abs. 1 SGB V der Fall, wenn das Hilfsmittel den Erfolg der Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine Behinderung ausgleichen soll.

Häufig geht es im Falle der Hilfsmittelversorgung blinder und sehbehinderter Menschen um den Behinderungsausgleich, also die dritte Variante. Die GKV hat nicht jegliche Folgen von Behinderung in allen Lebensbereichen auszugleichen. Für rein berufliche Bedarfe oder spezielle Sport- oder Freizeitinteressen ist sie nicht zuständig. Hier kommen andere Kostenträger in Betracht. Entgegen der früheren Rechtsprechung wird nicht mehr danach unterschieden, ob mit dem Hilfsmittel ein unmittelbarer oder mittelbarer Behinderungsausgleich bewirkt wird. Ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich ist von der GKV zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums.

Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört unter anderem die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw. eines Schulwissens. Zum körperlichen Freiraum gehört – zum Ausgleich bei eingeschränkter Bewegungsfreiheit – die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft zu kommen“ oder um die – üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden – Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (z. B. Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post).

Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich werden nicht mit dem vorrangigen Ziel eingesetzt, auf die Krankheit, das heißt auf den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand als solchen kurativ-therapeutisch einzuwirken. Sie sollen vielmehr in erster Linie die Teilhabebeeinträchtigung ausgleichen, mildern, abwenden oder in sonstiger Weise günstig beeinflussen, um die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Der Anspruch auf ein Hilfsmittel der GKV zum Behinderungsausgleich ist daher nicht von vornherein auf einen Basisausgleich im Sinne einer Minimalversorgung beschränkt. Vielmehr kommt ein Anspruch auf Versorgung im notwendigen Umfang bereits in Betracht, wenn das begehrte Hilfsmittel wesentlich zur Befriedigung der Grundbedürfnisse in zumutbarer und angemessener Weise beiträgt oder zumindest zu deren wesentlichen Erleichterung (vergleiche auch BSG, Urteil vom 10.09.2020 - B 3 KR 15/19 R).

Drittens ist der Einzelfall zu betrachten: Es besteht Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist. Die Krankenkassen können Versicherten das erforderliche Hilfsmittel auch leihweise überlassen (§ 33 Abs. 5 Satz 1 SGB V).

3.2 Überblick über einige anerkannte Hilfsmittel

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt gemäß § 139 SGB V das Hilfsmittelverzeichnis. Es ist allerdings nicht rechtlich verbindlich in dem Sinne, dass es die Rechte der Versicherten einschränken könnte. Das bedeutet: Ist ein bestimmtes Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis nicht genannt oder wird es dort sogar ausdrücklich abgelehnt, so kann es trotzdem vom Leistungsumfang umfasst sein. Andererseits hilft es den Versicherten, ihre Ansprüche durchzusetzen, wenn im Hilfsmittelverzeichnis das beantragte Hilfsmittel genannt und die Qualitätsanforderungen an das Hilfsmittel beschrieben sind. Die festgelegten Qualitätskriterien müssen bei der Versorgung mindestens eingehalten werden.

Im Hilfsmittelverzeichnis sind unter Produktgruppe 07 die sogenannten Blindenhilfsmittel geregelt. Sie sind regelmäßig nicht nur für blinde, sondern auch für hochgradig sehbehinderte Versicherte bestimmt.

Geregelt ist die Versorgung mit

  • Blindenlangstöcken und elektronischen Leitgeräten einschließlich des Orientierungs- und Mobilitätstrainings,
  • Geräten zur Umwandlung von Schwarzschrift in Sprache (Vorlesegeräte) und in Brailleschrift (Braillezeilen),
  • mechanischen und elektronischen Schreibgeräten (Geräten zum Prägen von Brailleschrift),
  • Farb- und Produkterkennungsgeräten,
  • DAISY-Abspielgeräten sowie
  • Blindenführhunden.

Bestehen elektronische Hilfsmittel aus verschiedenen Komponenten (offene Lesesysteme), so werden einige dieser Komponenten, zum Beispiel der PC, die übliche Software und der Scanner, da sie von der Rechtsprechung als „Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ angesehen werden, von der Krankenkasse nicht übernommen und müssen von den Versicherten selbst bezahlt werden. Die Krankenkasse übernimmt also nur die Ausgabemodule und die Spezialsoftware.

3.3 Blindenführhunde

Versicherte haben Anspruch auf die Versorgung mit einem Blindenführhund. Hierzu gehört nicht nur die Zurverfügungstellung des Führhundes, sondern auch der Einarbeitungslehrgang mit dem Blindenführhund, eine anschließende Gespannprüfung, die Ausstattung mit Zubehör (Führgeschirr etc.) und die Zahlung einer monatlichen Pauschale zum Unterhalt des Tieres und zur Begleichung anderer regelmäßig anfallender Kosten (sogenannte

Futtergeldpauschale) sowie die Übernahme der Aufwendungen für unregelmäßige Tierarztkosten.

Mit der Haltung und der Nutzung eines Blindenführhundes sind viele praktische und rechtliche Fragen verbunden, unter anderem: Leinen- und Maulkorbzwang, Hundesteuer, Versicherung (Haftung für vom Hund verursachte Schäden und umgekehrt Ersatz bei Schädigung des Blindenführhundes), die Haltung in der Mietwohnung und schließlich Mitnahme zu diversen Orten (Arztpraxen, Krankenhäuser, Behörden, Schulen, Kaufhäuser. Siehe zu Fragen rund um Zutrittsrechte mit Blindenführhund Kapitel II, 4.6).

Hingewiesen sei auch auf die Informationen, die im Internet unter www.dbsv.org/blindenfuehrhundhalter.html zugänglich sind.

3.4 Sehhilfen

Zu den Sehhilfen gehören Brillengläser und Kontaktlinsen, optische und elektronische Lupen, Monokulare, Handfernrohre, Bildschirmlesegeräte und PC-Vergrößerungssoftware. Näheres findet sich im Hilfsmittelverzeichnis unter Produktgruppe 25 sowie in Teil B der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen und rechtlich verbindlichen Hilfsmittelrichtlinie.

Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, regelt § 33 Abs. 2 SGB V, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen besteht. Für den Leistungsausschluss gelten drei wichtige Ausnahmen.

Die erste Ausnahme: Volljährige Versicherte, die nach ICD 10-GM 2017 bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen, haben Anspruch auf Sehhilfen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB V). Das sind Versicherte, die auch mit Brille auf beiden Augen ein Sehvermögen von nicht mehr als 30 Prozent (0,3) erreichen. Umfasst sind aber auch Personen mit einem besseren Visus, wenn das beidäugige Gesichtsfeld auf 10 Grad eingeschränkt ist. Bei dieser Personengruppe ist die benötigte Refraktion irrelevant. Ebenso irrelevant ist, ob diese Personen mit Kontaktlinsen mehr als 30 Prozent sehen können.

Die zweite Ausnahme: Volljährige Versicherte, die einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus aufweisen, haben unabhängig von dem mit Brille oder Kontaktlinsen erreichten Sehvermögen Anspruch auf Sehhilfen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V). Hier genügt es, wenn der Refraktionsbedarf auf einem Auge die angegebenen Werte erreicht; das zweite Auge wird dann auch bei geringerer Refraktion mitversorgt.

Die dritte Ausnahme gilt für „therapeutische Sehhilfen, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen“ (§ 33 Abs. 2 Satz 2, 2. Satzteil SGB V). Es handelt sich dabei insbesondere um Kantenfilter zum Schutz vor UV-Strahlen bei bestimmten Augenerkrankungen, Irislinsen bei Irisanomalien bzw. bei entstellenden Augen, Okklusionsschalen und Schielkapseln zum Einsatz bei Schielbehandlungen wegen Amblyopie, Uhrglasverbände bei Einsatz von unvollständigem Lidschluss, zum Beispiel infolge einer Gesichtslähmung, um das Austrocknen der Hornhaut zu vermeiden. Das Nähere regelt § 17 der Hilfsmittelrichtlinie.

Welche Versorgung im Einzelfall übernommen wird, richtet sich nach Teil B der Hilfsmittelrichtlinie. Dort ist konkretisiert, wann etwa welche Gläsertypen verordnungsfähig sind, wann Anspruch auf Kontaktlinsen besteht und welche Leistungen gänzlich ausgeschlossen sind (Beispiel: entspiegelte Gläser und Brillenfassungen).

Wenn kein Anspruch auf Kostenübernahme der Sehhilfe aus medizinischen Gründen gegenüber der GKV besteht und die betreffende Person wegen ihrer finanziellen Situation einen Bedarf an Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (Hartz IV) oder dem SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) hat, gilt Folgendes: Die Sehhilfe (Brille, Kontaktlinsen etc.) ist aus dem monatlich gezahlten Regelbedarf zu finanzieren, ggf. durch Ansparen über einen längeren Zeitraum. Einen Anspruch auf Kostenübernahme für Sehhilfen zusätzlich zum Regelbedarf gibt es weder nach dem SGB II noch nach dem SGB XII. Möglich ist nur ein Antrag auf ein ergänzendes Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II bzw. § 37 Abs. 1 SGB XII. Die Reparatur von Sehhilfen wiederum wird als Sonderbedarf (sogenannte einmalige Bedarfe) anerkannt (§ 24 Abs. 3 Nr. 3 SGB II bzw. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII) finanziert.

3.5 Digitale Gesundheitsanwendungen

Versicherte der GKV haben gemäß § 33a SGB V einen Rechtsanspruch auf Versorgung mit einer zugelassenen und von einem Arzt bzw. einer Ärztin verordneten digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA). DiGA sind zertifizierte Medizinprodukte, die – etwas vereinfacht gesagt – der Diagnose, Behandlung, Linderung oder Kompensation von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen dienen. Die DiGA wird von Patientinnen bzw. Patienten oder von Leistungserbringern und Patientinnen bzw. Patienten gemeinsam genutzt. DiGAs, die sich speziell an Menschen mit Augenerkrankungen oder Sehverlust wenden, sind bislang nicht erhältlich. Auch ist trotz mehrfacher politischer Intervention seitens des DBSV bislang leider nicht gewährleistet, dass die zertifizierten Anwendungen barrierefrei programmiert und damit für blinde und sehbehinderte Menschen überhaupt nutzbar sind. Eine Liste der verfügbaren und verordnungsfähigen DiGAs finden Sie unter: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis

4 Mobilitätstraining und Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten

Das Orientierungs- und Mobilitätstraining wird im Rahmen der Hilfsmittelversorgung als Einweisung in den Gebrauch des Blindenlangstocks oder zusätzlicher elektronischer Orientierungs- und Mobilitätshilfsmittel gewährt. Es umfasst grundlegende Verhaltenstechniken und Fähigkeiten (u. a. Übungen zur Nutzung eines ggf. vorhandenen Restsehvermögens, Sensibilisierung der übrigen Sinne, Körperschutztechniken, grundlegende Orientierungstechniken, Fortbewegung mit sehender Begleitung, Übungen zur Einschätzung des Verkehrsgeschehens etc.), hilfsmittelbezogene Inhalte sowie die Orientierung und Fortbewegung in verschiedenen Situationen. Die Schulung findet in der Regel am Wohnort der Versicherten statt, kann – zumindest teilweise – aber auch in sogenannten Intensivlehrgängen erfolgen. Gründe für eine erneute Schulung sind etwa: Zunahme der Sehminderung, Hinzutreten weiterer Beeinträchtigungen, das Erlernen bislang noch nicht erfolgter Inhalte etc., nicht aber automatisch ein Wohnortwechsel.

Da die für die Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) speziell ausgebildeten Rehabilitationsfachkräfte nicht den Heilhilfsberufen zugeordnet werden können, fehlt es an einer gesicherten Rechtsgrundlage für eine Finanzierung dieser Schulung durch die GKV. Eine Basisschulung kann jedoch gemäß einer von den GKV-Spitzenverbänden am 13.09.2006 beschlossenen Leistungsempfehlung als freiwillige Leistung durch die GKV finanziert werden. Ausgeschlossen von diesen freiwilligen Leistungen sind allerdings von Geburt an blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen – und die Zuschüsse decken überdies bei Weitem nicht die regulären Kostensätze ab. Nachrangig kommt eine Kostenübernahme durch die Träger der Eingliederungshilfe als Leistung der sozialen Teilhabe (siehe dazu Kapitel X) sowie für Schülerinnen und Schüler als Leistung der Teilhabe an Bildung (siehe Kapitel V, 3.2.1) in Betracht.

5 Fahrtkosten und Kosten für eine Begleitperson

Die Übernahme von Fahrtkosten durch die Krankenkassen ist in § 60 SGB V sowie der vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Krankentransport-Richtlinie geregelt. Die Kosten werden grundsätzlich nur übernommen, wenn die Fahrt „zwingend medizinisch notwendig“ ist. Krankenfahrten zu medizinisch notwendigen ambulanten Behandlungen behinderter Menschen mit Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung), „Bl“ oder „H“ (siehe dazu Kapitel III, 3) und für Pflegebedürftige der Pflegegrade 3 bis 5, wenn sie aufgrund einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung einer Beförderung bedürfen, gelten als genehmigt, sofern sie ärztlich verordnet werden. Welches Verkehrsmittel zu nutzen ist, ist im Einzelfall vom Arzt oder der Ärztin zu entscheiden. Für Fahrten zu Rehabilitationsmaßnahmen gelten Sonderregelungen.

Gemäß § 11 Abs. 3 SGB V umfassen die Leistungen bei stationärer Behandlung (Krankenhaus, Rehabilitationseinrichtung) auch die „aus medizinischen Gründen notwendige Mitnahme einer Begleitperson“. Der verordnende Arzt oder die Ärztin muss begründen, dass die Begleitperson wegen Art und Schwere der Erkrankung der Patientin bzw. des Patienten und im Interesse einer zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung notwendig ist. Eine Mitnahme einer Begleitung ist in solchen Fällen auch bei der Inanspruchnahme einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme möglich. Die Krankenkassen übernehmen nicht ohne Weiteres die Kosten für die Begleitung während des gesamten Aufenthaltes, sondern oft nur für die Begleitung bei der An- und Rückreise, wenn dies ausreichend erscheint. In all diesen Fällen geht es aber nur um die Kosten der Mitaufnahme der Begleitperson. Ergänzend ist die Frage zu beantworten, wie die Kosten für die Beschäftigung der Assistenz bzw. deren Aufwendungen zu tragen sind. Bislang werden nur die Kosten für die notwendige Pflege im Sinne des SGB XI und XII übernommen, wenn die Pflege im sogenannten Arbeitgebermodell organisiert wird, also die Menschen mit Behinderungen die Pflegekräfte selbst angestellt haben. Das kommt selten vor.

Ab dem 01.11.2022 gibt es Neuregelungen für die Finanzierung von Assistenz im Krankenhaus (nicht für die Mitnahme von Assistenz in eine Rehabilitationseinrichtung). Diese Regeln gelten für Menschen mit Behinderungen, die im Alltag Leistungen der Eingliederungshilfe (siehe Kapitel IX) erhalten. Wer ausschließlich Blindengeld oder Pflegeleistungen erhält, profitiert nicht von diesen Regeln. Wenn Bezieherinnen und Bezieher von Eingliederungshilfe zur Sicherstellung der Durchführung einer Krankenhausbehandlung bzw. aus medizinischen Gründen auf die Begleitung von vertrauten Bezugspersonen angewiesen sind, leistet bei einer Mitaufnahme oder ganztägigen Begleitung durch Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld die GKV einen Ausgleich für den Verdienstausfall der Begleitpersonen (§ 44b SGB V). Wie beim Kinderkrankengeld besteht auch für die Dauer des Krankengeldanspruchs nach § 44b Abs. 1 SGB V ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgeber. Erfolgt die Begleitung des behinderten Menschen durch vertraute Mitarbeitende eines Leistungserbringers der Eingliederungshilfe, übernehmen die für die Leistungen der Eingliederungshilfe zuständigen Träger ab dem 01.11.2022 die Personalkosten (§ 113 Abs. 6 SGB IX).

6 Patientenrechte

Maßgeblich ist das Patientenrechtegesetz (PRG). Sinn und Zweck der Regelungen, die sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im SGB V finden, ist die Stärkung der Position der Patientinnen und Patienten gegenüber Leistungserbringern, zum Beispiel Ärztinnen und Ärzten und Krankenhäusern, sowie den Krankenkassen.

Mit den §§ 630a und 630b BGB wird der Behandlungsvertrag gesetzlich verankert.

Die §§ 630c, 630d und 630e BGB verpflichten Behandelnde, Patientinnen und Patienten umfassend und verständlich zu informieren und aufzuklären. Dies reicht von den erforderlichen Untersuchungen über die Diagnose und beabsichtigte Therapie bis zu möglichen Risiken. Damit man sich die Entscheidung gut überlegen kann, muss rechtzeitig ein persönliches Gespräch erfolgen. Eine schriftliche Aufklärung reicht in der Regel nicht aus.

Eine Informationspflicht besteht auch für die mit der Behandlung verbundenen Kosten. Werden bestimmte Kosten nicht von der Krankenkasse oder anderen Leistungsträgern übernommen, müssen Patientinnen und Patienten vor Beginn der Behandlung entsprechend informiert werden. Das betrifft zum Beispiel die individuellen Gesundheitsleistungen (sogenannte IGeL-Leistungen).

Nach den §§ 630f und 630g BGB sind Behandlungsdokumentationen und Patientenakten vollständig und sorgfältig zu führen. Gibt es keine Dokumentation oder ist sie unvollständig, wird im Streitfall zulasten der bzw. des Behandelnden vermutet, dass die nicht dokumentierte Maßnahme nicht erfolgt ist. Darüber hinaus wird Patientinnen und Patienten ein gesetzliches Recht zur Einsichtnahme in ihre Patientenakte eingeräumt, die nur unter strengen Voraussetzungen abgelehnt werden darf.

Der § 630h BGB sieht spezielle Beweislastregelungen für Auskunfts- und Behandlungsfehler vor. Die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sind verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen (§ 66 SGB V). Dies kann durch die Beauftragung und Kostenübernahme für medizinische Gutachten geschehen, die für die Beweisführung erforderlich sind.

Ausführlichere Informationen mit weiterführenden Links erhalten Sie unter anderem auf den Seiten des Bundesministeriums für Gesundheit unter www.bmg.bund.de.