Zahlen & Fakten

Es gibt kaum belastbares Zahlenmaterial zu Sehbehinderung und Blindheit in Deutschland. Ausnahme ist die Datenlage zur Häufigkeit von Augenkrankheiten in Deutschland.

Das Zahlen-Dilemma

Blinde und sehbehinderte Menschen werden in Deutschland nicht gezählt. Das ist eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, wie nützlich empirisch erhobene Daten wären. Der Zahlenmangel führt dazu, dass in vielen Bereichen Verantwortliche auf Vermutungen angewiesen sind, wo sie eigentlich Planungssicherheit bräuchten - als Beispiel sei nur die öffentliche Hand genannt.

Der DBSV fordert deshalb seit vielen Jahren empirisch erhobenes Zahlenmaterial zur Situation der blinden und sehbehinderten Menschen in Deutschland. Besonders wichtig wäre das für den Sehbehindertenbereich, in dem die Betroffenenzahlen anscheinend seit Jahren dramatisch ansteigen (siehe WHO-Zahlen) - aber nichts genaues weiß man nicht.

Die Zahlensituation ist also alles andere als befriedigend. Im folgenden finden Sie die wenigen Zahlen, die es gibt. Die Quellen sind jeweils angegeben.

Definitionen Blindheit/Sehbehinderung

Hier die Definitionen nach deutschem Recht:

  • Ein Mensch ist sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 30 % von dem sieht, was ein Mensch mit normalem Sehvermögen erkennt. (Sehvermögen ≤ 30 %)
  • Ein Mensch ist hochgradig sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 5 % von dem sieht, was ein Mensch mit normalem Sehvermögen erkennt. (Sehvermögen ≤ 5 %)
  • Ein Mensch ist blind, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 2 % von dem sieht, was ein Mensch mit normalem Sehvermögen erkennt. (Sehvermögen ≤ 2 %)

Was bedeutet beispielsweise ein Sehvermögen von 5 %? Die verschiedenen Augenerkrankungen wirken sich extrem unterschiedlich aus (Beispiele finden Sie im Sehbehinderungs-Simulator des ABSV). Ein Sehvermögen von 5 % kann bedeuten,

  • dass ein Mensch einen Gegenstand erst aus 5 m Entfernung erkennt, den ein normal sehender Mensch bereits aus 100 m Abstand erkennt.

Ein Sehvermögen von 5 % kann aber auch bedeuten,

  • dass ein Mensch (wie durch einen Tunnel) nur 5 % des normalen Gesichtsfeldes sieht.

Detaillierte Definitionen finden Sie im Kapitel "Wann gilt jemand als 'blind', als 'hochgradig sehbehindert', als 'wesentlich sehbehindert' oder als 'taubblind'?" der Broschüre "Ratgeber Recht" des DBSV.

Häufigkeit Blindheit/Sehbehinderung (DDR-Zahlen)

Das Ministerium für Gesundheit der DDR veröffentlichte jährlich Zahlen auf Basis der Statistik der Blindengeldempfänger. Blinde Menschen, die kein Blindengeld beantragt hatten, wurden von dieser Statistik nicht erfasst, es blieb also eine Dunkelziffer.

Nach der Wiedervereinigung wurden die DDR-Zahlen per Dreisatz auf ganz Deutschland hochgerechnet. Die Zahl der Sehbehinderten wurde per Multiplikation ermittelt - auf Basis des Erfahrungswertes, dass auf drei blinde ca. zehn sehbehinderte Menschen kommen. So entstanden folgende Zahlen: In Deutschland lebten Anfang der 1990er Jahre

  • ca. 150.000 blinde Menschen
  • ca. 500.000 sehbehinderte Menschen

Häufigkeit Blindheit/Sehbehinderung (WHO-Zahlen)

In Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Island, Italien und den Niederlanden werden blinde und sehbehinderte Menschen gezählt. Die World Health Organization (WHO) wertete Erhebungen dieser Länder bezogen auf das Jahr 2002 aus und kam zu erstaunlichen Ergebnissen, die 2004 veröffentlicht wurden (Resnikoff et al.:  Global Data on visual impairment in the year 2002).

Laut WHO hat sich in den genannten Ländern von 1990 bis 2002 die Zahl der sehbehinderten Menschen um 80 Prozent gesteigert, eine ähnliche Entwicklung muss auch für Deutschland angenommen werden. Hintergrund ist das Phänomen "Alternde Gesellschaft" verbunden mit einer steigenden Lebenserwartung.

Prof. Bernd Bertram hat die WHO-Zahlen ausgewertet und Rückschlüsse auf die Situation in Deutschland gezogen. Demnach gab es im Jahr 2002 in Deutschland

  • ca. 1,2 Millionen sehbehinderte und blinde Menschen

(Prof. Bernd Bertram: Blindheit und Sehbehinderung in Deutschland: Ursachen und Häufigkeit, veröffentlicht in "Der Augenarzt", 39. Jahrgang, 6. Heft, Dezember 2005)

Weil die WHO Blindheit und Sehbehinderung anders kategorisiert als das deutsche Recht (nämlich in WHO-Grad 1-5, statt wie oben), ist nur diese Gesamtzahl auf deutsche Verhältnisse übertragbar.

Häufigkeit Blindheit/Sehbehinderung (Schwerbehindertenstatistik)

Laut Auskunft des Statistischen Bundesamtes gab es am 31. Dezember 2021 in Deutschland:

  • 71.260 blinde Menschen
  • 46.820 hochgradig sehbehinderte Menschen
  • 440.645 sehbehinderte Menschen

Gesamt: 558.725

Der DBSV betrachtet diese Zahlen als gesicherte untere Grenze und geht von höheren Zahlen aus. Grund ist, dass in der Schwerbehindertenstatistik nur Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis erfasst werden, den jedoch viele sehbehinderte und auch einige blinde Menschen nicht besitzen.

Hinweis: Die oben genannten Zahlen weichen von den Zahlen ab, die in der Schwerbehindertenstatistik veröffentlich werden. Grund ist, dass in der Schwerbehindertenstatistik bei mehreren vorhandenen Behinderungen die schwerste Behinderung ausgewiesen wird. Um die Gesamtzahl der Menschen mit einer bestimmten Behinderung zu erfahren, muss man diese beim Statistischen Bundesamt anfordern, was der DBSV getan hat. Die Differenz zwischen den Zahlen der Schwerbehindertenstatistik und den Gesamtzahlen ist beim Thema Blindheit gering (es gibt wenige Behinderungen, die schwerer sind als Blindheit) und bei „sonstige Sehbehinderung“ sehr groß.

Alters- und Geschlechtsstruktur

Das Zentrum Bayern Familie und Soziales stellt auf Anfrage eine Tabelle zur Alters- und Geschlechtsstruktur der Menschen zur Verfügung, die Leistungen nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz erhalten. Die wichtigsten Ergebnisse, Stand Dezember 2022:

  • In Bayern erhalten 11.342 blinde Personen Blindengeld.
  • 3,4 % davon sind minderjährig.
  • Mehr als zwei Drittel (67,4 %) sind älter als 60 Jahre.
  • 39,7 % sind 80 Jahre und älter.
  • 54,8 % sind weiblichen Geschlechts.

Auch hochgradig sehbehinderte Personen erhalten Leistungen nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz. Sie sind in den oben genannten Zahlen nicht berücksichtigt.

Augenkrankheiten in Deutschland

Die Gutenberg-Gesundheitsstudie (Gutenberg Health Study - GHS) ist ein international renommiertes Forschungsprojekt der Universitätsmedizin Mainz. An der GHS haben seit 2007 mehr als 15.000 Personen als Probanden teilgenommen. Im Jahr 2015 wurden die ersten Zahlen zu Augenerkrankungen aus dieser Reihenuntersuchung veröffentlicht. Inzwischen liegen Daten zur Häufigkeit der drei größten Augenerkrankungen Altersabhängige Makula-Degeneration, Glaukom (Grüner Star) und Diabetische Retinopathie vor. Es sind die ersten Zahlen, die sich auf eine groß angelegte und in Deutschland durchgeführte Untersuchung einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe stützen können.

In Deutschland beträgt demnach bezogen auf die Gesamtbevölkerung der

  • Anteil der Menschen mit Altersabhängiger Makula-Degeneration (Spätstadien) 0,59 Prozent (also ca. 480.000 Betroffene)
  • Anteil der Menschen mit Altersabhängiger Makula-Degeneration (Frühstadien) 8,43 Prozent (also ca. 6.938.000 Betroffene)
  • Anteil der Menschen mit Glaukom 1,12 Prozent (also 919.000 Betroffene)
  • Anteil der Menschen mit Diabetischer Retinopathie 1,53 Prozent (also 1.267.000 Betroffene - entspricht 21,7 Prozent der Personen mit bekanntem Diabetes in Deutschland)

Quelle: www.woche-des-sehens.de/augenkrankheiten (letztmalig aktualisiert im September 2020)

Dort finden Sie weitere Informationen zu den Zahlen sowie deren Quellen.

Broschüre „Sehen und Sehverlust in Deutschland“

Im Oktober 2020 wurde in der Broschüre „Sehen und Sehverlust in Deutschland“ aktuelles Zahlenmaterial rund um das Thema „Sehverlust in Deutschland“ veröffentlicht. Im Fokus stehen dabei die drei Augenvolkskrankheiten Grüner Star (Glaukom), Altersabhängige Makula-Degeneration (AMD) und Diabetische Retinopathie. Das Material wurde von Prof. Robert Finger von der Universitätsaugenklinik Bonn und Prof. Alexander Schuster von der Universitätsaugenklinik Mainz zusammengetragen. Es wird ergänzt durch einen Blick auf die weltweite Situation.