Was bedeutet das Pflichtteilsrecht und wie wirkt es sich aus?

Wenn Sie ein Testament geschrieben oder durch eine Beurkundung beim Notar errichtet haben, so erhalten nur die von Ihnen im Testament genannten Erben Ihr Vermögen, das bei Ihrem Tod vorhanden ist (= Nachlass). Die Erben sind ihrerseits verpflichtet, Vermächtnisse, die Sie in Ihrem Testament bestimmten Personen zugewendet haben, aus dem Nachlass zu erfüllen, d.h. ein Geldvermächtnis oder eine Sachzuwendung, z.B. Ihren Schmuck oder bestimmte Bilder, an diese Vermächtnisnehmer zu übergeben.

Wenn Sie in Ihrem Testament sog. pflichtteilberechtigte Angehörige nicht zum Erben eingesetzt haben, was Ihnen aufgrund der Testierfreiheit zusteht, haben diese ein Pflichtteilsrecht, d.h. sie können vom Erben eine bestimmte Geldsumme verlangen, die dem Wert ihres Pflichtteilsanspruchs entspricht.

Pflichtteilsberechtigte Personen sind Ihre Kinder und ein Ehegatte oder Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, aber nur dann, wenn eine dieser Personen durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, also Sie andere Personen zum Erben eingesetzt haben.

Der Wert eines Pflichtteilsanspruchs errechnet sich aus einem bestimmten Anteil an dem hinterlassenen Vermögen (Nachlass), wobei die Schulden des Erblassers, die etwa auf dem Nachlass lasten, bei der Berechnung vom Vermögenswert abgezogen werden (sog. Reinnachlass).

Beispiel:

Es wird ein Haus im Wert von 400.000€ vererbt, auf dem noch eine Darlehensschuld von 100.000 € lastet. Reinwert des Nachlasses = 300.000€.

Wie hoch ist nun der Anteil einer pflichtteilberechtigten Person an dem Reinnachlass?

Das kommt auf die Familienverhältnisse des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes an. Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote, die der Pflichtteilsberechtigte bei gesetzlicher Erbfolge, also ohne Testament, erhalten hätte.

Beispiel:

Der Erblasser hinterlässt zwei Kinder und seine Ehefrau und hat ein Testament geschrieben, in dem er seine Ehefrau zum Alleinerben eingesetzt hat.

Seine Ehefrau wird also alleinige Erbin seines Nachlasses. Sie hat kein Pflichtteilsrecht, weil sie nicht enterbt ist. Beide Kinder sind enterbt, sind also pflichtteilsberechtigt.

Sie hätten neben der Ehefrau gesetzlich je ein Viertel des Nachlasses geerbt.

Ihr Pflichteilsanspruch besteht in der Hälfte der gesetzlichen Erbquote, beträgt also ½ von 25% = 12,5% des Reinnachlasses, im Beispielsfall jeweils 37.500 € (12,5% von 300.000 €).

Die Ehefrau des Verstorbenen hat also jeweils 37.500 € an jedes der enterbten Kinder zu zahlen, wobei das betreffende Kind den Pflichtteil ausdrücklich vom Erben verlangen muss. Wer seinen Pflichtteil beim Erben nicht geltend macht, kann auch keine Zahlung erwarten.

Sind bei Ihrem Tod keine Kinder und auch keine Abkömmlinge derselben (z.B. Enkel) vorhanden, so sind ausnahmsweise Ihre Eltern pflichtteilsberechtigt, wenn sie noch leben.

Haben Sie in diesem Fall Ihre Ehefrau zum Alleinerben eingesetzt, so haben Ihr Vater und Ihre Mutter ein Pflichtteilsrecht in Höhe von jeweils 1/16 des Reinnachlasses. Dies ergibt sich daraus, dass die Ehefrau, mit der Sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben (Normalfall) bei gesetzlicher Erbfolge zu ¾ Erbin geworden wäre und jeder Elternteil zu je 1/8. Die Hälfte davon beträgt je 1/16.

Andere Personen als Ehegatten, Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz und Kinder bzw. Eltern, wenn keine Kinder vorhanden sind, haben in keinem Fall ein Pflichtteilsrecht. Geschwister und entferntere Verwandte können also bei testamentarischer Erbfolge keine Ansprüche an den Erben stellen.