Getrennte Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe

GFUV-Stellungnahme vom 15. März 2021

Ausgangspunkt für die Betrachtung sind die Normen für die Gestaltung und Ausstattung von Fußgängerüberquerungsstellen, wie z.B. die DIN 18040, Teil 3 „Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ und die DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“.

 

Verfasser: Titus Bostelmann

Sehbehinderte und blinde Menschen sind in ihrer Informationsaufnahme auf zusätzliche Reize angewiesen, um sich selbständig sicher im öffentlichen Verkehrsraum zu bewegen und zu orientieren. Diese zusätzlichen Reize können visuell (erhöhter Kontrast), taktil (Bodenindikatoren) oder akustisch (Zusatzeinrichtungen von Lichtsignalanlagen) gestaltet sein. Sich wiederholende und klar identifizierbare Muster bei der baulichen Gestaltung sind dabei Voraussetzung, um die Sicherheit für diese Gruppe zu gewährleisten. Ein Beispiel für diese Muster ist die Anlage von Überquerungsstellen im öffentlichen Verkehrsraum.

Die getrennte Überquerungsstelle mit differenzierten Bordhöhen ist eine der empfohlenen Varianten zum Ausbau von Überquerungsstellen. Grundsätzlich fließt bei dieser Variante die Überlegung zur sicheren Querung von rollenden Passanten (rollstuhl-/Rollator-/Kinderwagennutzer) und sehbehinderten / blinden Menschen durch Trennung der unterschiedlichen Ströme ein. Es wurde in den zuständigen Normausschüssen versucht die Interessen/ Bedürfnisse beider Gruppen zu berücksichtigen und in die Normen einzuarbeiten.

Um die Bedürfnisse gerade sehbehinderter und blinder Nutzer zu verstehen muss man die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Betroffenen in Betracht ziehen.

Anforderung an die Höhe der Bordsteinkanten

Eine sichere und zielgerichtete Nutzung der äußeren Leitlinie (Bordsteinkante) setzt für Langstockläufer eine Höhe von >als 6 cm voraus, optimal >als 10 cm. Dieser Höhenunterschied wird unter den unterschiedlichsten Umweltbedingungen sicher wahrgenommen und kann demzufolge als Orientierungsmerkmal (Abgrenzung Gehbahn und Fahrbahn) sicher eingeordnet werden. Je niedriger die Bordhöhe ist, desto höher ist die Gefahr der fehlerhaften Einordnung dieser Information und kann unbewusst zum Überlaufen dieser Linie führen. Dies hat zur Folge, dass der Langstockläufer plötzlich auf der Fahrbahn läuft und somit eine kritische Gefahrensituation entsteht.

Auch dient die Bordsteinkante zur Ausrichtung und ist so Voraussetzung für eine sichere Querung. Grundsätzlich ist die vorgesehene Bordhöhe von 6 cm ein Mindestmaß für eine sichere Wahrnehmung und Nutzung und muss beibehalten werden. Bei der zweiten Variante, der gemeinsamen Überquerungsstelle mit einheitlich 3 cm Bordhöhe ist der Kompromiss von 3 cm Kanten gefunden worden, was einerseits die Überrollbarkeit für rollende Passanten und andererseits die Wahrnehmung für Langstockgänger gerade noch ermöglicht. Nur unter optimalen Bedingungen (Möglichkeit wesentlich erhöhter Aufmerksamkeit, Verkehrsaufkommen, Qualität der Bodenindikatoren) sind diese 3 cm als Abgrenzungs- und Ausrichtungselement nutzbar.

Dieser Kompromiss ist für beide Nutzergruppen nur bedingt hilfreich – die Rollstuhlfahrer haben trotz Abrundung Schwierigkeiten mit dem Überrollen und die Langstocknutzer müssen eine enorme Leistung erbringen, um die Kante wahrzunehmen. Beim Bau dieser Querung ist auch eine negative Toleranz nicht auszuschließen, so dass in den meisten Fällen gar keine 3 cm zur Verfügung stehen. Des Weiteren wird diese 3 cm im Kreuzungsbereich sehr häufig vom Schwerverkehr überfahren und somit noch weiter auf das Niveau der Fahrbahn gebracht. Somit kann die 3 cm-Lösung keinesfalls Teil der getrennten Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe sein.

Ziel der Querung mit differenzierter Bordhöhe ist die bessere Nutzbarkeit dieser Querung durch die unterschiedlichen Nutzergruppen. Für die Rollstuhlnutzer wird mit der 0 Absenkung die barrierefreie Überrollbarkeit gewährleistet. Daher ist der Kompromiss 3 cm hinfällig und es muss auch den Langstocknutzern die sichere Nutzung zugestanden werden, um eine Schlechterstellung dieser Gruppe zu verhindern. Zudem ist auch die zunehmende Elektromobilität zu berücksichtigen, die dafür sorgt, dass durch eine erschwerte Wahrnehmbarkeit der Fahrzeuge eine zusätzliche Gefährdung entsteht, da eine für blinde und sehbehinderte Verkehrsteilnehmende lebenswichtige Informationsquelle durch nur noch eingeschränkt wahrnehmbare Akustik an Informationsgehalt verliert.

Absicherung der Nullabsenkung

Bei der getrennten Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe wird eine Nullabsenkung eingebaut, um den rollenden Passanten die Querung zu erleichtern. Die Breite sollte im Regelfall 1,0 m nicht überschreiten, was der Breite eines Rollstuhls plus Sicherheitsabstand entspricht und somit ausreichend Platz bietet. In Ausnahmefällen (bei Einrichtungen mit erhöhten Querungsaufkommen durch Rollstühle/ Rollatoren) sollte eine Breite von maximal 2,0 m nicht überschritten werden, hier ist die gefahrlose Begegnung möglich. Dieser Vorteil der Nullabsenkung für den rollenden Verkehr darf nun nicht zum Nachteil für die Langstockläufer werden. Für sie geht von dieser Nullabsenkung durch die Möglichkeit des ungewollten Betretens der Fahrbahn die größte Gefahr aus!

Daher ist an dieser Stelle dafür zu sorgen, dass ein zufälliges Überlaufen nicht möglich ist. Für diese Absicherung ist ein Sperrfeld vorgesehen und notwendig. Dieses Sperrfeld muss über die gesamte Breite (inklusive der Verziehungen) der Nullabsenkung verlegt sein, um diese Gefahrenstelle eindeutig kenntlich zu machen und den Langstockläufer aus dem Gefahrenbereich herauszuführen. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Tiefe des Sperrfeldes. Um eine sichere Wahrnehmung zu gewährleisten ist eine Tiefe von 90 cm zu empfehlen. Grund hierfür ist die Pendelbewegung des Langstockes. Bei schmaleren Sperrfeldern besteht, besonders bei Verschmutzungen, die Gefahr des Überpendelns bzw. bei nicht ausreichender Richtungssicherheit der Nichtwahrnehmung dieses Bodenindikators.

Zusammenfassung

Zusammenfassend muss beim Ausbau der Querung mit differenzierter Bordhöhe darauf bestanden werden für die Langstocknutzer eine sichere Abgrenzung zur Fahrbahn zu gewährleisten. Diese Abgrenzung ist hier nur durch die 6 cm Bordhöhe zu erreichen.