Außenwerbung auf Fahrzeugen des Öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV)

Stellungnahme des GFUV vom 21. Januar 2019

Im zunehmenden Maß ist verstärkt zu beobachten, dass die Wagenkästen von Straßenbahnen und Bussen als Werbeflächen genutzt werden. Dabei werden oftmals die äußeren Türblätter sowie Türöffner von der angebrachten Werbung überdeckt. Dieser Umstand trifft häufig sowohl auf eine teilweise oder auch auf eine vollflächige Außenwerbung am Fahrzeug zu.

Verfasser: Eberhard Tölke

Das die Fahrzeugwerbung für die Verkehrsunternehmen eine wichtige und unverzichtbare Einnahmequelle darstellt, ist völlig nachvollziehbar und unumstritten. Dennoch darf Sie die sichere Wahrnehmung und Nutzung von Einstiegstüren und Türöffnern in keinen Fall verhindern.

Die derzeitige Praxis der Anordnung von Außenwerbung auf den Fahrzeugen des ÖPV führt für viele Fahrgastgruppen – nicht nur für sehbehinderte Menschen - dazu, dass sie die Türen und Türöffner nicht mehr erkennen können. Selbst von Menschen ohne Sehbeeinträchtigungen wird übereinstimmend berichtet, dass sie die Türtaster erst nach mehrfachem genauerem Hinsehen erkennen. In der Folge ergibt sich für die Betroffenen eine erhebliche Zugangsschwierigkeit zum ÖPV.

Dies ist umso schwerwiegender, da gerade eine große Nutzeranzahl der Betroffenen alternativlos auf den ÖPV angewiesen ist.

Bereits im frühen Lebensalter beginnt das menschliche Auge zu altern. Farbliche, insbesondere kleinere, Details innerhalb von graphischen Darstellungen lassen sich oftmals nur noch mühsam erkennen. Die allmählich fortschreitende Funktionseinschränkung der Sinneszellen (insbesondere der Zapfen) im menschlichen Auge führen zur Herabsetzung der Kontrastempfindlichkeit. Daher leiden gerade viele ältere Menschen unter dieser Funktionseinschränkung. Hier stößt die medizinische Versorgung an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.

Daher ist es leicht nachvollziehbar, dass sich die Erkennbarkeit für sehbehinderte Menschen, und damit auch für ältere Fahrgäste, noch wesentlich schwieriger darstellt. Hier darf die Werbung die Wahrnehmbarkeit und räumliche Orientierung an Fahrzeugen des ÖPV nicht beeinträchtigen (siehe DIN 32975:2009-12, Abschnitt 4.1 und 4.6).

Vor diesen Hintergrund ist es für eine leichte visuelle Orientierung unabdingbar, für ausreichende Hell-/Dunkel- sowie Farbkontraste zu sorgen. Das bedeutet im angesprochenen Fall konkret, dass die äußeren Türblätter sowie die Türöffner von Straßenbahnen und Bussen generell und ausnahmslos zur Kontrastverbesserung frei von Werbung zu halten sind. Dazu heißt es in der DIN 32975 Abschnitt 4.9.3 „Eine gut zur übrigen Karosse kontrastierende Markierung der Türbereiche und Türen, frei von Werbung, ist sicherzustellen.“
Darüber hinaus müssen die äußeren Türöffner in Hell-/Dunkel- sowie Farbkontrast zum Wagenkasten der Fahrzeuge stehen. Auf diese Weise kann für die Fahrgäste eine Orientierungserleichterung geschaffen werden. Dabei sollte auch bedacht werden, dass sich daraus positive Aspekte für einen zügigen Fahrgastwechsel ergeben können.

Gelegentlich werden zur Verbesserung der Erkennbarkeit von äußeren Türöffnern sogenannte Kontrastringe eingesetzt.

Es sollte hier bedacht werden, dass es für sehbehinderte Betrachter oftmals nicht eindeutig zu erkennen ist, ob der Kontrastring als Bestandteil zum Design der Werbung gehört oder, ob dieser die Wahrnehmungserhöhung der äußeren Türöffner fördern soll. Besonders schwierig ist dies bei Werbeaufdrucken, die aus mehreren Formen und Farben bestehen.

Zunächst müssten bei der Anordnung von Kontrastringen zur Erkennbarkeit die sich bewährten Anforderungen und der Stand der Technik aus den Normen DIN 1450 und DIN 32975 berücksichtigt werden. Dabei spielen die Oberflächengröße und die Gewährleistung des Kontrastes der Kontrastringe zu ihrer unmittelbaren Umgebung eine zentrale Rolle.

In diesem Zusammenhang muss die Erkenntnis berücksichtigt werden, dass, je kleiner der Abstand vom Kontrastring zur Oberfläche der Haltestellenplattform ist (Anordnung in einer Höhe von 85 cm über OFF), desto mehr vergrößert sich der Betrachtungsabstand (vom Kontrastring zum Auge). Entsprechend ist die Breite des Kontrastringes (Betrachtungshöhe) zu vergrößern (siehe E-DIN 30605:2017-04-14, Abschnitt 5.4.2). Insbesondere bei senkrecht angeordneten Sehobjekten, wie dies bei den äußeren Türöffnern bzw. Kontrastringen der Fall ist, trifft dies zu (siehe E-DIN 30605:2017-04-14, Abschnitt 5.4.3).

Weiterführende Hinweise zur visuellen Kontrastgestaltung enthält die DIN 32975:2009-12 „Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung“.

In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber noch ergänzend anzumerken, dass der Blick aus einem Fahrzeug nicht durch halbtransparente Werbefolien beeinträchtigt werden darf (DIN 32975:2009-12, Abschnitt 4.9.3). Leider findet dieser Stand der Technik noch viel zu wenig Berücksichtigung, was viele Fahrgäste als unangenehm empfinden und deshalb eine Fahrt mit der Straßenbahn oder dem Bus nach Möglichkeit meiden.

Es ist abschließend zu empfehlen, dass die Werbe-Freihaltung für Fahrgasttüren und Türöffner im ÖPV, verbindlich in den Nahverkehrsplänen verankert werden. Da diese entsprechend der regionalen Zuständigkeiten erstellt und beschlossen werden, sind hier die Aktivitäten der örtlichen Fahrgastbeiräte bzw. der Blindenselbsthilfe gefragt.