Rückblick Louis Braille Festival
Der folgende Rückblick auf das Louis Braille Festival ist der Sichtweisen-Ausgabe September 2019 entnommen.
Film zum Louis Braille Festival 2019
Film zum Louis Braille Festival 2019 (mit Audiodeskription)
Film zum Louis Braille Festival 2019 (mit Untertiteln)
Louis Braille Festival 2019
Ein großes Fest der Begegnung, des Austauschs, der Inklusion und des Miteinanders war es: das Louis Braille Festival, zu dem der DBSV und die Deutsche Zentralbücherei für Blinde Anfang Juli nach Leipzig eingeladen hatten. Mehr als 3.000 Menschen waren der Einladung gefolgt. Sie erlebten bei Sonnenschein einen tollen Mix aus Konzerten, Mitmach-Aktionen, Lesungen, Workshops, Filmen und Shows. Sie mussten sich nur entscheiden.
Titel Sichtweisen 09/19: Über drei Zeilen verteilt, weiß auf leuchtend rot „Sichtweisen“ in fragmentierten Buchstaben. In einem sonnengelben Kasten auf halber Höhe und darunter in weiß gut lesbar "Sichtweisen" und Themen der Ausgabe. Links unten ein Foto von Raul Midón, der Gitarre spielt und singt.
Direkt zu den Artikeln
Musik – zum Hören, Mitsingen, Tanzen
Die großen Shows des Festivals
Vergebung macht Neuanfang möglich
Spiel, Spaß, Sport, Shows und Safari
Feiern ohne Pflichtprogramm
Von Tina Below und Ute Stephanie Mansion
Nach den Eröffnungsreden hatten die mehr als 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des vierten Louis Braille Festivals die Wahl zwischen vielen Veranstaltungen im Zoo, in der Kongresshalle und in der Stadt Leipzig. Dort stieg das Festival Anfang Juli. Neben den großen Abendshows, den Konzerten und Workshops gab es auch zahlreiche kleinere Angebote, die ebenfalls viele Gäste anzogen.
Verlockend liegt der Leipziger Zoo direkt neben der Kongresshalle und lädt zu einem Rundgang ein. Doch etliche haben sich vorläufig dagegen entschieden und es sich lieber auf Holzbänken im Konzertgarten des Zoos bequem gemacht. Sie hören und sehen zu, als auf der Bühne im Konzertgarten das Louis Braille Festival eröffnet wird. Am Freitagnachmittag ist es so weit.
Der Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands, Klaus Hahn, erklärt bei der Eröffnung, dass das Louis Braille Festival zwei Anliegen verfolge: „Es ist ein Dankeschön an die Mitglieder der Vereine, vor allem an die ehrenamtlich Tätigen. Sie sollen einmal feiern ohne Pflichtprogramm.“ Außerdem gehe es darum, den Leuten in der jeweiligen Festival-Stadt zu zeigen, was blinde und sehbehinderte Menschen können. Oft würden sie nämlich auf eine Eigenschaft, eben blind oder sehbehindert, reduziert, obwohl sie viele weitere hätten. Auch der Oberbürgermeister von Leipzig, Burkhard Jung, und Zoodirektor Jörg Junhold begrüßen die aus ganz Deutschland angereisten Gäste in der „schönsten Stadt Deutschlands“ mit dem „schönsten Zoo Deutschlands“. Der Zoodirektor hat zum Festivalauftakt zwei Lamas mitgebracht, die jeder streicheln kann, der will.
Wer einmal vor der Bühne im Zoo sitzt, könnte dort die drei Festivaltage lang sitzen bleiben, denn es gibt ständig Programm. Musiker treten auf, und Uta Serwuschok und Thomas Störel unterhalten die Gäste unter dem Titel „Moni und Manni gehn bei die Giraffen“ mit musikalischem Kabarett. Uta Serwuschok stellt dabei Ausschnitte aus ihrem Buch „Komm, mir gehn bei die Giraffen“ mit selbsterlebten Zoogeschichten vor.
Den Auftakt zu den mehrmals stattfindenden Tierpflegesprechstunden macht am Freitag Christian Ludwig, der stellvertretende Leiter der Tropen-Erlebniswelt Gondwanaland. Der gelernte Gärtner hat einige Pflanzen zum Erkunden mitgebracht, darunter eine Bananenstaude, wilde Avocados sowie die Früchte des Ledermantel- und des Kalebassenbaums. Dazu gibt er Einblicke in seine Arbeit.
Auf einer Event-Fläche im Zoo können sich die Festivalbesucherinnen und -besucher auch sportlich betätigen, nämlich eine Kletterwand erklimmen, Trampolin springen und die Sportarten Schießen und Showdown ausprobieren. Die Stationen finden Anklang bei Jung und Alt und werden auch von Nicht-Festival-Gästen rege genutzt.
Besonderes Highlight ist die Zoo-Rallye am Samstag, die zum spielerischen Entdecken des Zoos einlädt. An der ersten Station im Gründer-Garten erhalten die Teilnehmenden ihren „Entdecker-Pass“, der in großer Schrift und Punktschrift bedruckt ist. Er führt zu sechs im Zoo verteilten Mitmachstationen, an denen Objekte zum Tasten, Fühlen und Schnuppern warten. So gilt es zum Start, eine bronzene Tigerstatue und verschiedene Düfte richtig zu identifizieren.
An der Lama-Anlage können zwei rund 20 Zentimeter große Plüsch-Lamas und echtes Lamafell in einer Dose befühlt werden. An jeder Station der Rallye erwarten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zoos die Teilnehmenden und geben ausführliche Informationen zu „ihren“ Tieren. Der Entdeckerpass wird an jeder Station gestanzt, und wer ihn am Ende der Rallye abgibt, darf sich über eine kleine Überraschung freuen. Das schaffen allerdings nicht alle, denn die Stationen sind nicht ganz leicht zu finden. So legen manche den Plan beiseite und lassen sich einfach durch den Zoo treiben. Dennoch sind alle Mitmachstationen immer gut besucht und bieten viele Aha-Erlebnisse. Die Verantwortlichen im Zoo sind begeistert von dem hohen Zuspruch, den die Rallye findet.
Die Deutsche Zentralbücherei für Blinde (DZB), die nicht weit entfernt vom Zoo ihren Sitz hat, ist Mitausrichterin des Festivals. Da die Einrichtung in diesem Jahr 125 Jahre alt wird, findet das Festival überhaupt in Leipzig statt. Zur Geburtstagsfeier lädt die DZB am Freitag des Festivals die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihre Räume ein. Lesungen mit DZB-Hörbuchsprecherinnen und -sprechern und Punktschriftleserinnen und -lesern locken am Samstag Hörbuchfans in den Bach-Saal der Kongresshalle.
Zum Ausklang des Festivals erinnert DBSV-Geschäftsführer Andreas Bethke im Konzertgarten des Zoos an die Anfänge des Festivals: 2006 entwickelt sich der Gedanke „Wir brauchen mehr Mut und müssen mehr zusammen feiern“. 2009 ist es mit dem ersten Festival in Hannover so weit, in dem Jahr, in dem Louis Braille 200 Jahre alt geworden wäre.
Zehn Jahre und zwei Festivals später ist es in Leipzig ein zusätzliches Anliegen, sich sichtbar zu machen. Das sei beim vierten Louis Braille Festival gut gelungen: „Es ist bunt in der Stadt, wir sind sichtbar, das ist traumhaft“, so Bethkes Fazit. Auch DZB-Direktor Prof. Dr. Thomas Kahlisch zeigt sich begeistert: „Es war wunderschön, es war megageil!“
Musik – zum Hören, Mitsingen, Tanzen
Von Tina Below, Lavinia Knop-Walling, Ute Stephanie Mansion
Ein Schwerpunkt des Louis Braille Festivals in Leipzig waren die Konzerte, die an jedem der drei Festival-Tage zu hören waren und die die Zuhörerinnen und Zuhörer begeisterten. Ob auf der Bühne im Zoo, in der Kongresshalle oder auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz in der Innenstadt: Musik war überall. Ein großer Teil der Musikerinnen und Musiker ist übrigens auch blind oder sehbehindert.
Raul Midón: Virtuose auf der Gitarre
Der Mann kann Gitarre spielen wie vermutlich nur wenige andere Menschen auf der Welt: Raul Midón, aus den USA stammender blinder Singer-Songwriter, der mit zwei seiner Alben auch schon mal für einen Grammy in der Kategorie Bestes Jazz-Vokal-Album nominiert war. Eines davon, das zugleich sein jüngstes ist und 2017 erschien, heißt „Bad Ass And Blind“, was ungefähr so viel wie „Dummkopf und blind“ bedeutet. Es sind hauptsächlich Songs aus diesem Album, die Raul Midón während seines Konzerts auf dem Louis Braille Festival präsentiert. „Sound Shadow“ und „All that I Am“ zum Beispiel, und mit jedem beweist er seine unglaubliche Virtuosität auf der Gitarre. Das Publi-kum ist begeistert und teilt das durch Applaus und Rufe mit. Schon während er noch spielt, geraten die Zuhörerinnen und Zuhörer beim Song „Sunshine“ aus dem Häuschen, denn der Musiker trommelt dabei eine Zeitlang mit der rechten Hand auf zwei Bongos, die er vor sich stehen hat, mit der linken bringt er es fertig, der Gitarre noch Töne zu entlocken, und mit dem Mund imitiert er ein Blasinstrument. Unglaublich.
Schade, dass es nach der „Gogelmosch“-Show im Großen Saal der Kongresshalle viele zurück in ihre Hotels zog. Der umjubelte Auftritt des Ausnahmemusikers entgeht ihnen so. Der eine oder die andere hat vielleicht Glück und erlebt ihn doch noch oder noch einmal während der Samstagabend-Show auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz, wo ihm wieder alle zujubeln.
Wer Raul Midón in Leipzig verpasst hat oder ihn noch einmal live erleben möchte, hat dazu an folgenden Terminen Gelegenheit: 5. Dezember, 20 Uhr, Dortmund (domicil), 18. Dezember, 22:30 Uhr, Berlin (Quasimodo), 20. Dezember, 20 Uhr, Leverkusen (Scala Club).
Dota: Gute Laune am Samstagabend
Zu Beginn des Konzerts der Berliner Band Dota haben sich viele junge Leipziger unter die Festivalbesucherinnen und -besucher auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz gemischt. Sie stehen neben den voll besetzten Bierbänken, wippen und tanzen mit. Dazu passt die Ansage der Sängerin: „Wir haben etwas zum Tanzen mitgebracht.“ Die Band tritt mit vier Personen auf: der Liedermacherin Dota (Dorothea Kehr), dem Gitarristen Jan Rohrbach, dem Keyboarder Jonas Hauer und dem Schlagzeuger Janis Görlich. Sie begeistern das Publikum mit eingängigen Pop-Melodien, einer Mischung aus zeitkritischen Liedern und Liebesliedern; alle Texte sind auf Deutsch. In diesem Jahr erhielt die Band den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson/ Musik/Lied. Die Sängerin trägt sehr zur guten Laune auf dem Platz bei, sie interagiert viel mit dem Publikum.
Bei dem bekannten Lied „Rennrad“ von dem 2016 veröffentlichten Album „Keine Gefahr“ singt und tanzt das Publikum ausgelassen mit. Im Anschluss kündigt die Sängerin an, dass es nun „düster und wirr“ wird. In dem folgenden Lied kommt die Liedzeile „Bringt mich von hier fort“ vor, doch das wünscht sich auf dem Platz vermutlich gerade keiner.
Als Dota das letzte Lied ankündigt, geht ein enttäuschtes Raunen durch die Reihen. Es folgen laute Rufe nach einer Zugabe, die die Band mit dem Lied „Aber Hey“ erfüllt. Darin geht es um einen lässigen Mann, den die Sängerin begehrenswert findet, die aber „in diesem Leben leider nicht mehr so lässig wie du“ wird. Das wird relativiert durch die Aussage „Aber hey, hey was soll’s, ich bin nicht cool, aber ich leuchte bei Nacht“. Für diesen Abend stimmt das mit dem Leuchten auf jeden Fall, dafür sorgen die vielen Scheinwerfer auf der Bühne. Das Ende des Liedes singt die Sängerin abwechselnd mit dem Publikum.
Dass sie zum Abschluss das Lied „Utopie“ singt, begründet Dota damit, dass es gut sei, mit etwas Positivem aufzuhören. Im Refrain heißt es „Ich hab viel zu viel Ärger und viel zu wenig Wut“. Die Worte sind bei DBSV-Geschäftsführer Andreas Bethke hängen geblieben, er wird sie am nächsten Tag beim Ausklang des Festivals zitieren. Und dann folgt doch noch ein Liebeslied, was wiederum auch ein schöner Abschluss ist.
Dota tourt noch für den Rest des Jahres durch ganz Deutschland. Das nächste Konzert in Leipzig findet am 1. Februar 2020 im Täubchenthal statt. Alle Tourdaten unter https://kleingeldprinzessin.de
Gerlinde Sämann: In die Welt der Romantik geflogen
Das musikalische Programm beim Festival ist abwechslungsreich, viele Genres sind vertreten, und so darf natürlich die Klassik nicht fehlen. Sie wird vertreten durch Gerlinde Sämann, eine blinde Sopranistin. Mit Claude Weber am Klavier bietet sie im Bach-Saal Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann, Helen Buchholtz, Johannes Brahms und Fanny Hensel-Mendelssohn dar. „Auf Flügeln des Gesanges“ ist das Konzert überschrieben, und Gerlinde Sämann fliegt mit ihren Zuhörerinnen und Zuhörern vor allem in die Liederwelt der Romantik. Von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) singt sie beispielsweise „Der Mond“ und das namengebende „Auf Flügeln des Gesanges“ (Text: Heinrich Heine). Von Clara Schumann stammen die Melodien der Lieder „Liebst du um Schönheit?“, „Warum willst du and‘re fragen?“ und „Geheimes Flüstern“.
Über die luxemburgische Komponistin Helen Buchholtz berichtet die Sängerin, dass ihre Lieder lange als verschollen galten und die Noten erst nach ihrem Tod gefunden wurden. Die Musikwissenschaftlerin Danielle Roster habe Buchholtz (1877–1953) wiederentdeckt. Buchholtz habe einen „sehr speziellen Stil“, erzählt Sämann, der es ihr und Weber aber angetan hat, denn sie haben eine Doppel-CD mit einer Auswahl von Buchholtz‘ Liedern veröffentlicht (Titel: „Und hab‘ so große Sehnsucht doch …“). In Leipzig lassen sie davon zum Beispiel „Meine Mutter hat’s gewollt“ (Text: Theodor Storm) und „Einsamkeit“ (Text: Anna Ritter) erklingen.
Mehr Infos unter www.gerlinde-saemann.de
Vokuz: Hip-Hop voller Power
„Habt ihr Bock?“, ruft Vokuz in den Saal, und die Handvoll Leute, die am Anfang da ist, antwortet laut: „Jaaa!“ Weil Vokuz, der blinde Rapper aus Frankfurt, mit seinem Team nämlich im Stau stand, fängt sein Konzert im Bach-Saal verspätet an. Der Saal hat sich nach dem Konzert, das zuvor stattfand, weitgehend geleert, doch als der Hip-Hopper mit seinem Rap-Sprechgesang loslegt, füllt er sich wieder. Hip-Hop heißt übrigens die Musikrichtung, Rap der Sprechgesang. „Ich setze alles auf Musik“, erzählt der 24-Jährige, der seit sechs Jahren blind ist. Da das Leben nun kein erträumter Film mehr für ihn ist, heißt ein Song „Kein Film“. Der Applaus ist so laut, als wäre der Saal voll. Vokuz singt seine deutschsprachigen Songs, zum Beispiel „Geist“ und „Alien“, so engagiert und kraftvoll, als wäre es ihm sowieso egal, ob ihm viele oder wenige zuhören. Vor allem junge Leute zieht es in den Saal, und am Ende fordern sie eine Zugabe. Die gibt Vokuz natürlich – voller Power, wie immer.
Mehr Infos unter https://de-de.facebook.com/VokuzMusik
Blind Date: Die Kunst, blind einen Kanon zu singen
Als der Chor Blind Date im Großen Saal der Kongresshalle singt, ist es ganz leise im Zuschauerraum. Die blinden, sehbehinderten und sehenden Sängerinnen und Sänger treffen sich in wechselnder Besetzung einmal im Jahr zu einem zwei- bis dreitägigen Sing-Workshop.
In Leipzig singen sie besonders poppige Lieder, am Klavier begleitet von Chorleiter Holger Kunz. Für Lacher sorgt besonders das Lied „Lollypop“ wegen einer Sängerin, die beim Refrain ein Plopp-Geräusch ausstößt. Als der Chor einen Kanon singt, macht Kunz einen Witz darüber, dass man mit blinden Menschen zwar einen Kanon singen könne, aber wie man ihn wieder beendet, stehe auf einem anderen Blatt. Wenn man weit hinten sitzt, klingt der Chor leider etwas gedämpft.
David Sick: Ein Mann, zwei Gitarren
Nach der offiziellen Eröffnung am Freitagnachmittag übernimmt David Sick mit seinen beiden hellbraunen Akustikgitarren die Bühne des Konzertgartens im Zoo. Die Lieder, die er spielt, sind mal sanft, mal groovig. Er verfügt über eine virtuose Fingertechnik. Wenn er Gitarre spielt, bewegt sich sein ganzer Körper mit. Erst nach dem dritten Lied macht er eine kurze Ansage, meist lässt er seine Musik für sich sprechen. Es scheint, als stehe er nicht gerne im Mittelpunkt, seinen Auftritt absolviert er am linken Rand der Bühne.
Während seines Auftritts bildet sich eine kleine Schlange mit Wartenden bei den beiden Lamas, die links neben der Bühne stehen und sich von den Festivalgästen geduldig ertasten und streicheln lassen. Ein weiteres „Tier“ läuft zur Halbzeit des Konzerts an der Bühne vorbei: das Zoo-Maskottchen Tammi, ein ungefähr zwei Meter großer, jugendlicher Löwe mit grüner Schirmmütze, hellbraunem T-Shirt und grüner kurzer Hose.
Mehr über David Sick unter www.davidsick.de
Daniel Graumann Trio: Jazz und Klezmer
Der Klarinettist Daniel Graumann unterhält sich vor seinem Auftritt angeregt mit Besuchern und muss von einem Band-Kollegen auf die Bühne geholt werden. Seine offene humorvolle Art wird schon in diesen Minuten vor dem Auftritt deutlich und setzt sich in seinen Ansagen fort. So stellt er nach dem ersten Lied seine Bandkollegen vor und vergisst dabei sich selbst, was er lachend nachholt.
Die Reihen der Zuschauer im Bach-Saal füllen sich allmählich. Das Trio spielt eine entspannte Mischung aus Klezmer und Jazz. Nach mehreren ruhigen Stücken kündigt der blinde Musiker an, dass nun ein lebhafteres Stück kommt, weil er selbst auch schon müde wird. Die schnelleren Stücke bringen einige Zuhörerinnen und Zuhörer zum Mitwippen, bei einem Stück wird mitgeklatscht. Manche sind von der Musik so angetan, dass sie im Anschluss an das Konzert CDs bei Daniel Graumann erwerben.
Mehr Infos unter www.danielgraumann.de
Delva: Irland lässt grüßen
Die deutsche Folkband Delva aus München spielt am Sonntagvormittag vor zunächst wenigen Besuchern im Konzertgarten des Zoos – die meisten Festivalgäste besuchen den parallel stattfindenden Gottesdienst. Die Band ist ein Familienprojekt: Die Sängerin Johanna Krins spielt auch Flöte, Klavier und Rahmentrommel, ihre Schwester Judith Krins Geige, deren Mann Michael Löwe Gitarre und Banjo.
Eigene Lieder in deutscher Sprache wechseln sich ab mit Irish Folk Songs. Die Liedtexte sind poetisch und etwas melancholisch. Im Laufe des Konzerts füllen sich die Bänke vor der Bühne teilweise auch mit Zoobesuchern. Auch Zoo-Maskottchen Tammi kommt vorbei und posiert mit Kindern. Auf eine irische Ballade folgt das Lied „Hill of Thieves“ der irischen Folk-Sängerin Cara Dillon, die die Band sehr schätzt. Anschließend spielt Delva die schottische Ballade „Black is the Colour“.
Als letztes Lied spielen sie „Schattentanz“ mit der Textzeile „Die Dunkelheit verschlingt dich nicht, sie ist ein Teil von dir“. Das Konzert endet mit einer irischen Ballade, die die Band als Zugabe anstimmt. Dazu tanzen zwei Paare am Rand der Bühne.
Mehr Infos unter www.delva-band.de
Die großen Shows des Festivals
Von Ute Stephanie Mansion
Abends war Showtime auf dem Louis Braille Festival: Bei „Gogelmosch“ standen am Freitag die sächsische Sprache und Humor im Mittelpunkt. Eine Mischung aus Musik, politischem Talk, Information und Unterhaltung bot die große Samstagabend-Show auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig. Beide Veranstaltungen begeisterten das Publikum.
Blaue Hortensien, Quizfragen und Lachtränen bei der Gogelmosch-Show
Dass die Gogelmosch-Show im Großen Saal der Kongresshalle ein humorvoller Abend werden würde, ließ schon der Auftakt vermuten. Der Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands, Klaus Hahn, und der Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde (DZB), Prof. Dr. Thomas Kahlisch, traten gemeinsam auf die Bühne und rätselten auf witzige Weise, was „Gogelmosch“ bedeutet und wie es auszusprechen ist. Das sächsische Wort bedeutet übrigens Durcheinander.
Der Kabarettist Erik Lehmann führte durch das Programm und schlüpfte mehrmals in seine Rolle als Sachse Uwe Wallisch, in der er sich als „Hobbybastler, Kleingärtner, Mensch!“ vorstellte. An diesem Abend ließ er Uwe Wallisch als Kleingärtner erzählen, wie er eine blaue Gartenhortensie über ebay-Kleinanzeigen verkaufen möchte und dabei an die scheinbar kaufinteressierte Anja gerät, die seine Nerven mit meist überflüssigen Fragen zu der Hortensie arg strapaziert.
Bei einem Quiz beantworteten Freiwillige aus dem Publikum Fragen, die sich um Sachsen, Leipzig und die sächsische Sprache drehten. Gegen sie traten Mitglieder des DBSV-Präsidiums – Klaus Hahn, Jette Förster, Thomas Kahlisch – an. Eine Frage lautete: Welche Aussage über Leipzig ist falsch? – A. Leipzig hat mehr Brücken als Venedig, B. In Leipzig wird der Porsche hergestellt, C. In Leipzig wurde der BH erfunden. Richtig ist Antwort C – der BH wurde in Dresden erfunden, wobei es Vorläufer bereits in der Antike gab. Der Sieger bzw. die Siegerin jedes Quizduells erhielt auch einen Preis: eine blaue Hortensie.
Musik brachte das Quartett Djangophon mit und erhielt viel Applaus für seine swingenden Stücke, gespielt mit Kontrabass, zwei Gitarren und Violine.
Der Kabarettist Gunter Böhnke verstärkte mit seinem Auftritt die humorvolle Seite des Abends. Robbie Sandberg, Jugendreferent des DBSV, trat in der Gogelmosch-Show ebenfalls als Kabarettist auf und erzählte mit trockenem Humor und Selbstironie über die Vorurteile sehender Zeitgenossen, denen er als blinder Mensch im Alltag begegnet – etwa Taxifahrern, die kaum glauben können, dass er selbstständig eine App bedienen kann. Wahrscheinlich tupften manche noch ihre Lachtränen weg, als der nächste Auftritt begann.
Gutgelaunt verließen viele Zuschauerinnen und Zuschauer nach Gogelmosch den Großen Saal. Diejenigen, die blieben, erlebten ein tolles Konzert des blinden US-Musikers Raul Midón
Musik, Tanz, Talk und eine Hymne bei der großen Samstagabend-Show
Die Menge der Tandemfahrerinnen und -fahrer, die vor der großen Samstagabend-Show auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz eintraf und mit viel Applaus empfangen wurde, wollte gar kein Ende nehmen. Sie waren dem Aufruf des Vereins Tandem-Hilfen gefolgt und hatten sich in einer Sternfahrt Leipzig und schließlich dem Platz in der Innenstadt genähert. Mit ihrer Begrüßung war die Show schon fast eröffnet. Bei anfangs warmen, später etwas frischeren Temperaturen hatten sich vor der Bühne zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Louis Braille Festivals eingefunden, die auf Bänken sitzend, viele jedoch stehend, eine abwechslungsreiche und unterhaltsame Show erlebten.
„Leipzig war ein toller Gastgeber“, sagte DBSV-Vizepräsident Hans-Werner Lange zur Eröffnung. „An allen Weichen ist richtig gedreht worden.“ Prof. Dr. Thomas Kahlisch, Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde (DZB), die die Samstagabend-Show organisiert hat, erzählte in seiner kurzen Ansprache, dass er auf die Frage „Wie ist das, blind zu sein?“ immer antworte „Ich mache das Beste draus, denn ich habe nur dieses eine Leben“. Applaus gab es für die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, ohne die das Louis Braille Festival kaum vorstellbar wäre.
Christian Meyer und Florian Eib moderierten die Show. Meyer betätigte sich auch als Sänger, der eine für das Festival geschriebene Hymne sang. Das Publikum motivierte er, kräftig mitzusingen. In dem Song geht es um Inklusion – Textzeile: „Wir sind jetzt schon hier – alle, inklusive dir.“
Zwischendurch begab er sich zu den Ständen auf dem Platz, an denen viele Leipziger Einrichtungen ihr Angebot vorstellten. Meyer führte kurze Interviews mit Ausstellern, die auf den großen Bildschirm auf der Bühne übertragen wurden. So erfuhren die Gäste zum Beispiel, dass das Schauspiel Leipzig in jeder Spielzeit mindestens ein Stück mit Audiodeskription aufführt. Und sie lernten eine Modedesignerin kennen, die Perlen als Braillezeichen auf Kleidung näht und gern ein inklusives Unternehmen aufbauen möchte.
Die Band „Blind Foundation“ sorgte mit Coversongs, etwa „No Roots“ von Alice Merton, für musikalische Einlagen. Auch Raul Midón, der US-amerikanische Ausnahmegitarrist begeisterte die Menge noch einmal mit seiner virtuosen Art, sein Instrument zu spielen (Bericht S. 23).
Zu einer politischen Talkrunde trafen auf der Bühne drei Frauen zusammen: Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Regina Kraushaar, Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, und Carola Hiersemann, Beauftragte der Stadt Leipzig für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Hiersemann sagte, auch in Leipzig sei noch viel Luft nach oben, was die Inklusion von Menschen mit Behinderungen beträfe, vor allem im Bereich Arbeit und Bildung.
Kraushaar erklärte, die Aufklärung und Sensibilisierung nicht-behinderter Menschen müsse noch weiter vorangebracht werden, damit sie verstünden, welche Bedürfnisse behinderte Menschen hätten. Stange bedauerte, dass es noch zu viele Hürden gäbe, damit Menschen mit Behinderungen Lehrer bzw. Lehrerinnen werden könnten.
Dass Rollstuhlfahren nicht am Tanzen hindern muss, bewiesen Rollstuhlfahrer Horst Wehner und Olivia Thiele, die zu Musik aus „Black Swan“ temperamentvoll und einfühlsam lateinamerikanische Tänze zeigten. Das Tanzpaar war bereits dreimal Deutscher Meister im Rollstuhltanz in den lateinamerikanischen Tänzen.
Unterhaltend und zugleich informativ war eine Höraufnahme, in der die blinde Pernille Sonne den Weg von der Kongresshalle zum Wilhelm-Leuschner-Platz ging und dabei kommentierte. Eine ungewöhnliche Darbietung, die vielleicht die Augen öffnet für manche Barrieren im öffentlichen Raum.
Zum Schluss kamen alle Mitwirkenden der Show noch einmal auf die Bühne und sangen mit dem Publikum die Inklusionshymne. Dann hieß es „Bühne frei“ für Dota: Die Berliner Sängerin Dota Kehr und ihre Band gaben ein Konzert und lockten damit noch einmal viele Menschen vor die Bühne (Bericht S. 24).
Wer die Samstagabend-Show erstmals oder noch einmal erleben möchte, kann das auf der Seite des MDR tun: Video Samstagabend-Show
Der Beitrag steht bis 6. Juli nächsten Jahres online.
Ein Markt im Ratefieber
Von Ute Stephanie Mansion
Welches Tier gehört nicht zu den Bremer Stadtmusikanten? Was können Blindenführhunde nicht erkennen? Was schmecken Sie gerade? Fragen über Fragen, die es beim Louis Braille Festival auf dem Markt der Begegnungen bei vielen Ratespielen zu beantworten galt. Die Einrichtungen, die sich präsentierten, informierten aber auch in Gesprächen und mit Broschüren über ihr Angebot.
Der Markt der Begegnungen trägt seinen Namen zu Recht, stelle ich fest, als ich am Stand des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin (ABSV) Platz nehme, um an einem Quiz teilzunehmen. Die Konkurrenten rechts und links neben mir kenne ich nämlich von Berufs wegen – ihre Namensschilder kann ich, jedenfalls aus der Nähe, noch lesen. Während meines Rundgangs über den Markt der Begegnungen beim Louis Braille Festival werde ich von anderen, die mich wiedererkennen, gegrüßt und lerne neue Menschen kennen – wenn auch nur für kurze Gespräche.
Im Untergeschoss der Kongresshalle Leipzig haben zahlreiche Einrichtungen und Organisationen, die für blinde und sehbehinderte Menschen aktiv sind, ihre Stände aufgebaut. Den Besucherinnen und Besuchern bieten sie während des Festivals Gespräche, Informationen, Aktionen und manchmal auch kleine Geschenke an. Stark vertreten sind die Landesorganisationen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe, und auch der DBSV hat natürlich einen Stand.
Sportlich betätigen kann man sich beim Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen (BVN): Der hat eine große Carrerabahn aufgebaut, auf der sich die Autos durch Muskelkraft in Bewegung setzen: Die Elektrizität, mit der sie betrieben werden, entsteht nämlich, wenn sich jemand auf ein Trimm-Dich-Rad neben der Carrerabahn setzt und ordentlich in die Pedale tritt. „BVN elektrisiert hörbar“ lautet die Botschaft.
Das Ratefieber grassiert auch außerhalb des Fernsehens, und so ist Wissen an mehr als einem Stand gefragt. Der ABSV lässt seine Quiz-Teilnehmerinnen und -teilnehmer die Kategorien, aus denen sie Fragen beantworten sollen, erwürfeln. Ich scheitere an der Kategorie, die ich mir sogar gewünscht habe: Literatur und Film. Dass der Film, in dem Al Pacino einen blinden ehemaligen Leutnant spielt, „Der Duft der Frauen“ heißt, wusste ich nicht.
Eine weitere Bildungslücke offenbare ich am Stand der Deutschen Blindenstudienanstalt Marburg, der blista. Dort lädt Blindenfußball-Trainer Manfred Duensing zu einem Fußballquiz ein. Ja, woher soll ich denn wissen, was die Rautentaktik ist? Wo ich Fußball doch nur bei Europa- oder Weltmeisterschaften gucke? Duensing erklärt es mir anhand eines taktil gestalteten Spielfelds, auf dem die Figuren magnetisch haften. Ertasten kann man am blista-Stand auch Blutkörperchen aus Kunststoff als Beispiel für Unterrichtsmaterial für blinde Schülerinnen und Schüler.
Am Stand nebenan verweist schon die Deko auf die Heimat der Einrichtung, um die es geht: Ein Hirsch auf einer Holzscheibe und ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „I mog di“ sind zweifellos bayerischer Herkunft. Das AURA-Hotel Saulgrub stellt sich vor, und dessen Mitarbeiterinnen im Dirndl haben außer Hirsch und Herz auch Chili- und Bärlauch-Zitronen-Salz aus der Hotelküche mitgebracht – als Beispiele, was die Leckeres und Kreatives herstellt.
Natürlich erhalten die Besucherinnen und Besucher weitere Informationen über das Hotelangebot. Dass man von der AURA-Pension Wernigerode aus tolle Wanderungen machen kann, erklärt mir ein Mitarbeiter der Pension an deren Stand.
Wie man ökologische Grillanzünder herstellt, zeigt Claudia Steigleder am Stand der Nikolauspflege aus Stuttgart. Manche Besucherinnen und Besucher probieren es aus: Man nehme zu einer Kugel geformte Holzwolle und tauche sie in ein Wachsbad (vorher Handschuhe anziehen). Eine einfache Tätigkeit, die in ihrer Einrichtung auch mehrfachbehinderte Menschen ausführen können, erklärt Steigleder.
Nun habe ich schon eine Viertelstunde kein Quiz mehr gemacht, und bevor ich Entzugserscheinungen bekomme, begebe ich mich zum Stand der Bremer Stadtmusikanten oder vielmehr des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bremen. Dort haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als die berühmten Märchenfiguren verkleidet. Ein bis zwei Tiere trifft man sozusagen im Laufe des Tages immer an, bei mir sind es Esel und Katze. Wer möchte, kann ein Quiz rund um die Bremer Stadtmusikanten machen. Viele Fragen sind nicht einfach aus der Erinnerung an das Märchen zu beantworten. Im Vorteil ist, wer schon mal in Bremen war und zum Beispiel weiß, in der Nähe welchen Gebäudes das Denkmal der Stadtmusikanten steht (Antwort: Rathaus).
Bei meinem weiteren Rundgang entdecke ich einen großen Stand mit vielen Brettspielen aus Holz, die auch für seheingeschränkte Spielerinnen und Spieler geeignet sind. Klassiker wie Mühle, Halma und „Mensch ärgere dich nicht“ werden präsentiert, aber auch Zahlen- und Buchstabenlernspiele für Kinder.
Eine App namens NMsee, die es Gästen mit und ohne Handicap ermöglicht, selbstständig durchs Neanderthal-Museum in Mettmann zu gehen, entwickelt zurzeit der Blinden- und Sehbehindertenverband Nordrhein mit der Stiftung des Museums. Noch wird daran getüftelt, werden Testpersonen gesucht. Objekte zum Tasten aber liegen schon am Stand bereit, zum Beispiel ein kleiner Totenschädel, der echt aussieht, es aber nicht ist, wie mir eine Mitarbeiterin verrät.
Zum Abschluss mache ich – wer hätte es gedacht? – bei einem weiteren Ratespiel mit: Am Stand des Blinden- und Sehbehindertenverbands Sachsen-Anhalt ertaste ich kleine Gegenstände, schmecke Schokolade, rieche Kaffee – und erkenne diverse Kräuter leider nicht anhand ihres Geruchs. Vielleicht sollte ich manchen Dingen mit mehr Sinnen meine Aufmerksamkeit schenken.
Auch der DBSV bietet an seinem Stand ein Quiz an: zehn Fragen zum Verband. Die meisten Leute beantworten sieben bis neun Fragen richtig, berichtet mir eine Kollegin. Und sie halten gerne mal die ADele, die Trophäe des Deutschen Hörfilmpreises, in der Hand, die als Keramikfigur zu ertasten ist.
Einfach mal was ausprobieren
Von Felix Högl und Lavinia Knop-Walling
Workshops und manche Stände bieten die Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren. So war es auch auf dem Louis Braille Festival. Die kleinen Schnupperkurse inspirieren im besten Fall dazu, das „Erschnupperte“ auch nach dem Festival weiterzuverfolgen. Felix Högl hat den Stand „Gaming Lab“ mitbetreut und die Gäste zu Smartphone-Spielen beraten. Lavinia Knop-Walling hat bei den Workshops Erste Hilfe und Blind Yoga mitgemacht.
Videospiele im Allgemeinen und Smartphone-Spiele im Besonderen sind selten zugänglich für blinde und sehbehinderte Menschen. Nichtsdestotrotz gibt es Angebote, die für Nutzerinnen und Nutzer mit Seheinschränkungen jeglicher Art zugänglich sind. Computerspiele sind gerade für viele junge Leute ein wesentlicher Bestandteil des Alltags, darum beschäftigen wir vom DBSV-Jugendclub uns mit dem Thema barrierefreie Spiele und haben auf dem Louis Braille Festival an unserem Stand ein Gaming Lab, also ein „Spiele-Labor“, angeboten.
Wir haben unsere sieben Sachen, einschließlich der Leihsmartphones des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin, gepackt und uns auf den Weg zum Weißen Saal in der Kongresshalle gemacht. Im Gepäck hatten wir eine große Auswahl an Spielen aus verschiedenen Genres, also Denk-, Knobel-, Action- und Strategiespiele. Wer wollte, konnte sie beim Gaming Lab testen und sich beraten lassen.
Bei barrierefreien Computerspielen unterscheiden wir meist Audiogames und andere Spiele. Ein Audiogame ist ein Spiel, das komplett ohne Bildinhalt auskommt. Das gesamte Feedback, das einem diese Anwendungen geben, erfolgt auf der Audioebene. Gesteuert werden diese Apps meist über spieleigene Gesten auf dem Display des Smartphones. Demgegenüber stehen die Spiele, die auf den beiden großen Plattformen Android und iOS angeboten werden. Diese sind meist für sehende Menschen konzipiert, oft also für Menschen mit einer Seheinschränkung schlecht oder gar nicht spielbar. Aber manchmal versteckt sich im unglaublich großen Angebot der App-Stores die eine oder andere Perle: Spiele, die durch einen Zufall oder aufgrund ihrer einfachen Benutzeroberfläche spielbar oder ab und zu sogar vollständig barrierefrei sind.
Beim Gaming Lab haben wir Spiele aus allen Genres vorgestellt. Vom Strategie- bis zum Actionspiel war für jeden etwas dabei. Es kamen Leute fast jeden Alters, auch Kinder und Rentner, um Spiele auszuprobieren und sich beraten zu lassen, Anfänger und Fortgeschrittene. Eltern fragten nach geeigneten Spielen für ihre Kinder. Der Zuspruch war am Freitag und Samstag groß.
Einige Studenten der Medienpsychologie haben das Gaming Lab begleitet. Die Gruppe um den Studenten Enrico Schendel hat im Rahmen ihres Studiums ein eigenes Audiogame entwickelt, das sie dem kritischen Urteil der Besucherinnen und Besucher des Gaming Labs unterzogen hat. Erst durften diese also spielen, dann wurden sie von den Studenten befragt.
Das Feedback aller Gäste war durchweg positiv, sowohl in Bezug auf das frisch entwickelte Spiel als auch auf die weiteren Inhalte des Gaming Labs. Und wir erhielten auch viele gute Tipps für Spiele, die bislang unter unserem Radar geflogen sind.
Eine stetig aktualisierte Liste der vorgestellten Spiele ist zu finden unter www.dbsv.org/computerspiele.html
Sollte Ihr Lieblingsspiel nicht auf der Liste stehen, schreiben Sie eine E-Mail an Robbie Sandberg, r.sandberg@dbsv.org
Dazu ein Bild:
DBSV-Jugendreferent Robbie Sandberg am Tisch des Gaming Labs: Er hält Kopfhörer in der Hand, vor ihm liegt ein Smartphone.
Erste Hilfe ohne hinzuschauen
Erste Hilfe für blinde Menschen? Da fragten sich gleich mehrere, die mitmachten beim Erste-Hilfe-Workshop auf dem Louis Braille Festival, ob sie das auch guten Gewissens hinkriegen würden – schließlich muss man im Ernstfall Verletzten helfen. Die Sorge stellte sich als unbegründet heraus. Wir lernten mit Workshop-Leiterin Monique Rauschenbach an drei Stationen, wie körperlich anstrengend eine Herzmassage sein kann, wie schwierig es ist, einen Verband anzulegen und wie schnell man sogar Schwergewichte in eine stabile Seitenlage bringt. Und das alles ohne hinzuschauen, denn für die meisten Erste-Hilfe-Aktionen ist Körperkontakt sogar von Vorteil. Am Ende gingen sogar skeptische Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit neuem Selbstbewusstsein aus dem Kursus hinaus.
Innere und äußere Balance beim Yoga finden
Wir sitzen auf einer dünnen Matte auf dem Boden. Auf Anweisung des Yogalehrers Tobias Weber beginnen wir, den Oberkörper kreisen zu lassen – nach vorne, rechts, hinten, links und wieder nach vorne. Dabei nicht hintenüberzukippen, fällt besonders den Anfängerinnen und Anfängern noch schwer. Beim Blind Yoga geht es darum, in seinen Körper hineinzuspüren und eine innere, aber auch äußere Balance zu finden, zum Beispiel durch Übungen wie dem „Baum“, bei der wir auf einem Bein stehen und den Fuß je nach Gelenkigkeit zur Wade, zum Knie oder sogar bis zum Oberschenkel hochziehen. Tobias Weber und seine Assistentinnen sorgen aber nicht nur dafür, dass wir gewaltig ins Schwitzen kommen. Auch die Entspannung kommt nicht zu kurz. Am Ende liegen wir erschöpft und glücklich auf unseren Matten. Hier und da ist sogar der eine oder andere Schnarcher zu hören.
Mehr Infos unter www.weberyoga.de
Dazu ein Bild:
In einem großen abgedunkelten Saal machen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Yoga-Workshops eine Übung im Vierfüßerstand auf ihren Matten. Vor ihnen steht Tobias Weber.
Vergebung macht Neuanfang möglich
Von Ute Stephanie Mansion
Ein hoher heller Raum ist die Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig. Dort feierten Hunderte von Besuchern am Sonntag des Louis Braille Festivals einen Gottesdienst, in dessen Zentrum das Gleichnis vom verlorenen Sohn stand. Die Geschichte der Kirche, in der einmal auch Martin Luther predigte, reicht weit zurück – und endete vorläufig mit einem lauten Knall.
Ein hoher lichter Raum empfängt die Besucherinnen und Besucher, die am Sonntag des Louis Braille Festivals in die Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig strömen. Säulen sind mit modernen Leuchten versehen, säulenförmige Leuchter hängen von der Decke. Ob die Gäste wissen, welche Geschichte sich hinter der modern gestalteten, erst im Dezember 2017 eingeweihten Kirche verbirgt? Ein Blick in deren Chronik lohnt sich, doch dazu später.
Der Gottesdienst ist feierlich, traditionell. Am Eingang erhält jeder Eintretende wahlweise einen Ablaufplan in Braille- oder Schwarzschrift. Wer der Brailleschrift nicht mächtig ist, ist im Nachteil, denn das Schwarzschrift-Exemplar ist in einer sehr kleinen Serifenschrift bedruckt, die wahrscheinlich auch manchen normal sehenden Besucher herausfordert. Die Lieder, die die Gemeinde singt, werden nicht angesagt.
Das aus blinden Musikerinnen und Musikern bestehende Gesangsquartett „Pro Puncto“ untermalt den Gottesdienst mit teils lateinischen Gesängen, der blinde Kirchenmusiker Professor Holm Vogel spielt die Orgel.
Umkehr und Wiedersehensfreude
Im Mittelpunkt des Gottesdiensts steht das Gleichnis vom verlorenen Sohn aus dem Lukas-Evangelium. Darin verlässt ein junger Mann sein Elternhaus, verprasst das Erbe, das ihm sein Vater ausbezahlt hat, und kehrt schließlich bettelarm zurück nach Hause. Der Vater empfängt ihn voller Freude und veranstaltet ein Fest für ihn. Das sorgt für Unverständnis bei seinem anderen Sohn, der immer bei seinem Vater geblieben ist und ihm gedient hat.
In seiner Predigt hebt Prof. Dr. Peter Zimmerling die Umkehrbereitschaft des Sohnes und die Liebe des Vaters und seine Vergebung hervor. Eine Provokation sei diese uneingeschränkte Vergebungsbereitschaft, durch die jedoch erst ein Neuanfang der Vater-Sohn-Beziehung möglich werde. „Vergebung ist nichts Muffiges, nichts religiös Verklemmtes, sondern ein Fest“, sagte Zimmerling. Das Verhalten des Vaters widerspreche dem Gerechtigkeitsempfinden des Bruders, der damaligen Schriftgelehrten und, so vermutet der Prediger, auch unserer Vorstellung von einem Gott, der gerecht verteilt. Das Gleichnis sprenge Normen, indem es durch die Figur des Vaters von einem großzügigen liebenden Gott spreche.
Kommen wir auf die Geschichte der Universitätskirche zurück, die auch Paulinum genannt wird und heute für Universitätsgottesdienste, akademische Veranstaltungen und Konzerte der Universitätsmusik genutzt wird. Wer einmal nach Leipzig kommt, sollte die Kirche besuchen. Nur einige ältere Skulpturen im modern gestalteten Innenraum der Kirche lassen erahnen, dass sie eine bewegte Geschichte hat. Ein Tastmodell aus Bronze hinter dem Gebäude zeigt, wie sie ursprünglich aussah.
Die Anfänge der Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig liegen im Jahr 1240. Martin Luther predigt am 12. August 1545 in dem damaligen Kirchbau, der an diesem Tag zur ersten deutschen evangelischen Universitätskirche umgewidmet wird und fortan zu Gottesdiensten an hohen Feiertagen sowie als Aula der Universität dient. Später werden regelmäßig Sonntagsgottesdienste in der Kirche gefeiert.
1717 prüft Johann Sebastian Bach die neue Scheibe-Orgel der Kirche und lobt sie sehr. 1847 findet dort die Trauerfeier für Felix Mendelssohn Bartholdy statt. Im Dezember 1943 entfernt der Erste Universitätsprediger Prof. Dr. Alfred Dedo Müller mit Theologiestudenten und Zwangsarbeitern Brandbomben vom Dachboden der Kirche – „unter Einsatz ihres Lebens“, wie es in einer Chronik heißt.
Letzte Gottesdienste
Und dann kommt das Jahr 1968. Mitte April werden noch Ostergottesdienste in der Kirche gefeiert. Doch am 7. Mai beschließt das Politbüro der SED: Die Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig soll abgerissen werden. Der Dekan der Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Ernst Heinz Amberg, macht in einer Senatssitzung der Universität deutlich: „Wir (Anm.: die theologischen Mitglieder des Rates der Fakultät) können zum geplanten Abbruch der Uni-Kirche nur unmissverständlich Nein sagen. Aus diesem Grund kann ich hier im Senat auch nicht einer Willenserklärung zustimmen, in der der Neubau akzeptiert und begrüßt wird, der den Abbruch der Universitätskirche zur Voraussetzung hat.“
Schon am 23. Mai, an Christi Himmelfahrt, feiert die Universitätsgemeinde ihren letzten Gottesdienst in der Kirche. Am selben Tag beschließt die Stadtverordnetenversammlung Leipzig die Sprengung der Universitätskirche. Um 17 Uhr feiert die katholische Propsteigemeinde ihre letzte Messe darin; danach wird das Gebäude abgeriegelt. Der katholische Bischof von Meißen schickt ein Telegramm an Walter Ulbricht und beruft sich auf Mieterschutz, da auch die katholische Gemeinde die Kirche nutze. Nichts hilft: Einen Tag später, am 30. Mai 1968, wird die Universitätskirche gesprengt.
Bilder und Epitaphien (Grabdenkmäler an einer Kirchenwand) konnten größtenteils kurz zuvor geborgen werden, ebenso der spätgotische Altar; die sterblichen Überreste von unter der Kirche begrabenen Menschen (Professoren, Adelige, Bürgermeister, Bürger) sollen an einen unbekannten Ort gebracht worden sein. Heute sind die Epitaphien sowie der Paulineraltar in der neuen Universitätskirche St. Pauli zu sehen.
Führungen durch die Universitätskirche bietet der Paulinerverein an. Anmeldungen unter Tel. 03 41 / 9 83 99 76 oder E-Mail paulinerverein@t-online.de
Tanzen à la Kolumbus
Von Ute Stephanie Mansion
Kreis rechts herum, Kreis links herum – das waren die leichteren Figuren, die beim Square-Dance-Workshop auf dem Louis Braille Festival getanzt wurden. Der amerikanische Volkstanz ist auch für blinde und sehbehinderte Tanzfreudige geeignet, auch ältere. Wichtig ist, die drei Square-Dance-Gebote zu beachten. Da viele den Tanz erstmals wagten, war es dennoch ein wenig chaotisch.
Die Bewegungsfreudigen beim Louis Braille Festival treffen sich im Händel-Saal in der Kongresshalle. Dort stehen Blind Yoga, Square Dance und abends Disco mit DJane Schlotte auf dem Programm.
Ich habe mich für Square Dance entschieden und gehe mit einer ziemlich vagen Vorstellung in die Veranstaltung. In meinem Kopf tauchen ständig Bilder von Line Dance auf, bei dem in langen Reihen getanzt wird – und das ist etwas anderes als Square Dance. Square Dance ist ein amerikanischer Volkstanz, der in Gruppen zu je vier Paaren zu populärer Musik im Viervierteltakt getanzt wird. Die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich innerhalb eines gedachten Quadrats – Square bedeutet Quadrat.
Außer mir haben sich geschätzt 50 bis 60 weitere Square-Dancer eingefunden, was viel ist, auch wenn der Saal relativ groß ist. Einige Leute schauen auch nur zu. Was sie später sehen, hat mit schön getanzten Kombinationen noch nicht viel zu tun, aber wir sind eben Anfänger.
Bevor es losgeht, erklärt Stephan Jacobs, der den Workshop im Namen des Vereins Lion Squares Germany organisiert hat, dass wir nur den Ansagen der Callerin Heike folgen müssten. Das ist das Gute beim Square Dance: Man braucht sich keine genauen Schrittfolgen oder gar ganze Choreographien zu merken. Ein „Ausrufer“ oder eine „Ausruferin“, der sogenannte Caller, sagt das, was als nächstes getanzt werden soll, an. Die Sprache beim Square Dance ist Englisch, doch auch wer das nicht beherrscht, wird sich die Ausrufe und die damit gemeinten Schritt- und Bewegungsfolgen rasch merken können.
Zunächst einmal stellen wir uns paarweise auf, wobei ein Paar nicht prinzipiell aus einem Mann und einer Frau bestehen muss. „Promenade“ ruft Heike, und wir marschieren im Takt der Musik, die sie aufgelegt hat, los. Einfach im Kreis herum – das klappt trotz der vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von denen die meisten blind oder sehbehindert sind, gut.
Dann soll ein Teil der Gruppe einen Innenkreis bilden, und während der äußere Kreis in die eine Richtung promeniert, bewegt sich der innere in die entgegengesetzte. So weit, so leicht. Doch beim Im-Kreis-Marschieren bleibt es natürlich nicht. Wir lernen beim Ruf „Forward up and back“ in die Mitte und wieder zurückzugehen, bei einem anderen Ruf die Hand des Partners loszulassen und nach ein paar Schritten die eines anderen zu ergreifen und einige andere Figuren.
„Man muss zuhören können“
Drei Gebote gibt es beim Square Dance, erklärt uns Heike. Das erste lautet: „Man muss geradeaus gehen können.“ Das zweite – und da wird es für manche schon schwieriger – man muss rechts und links unterscheiden können. Und das dritte – und jetzt wird es ganz schwierig – man muss zuhören können. Ob es daran liegt, dass wir oder manche von uns diese Gebote nicht befolgen, dass die getanzten Figuren anfangs noch recht gut aussehen, nach kurzer Zeit aber Chaos zu herrschen scheint? Nein, sicher nicht, aber es ist eben nicht so einfach, die gerade erst gelernten Figuren im Takt der Musik umzusetzen, besonders, wenn man nicht oder schlecht sieht und von anderen Nicht- oder Schlecht-Sehenden umgeben ist, die auch nicht wissen, ob zum Beispiel die Hand, die sie gerade ergreifen, die richtige ist oder ob es die des Mannes oder der Frau hätte sein sollen, der oder die ein paar Schritte weiter weg steht.
„Beim Square Dance ergeht es einem wie Kolumbus“, verkündet Heike. „Erst wusste er nicht, wo er ankommen würde. Dann wusste er nicht, wo er war, und schließlich nicht, wie er dort-hin gekommen war.“ Damit trifft sie die Verwirrung mancher Tänzerin und manchen Tänzers auf den Punkt.
Dass es den meisten trotzdem Spaß macht, sich zur Musik zu bewegen und die Figuren zumindest auszuprobieren, sieht man ihren Gesichtern an. Mit mehr Übung würde es sicher auch richtig gut klappen, denn schwierig sind die Figuren nicht, und nach einer Weile wird man wahrscheinlich die einzelnen Ausrufe und die mit ihnen verknüpften Bewegungen verinnerlicht haben.
„Sauber“ tanzen ist wichtig
Am zweiten Festivaltag soll es beim Square Dance übrigens viel geordneter zugegangen sein – es tanzten Squares von acht Leuten zusammen, davon ein Teil sehend. Workshop-Organisator Stephan Jacobs hält Square Dance prinzipiell für gut geeignet für blinde und sehbehinderte Menschen, „weil man standardisierte Figuren tanzt und deshalb keinen Überblick über die Tanzfläche braucht“. Wichtig sei, „sauber“ zu tanzen. „Man weiß dann genau, wo man im Square ist“, sagt Jacobs. „Wenn die anderen auch sauber tanzen, ist das alles überhaupt kein Problem.“
Square-Dance-Clubs gibt es in zahlreichen deutschen Städten. Kurse starten häufig im September/ Oktober. Mehr Infos gibt es zum Beispiel unter www.sdinfo.de und auf der Seite der bundesweit organisierten Lion Squares Germany https://lion-squares.de. Der europäische Dachverband, dem fast alle Clubs angehören, hat die Internetadresse https://eaasdc.eu.
Spiel, Spaß, Sport, Shows und Safari
Interviews: Tina Below, Ute Stephanie Mansion
Die mehr als 3.000 Festivalgäste hatten die Qual der Wahl: Rund 120 Veranstaltungen und ein Begleitprogramm mit 40 weiteren Angebote an verschiedenen Orten in Leipzig standen beim Louis Braille Festival zur Auswahl. 14 Besucherinnen und Besucher schildern in den „Sichtweisen“ ihre Eindrücke, Erlebnisse und Höhepunkte.
Aleksander Pavkovic, München:
Für mich am wichtigsten war die Vernetzung: Leute zu treffen, die ich zum Teil vielleicht aus Mailinglisten oder Facebook-Gruppen kenne, jetzt mal persönlich kennenzulernen. Irgendjemand hier hat gesagt: „Das ist wie Kirchentag für Blinde“ – von der Atmosphäre her. Man trifft sich, man ist locker und fröhlich, und die Stimmung ist gut. Ich habe den Eindruck, das überträgt sich auch auf die Leipziger. Wenn ich mit dem Stock unterwegs bin, werde ich schnell angesprochen, wo es hingeht, und die Leute begleiten mich ein Stück weit, auch wenn sie eigentlich woanders hinmüssten, nehmen sich die Zeit und sind sehr freundlich. Also, gefällt mir rundum.
Anne Biedenkapp, Friedberg (Hessen):
Mir gefällt das ganze Drumherum, die verschiedenen Workshops. Ich war unter anderem bei Blind Yoga. Den Workshop „Blickdiagnostik“ fand ich toll und hilfreich. Es ist ein schönes Festival.
Marco Hübner, Friedberg (Hessen):
Es wird viel angeboten für Blinde und Sehbehinderte. Was mir nicht so gut gefallen hat, war der Markt der Begegnungen. Selbst als Sehender fand ich es sehr anstrengend, auch wegen der Lautstärke. Da könnte man vielleicht noch etwas verbessern. Es war auch sehr eng gestellt alles, sodass man schnell den Überblick verloren hat. Ansonsten war die Veranstaltung „Blickdiagnostik“ sehr informativ.
Nils Prause, Osnabrück:
Was mir gut gefällt, ist die Location. Spannend finde ich die Kombination aus draußen und drinnen mit dem Zoo, der hier total eingebunden ist mit der Rallye und den Outdoor-Events, also Showdown, Klettern oder anderen Blindensportarten, was immer man mag. Und hier drinnen in der Kongresshalle, die direkt an den Zoo grenzt, Lesungen und anderes. Wer hier nichts findet, hat ein Problem. Ich ärgere mich, dass ich nur Samstag und Sonntag da bin. Im Nachhinein betrachtet, hätte man auf jeden Fall Freitag kommen müssen.
Manuela Schulz, Jüterbog (Brandenburg):
Ich bin mit der Familie hier, und wir haben das Kinderprogramm genutzt. Da hat die DZB sich sehr viel Mühe gegeben. Wir haben gestern zum Beispiel ein Tastbuch hergestellt, dann waren wir ein bisschen im Zoo gucken. Vorher haben wir das Völkerschlachtdenkmal besucht. In einem Workshop haben wir Rosen und Nelken gebastelt, beim Markt der Begegnungen an einem Quiz teilgenommen und uns allgemein informiert.
Sandra Schirmer, Leipzig:
Das Festival tut viel für Inklusion, die „normalen“ Menschen sehen mal, dass es auch viele blinde Menschen gibt. Gerade für unsere Kinder war es sehr bereichernd, weil sie mit der Situation, dass die Mama nicht gucken kann, doch eher alleine sind. Das Showdown und das Klettern erweitern den Horizont, man lernt neue Dinge kennen, mit denen man sich nie beschäftigt hat. Die ganzen Fördervereine kennenzulernen, war auch eine interessante Erfahrung.
Peter Bobien, Berlin:
Wir hatten ein wenig Schwierigkeiten, das Ganze zu koordinieren, weil mehr Angebot da war, als man machen konnte. Grundsätzlich hat es uns gut gefallen.
Michael Engst, Dresden:
Ich war das erste Mal dabei, und es hat mir prima gefallen.
Larissa Hils, Wettringen (Münsterland):
Ich war zum ersten Mal beim Louis Braille Festival, und mir haben am besten die Samstagabend-Show und der Schmink-Workshop gefallen.
Alexandra Sevcenko, Paderborn:
Meine absoluten Höhepunkte waren das Blind Yoga und die Samstagabend-Show.
Jens Komann, Sonneberg:
Mir hat besonders gut die Safari durch den Zoo gefallen, wo wir eine sehr nette Begleitung hatten, die sich sage und schreibe vier Stunden Zeit für uns genommen hat. Das Berühren und Erschnuppern von Natur und Tieren war eine sehr schöne Erfahrung. Wir haben beispielsweise ein Schnurrhaar von einem Tiger in der Hand gehabt und es ist erstaunlich, wie fest und wie lang das war.
Dominikus Schmiedl, Petershausen (bei München):
Das Beste war auch für mich die Zoo-Rallye. An jeder Station hat man viele Informationen bekommen und konnte sehr viele Dinge anfassen, sich bildlich vorstellen. Der Führhund war allerdings bei der Führhund-Lounge mit Pool frustriert, weil kein Pool da war. Es gab nur zwei kleine Planschbecken.
Jürgen Viesel, Heilbronn:
Die Samstagabend-Show auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz war klasse gemacht. Es war ein bisschen langatmig mit den politischen Fragen, aber sonst war es gut.
Christine Becker, Kyffhäuserkreis:
Die Organisation ist super, das habe ich auch von anderen gehört.
Probe-Exemplar Sichtweisen.
Den Rückblick auf das Louis Braille Festival finden Sie auch in der September-Ausgabe der Sichtweisen. Möchten Sie mehr "Sichtweisen"-Texte lesen, auch zu anderen Themen? Dann fordern Sie ein kostenloses Probe-Exemplar an. Schicken Sie dazu eine Mail an Petra Wolff. Ihre E-Mail-Adresse lautet: p.wolff@dbsv.org.